Ein bisschen Schummeln kann beim Klimawandel nie schaden

Helmut Kuntz
Die Temperaturen am Nordpol lagen im Dezember und Januar über dem Gefrierpunkt, meldete Radio Bremen und bezog sich auf eine Pressemitteilung des Alfred Wegener Instituts.

Schaut man beim dänischen meteorologischen Institut die Arktis-Temperaturen nach, sieht man zwar Abweichungen nach oben, aber immer noch recht viel Kälte (Bild rechts). Dabei bitte beachten: Temperatur in Kelvin angegeben)

Bild 1 (rechts): Daily mean temperatures for the Arctic area north of the 80th northern parallel, plotted with daily climate values calculated from the period 1958-2002. (Kelvin) 0 °C = 273,15 K = 32 Fahrenheit. Quelle: dänisches meteorologisches Institut

Nun weiß ein regelmäßiger EIKE Leser, dass es um den 1. Januar 2016 eine deutliche Temperaturanomalie in Bereichen der Arktis gab „Die Klimaente zum Jahreswechsel Der Nordpol taut mitten im Winter“. Aber dass „… die Temperaturen am Nordpol im Dezember und Januar über dem Gefrierpunkt lagen“ erscheint doch ungewöhnlich.

In einem solchen Fall fragt man am besten nach. Also eine Anfrage an das AWI gestellt.

Zurück kam ein freundliches Mail und die entsprechende Information. Die Temperaturen wurden an Bojen des AWI gemessen. Eine Listung der entsprechenden Bojendaten (Bild 2) und Grafiken waren anbei. Leider war ein Teil der Grafiken recht unscharf, so dass die Daten geladen und mit Excel umgesetzt werden mussten (Bild 3).

Bild 2, Tabelle 1: Übersicht verschiedener Parameter der in der Arktis im Einsatz befindlichen Schneebojen.

Tabelle: Bojendaten mit Werten ab 0 Grad (Quelle: Detaildaten der Bojen aus dem Meereisportal):

Boje 2015S35 (blaue Linie), 500 km vom Pol entfernt, 19 Stunden 13.12. – 01.01.2016, 12 Stunden 24 / 25.01.2016

Boje 2015S29 (rosa Linie), 290 km vom Pol entfernt, 3 Stunden 30.12.2015

Boje 2015S16 (hellgrüne Linie), 407 km vom Pol entfernt, 4 stunden 30.12.2015

Man sieht im Bild 3, dass 30 Grad Temperatursprünge innerhalb kürzester Zeit bei Stürmen in der Arktis im Winter normal sind. Und wirklich, für einige Stunden haben Bojen im Winter auch positive Werte gezeigt. Wie lange, ist in der Tabelle „Bojendaten“ gelistet.

Jedoch: Keine Boje war am Nordpol. Am nahesten dran war Boje 2015 S29 mit 290 km Entfernung zum Pol und Messwerten über ca. 3 Stunden mit über 0 Grad am 30.12.2015.

Bild 3, Bojen-Messdaten S35; S29; S16. Quelle: http://www.meereisportal.de (Förderung: REKLIM-2013-04) bojendaten

Wie sich die Temperaturen um den 1. Januar global gesehen darstellten, zeigt Bild 4. Die NOAA hat in den Randbereichen von den AWI-Bojendaten demnach nichts mitbekommen, denn deren 0-Grad-Grenze liegt meilenweit entfernt.

Und da stellt sich die Frage: Sind solche Erscheinungen im Polarmeer eventuell sogar „normal“ und wurden bisher nur nicht entdeckt, weil es Messbojen mit Stundenauflösung in dieser Gegend erst seit wenigen Jahren gibt?

Eine Grafik über die Variabilität der Stratosphäre im Winter zeigt es. Über dem Polarmeer geht es im Winter richtig „Abartig“ zu. Dazu der Textausschnitt:

Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin K. Labitzke: Die Rolle der Stratosphäre für das Klimasystem:

Über der Nordhemisphäre wird die Zirkulation in den mittleren und hohen Breiten der Stratosphäre im Winter im wesentlichen von einem großen kalten Polarwirbel und einem quasistationären Hoch über den Alëuten bestimmt. Planetarische Wellen aus der Troposphäre dringen in die Stratosphäre ein, verstärken sich gelegentlich und führen zu großen Stratosphärenerwärmungen (s.u.), die unter Umständen einen Zusammenbruch des Polarwirbels und den Aufbau eines Hochs über der Arktis bewirken. Die einzelnen Winter sind sehr verschieden, daher ist die Variabilität der Stratosphäre in der winterlichen Arktis besonders groß

heute wissen wir, daß derart gestörte Winter mit verhältnismäßig ruhigen, kalten Wintern wechseln. Einen guten

Eindruck von der Variabilität von Tag zu Tag im 10-hPa-Niveau über dem Nordpol gibt Abb.2 (Anmerkung: ist Bild 5), in der der Temperaturverlauf von 11 Wintern dargestellt ist. Die großen Erwärmungen werden durch eine Verstärkung der langen planetarischen Wellen verursacht, die gleichzeitig Ozon aus den Subtropen in das Polargebiet transportieren.

Fazit

Dass es am Nordpol im Winter wirklich über 0 Grad hatte, ist weiterhin unwahrscheinlich und auch nicht belegt.

Nahe am Nordpol ist es der Fall gewesen, allerdings belegt nur für 3 Stunden im Dezember 2015 in 290 km Entfernung. Im Dezember und Januar geschah es in 500 km Entfernung.

So ganz weit hergeholt ist die Aussage des AWI nicht, aber richtig ist sie deshalb auch nicht.

Bild 4, Oberflächentemperatur am 30. Dezember 2015 (Daten: NCEP/NCAR Reanalysedaten www.esrl.noaa.gov/psd/products). Weiße Punkte sind AWI-Messboyen. Zufügung: Der rote Pfeil kennzeichnet die 0 Grad Grenze, das weiße Kreuz den Nordpol.

Bild 5, Abb. 2 Zeitreihen von täglichen 10-hPa-Temperaturen (°C) am Nordpol von November bis April, für die 11 Winter von 1988/89 bis 1998/99. (Daten: Institut für Meteorologie, Freie Universität Berlin)

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10 Kommentare

  1. #9: Markus Estermeyer sagt:

    „googeln Sie mal nach Rosbiwellen.“

    Rossby-Wellen sind in diesem Zusammenhang auch nur ein Schlagwort und keine Erklärung. Die Frage ist, was die Zirkulation antreibt: Temperaturunterschiede, Feuchtigkeit, Albedo. Letztlich ist das eine Henne-Ei-Problem.

  2. #7: Kuckuck sagt:
    „Eine recht einfache Erklärung dieses Wetterphänomens besteht darin, dass wir in den vergangenen Monaten dieses Jahres massive Kaltlufteinbrüche in Skandinavien und Mitteleuropa ja sogar bis Nordafrika hatten.“

    Können Sie diese massiven Kaltlufteinbrüche auch recht einfach erklären?

  3. Eine recht einfache Erklärung dieses Wetterphänomens besteht darin, dass wir in den vergangenen Monaten dieses Jahres massive Kaltlufteinbrüche in Skandinavien und Mitteleuropa ja sogar bis Nordafrika hatten. Wenn die kalte Luft aus der Arktis weggeblasen wird, muss sie ja durch andere Luft ersetzt werden. Die kann aber nur aus wärmeren Gebieten kommen. Dies hatten wir ja auch im kalten Winter 2013 (2012?) erlebt, wo es in Grönland wärmer war als bei uns. Man kann aber sicher sein, dass die eingeflossene Warmluft sehr schnell auf eisige Temperaturen abgekühlt wird.

  4. Nachtrag:

    Heute präsentierte Donald Bäcker im Morgenmagazin das Wetter und wies darauf hin, dass der April 2016 um 0,7 Grad zu warm war. Dazu präsentierte er eine Statistik, die zeigte, dass alle Aprilwerte seit 2004 zu warm waren – bezogen auf den Referenzwert 1961-1990. Im Nachsatz fügte er dann allerdings der Ehrlichkeit halber an, dass bei einer anderen Referenzperiode, z.B. 1981-2010 der April 2016 “vielleicht sogar eine negative Abweichung hätte”. Solche Relativierungen sparen sich die Qualitätsmedien zumeist und dadurch wird die Nachricht zur Manipulation.

  5. #4
    Feuchtwangen hatte mit -2,3 Grad am 28. April einen Minusrekord (letzter 1952 mit -1,8 Grad). Wäre das ein +Record gewesen, wäre es bestimmt auf jeder Titelseite erschienen, so kam es nur ganz versteckt im Lokalteil

  6. Wenigstens habne die Niederländischen Medien den 27. April 2016 für den kältesten seit Jahrzehnten herausgestellt. Immerhin war es innerhalb dieser Woche auch am Tage unter 10°C
    Nur wurde es auch nicht in Zusammenhang mit Klimawandel erwähnt.
    Soweit will man irgendwie wohl nicht, dass die Leute denken?

  7. Nicht nur Radio Bremen meldet solches Zeugs. Zeitungen und Rundfunk und hier ganz besonders der öffentlich rechtliche mit Bildungsauftrag sind täglich voll davon. Hier geht es nicht um Information, sondern um gezielte Manipulation der “bezahlten Meinungsmacher im Lügenäther” (Peter Sloterdijk). Die Klimaangst beim Bürger muss ja immer auf Temperatur gehalten werden.

    Dabei macht es das Wetter dem “Qualitätsjournalismus” einfach. Als Vergleich dient immer ein Durchschnittswert, oft der 30 jährige Mittelwert von 1961 bis 1990, in dem die besonders kalten 60er und 70er Jahre liegen. Man erinnere sich nur an die damaligen Prophezeiungen von Klimaforschern, die eine neue Eiszeit vorhersagten.

    Dazu ist das Wetter von Wetterlagen geprägt, die eher kalt oder warm und eher nass oder trocken sind. Im Durchschnittswert werden diese ganz unterschiedliche Wetterlagen zusammengefasst. Deshalb gibt es diesen Durchschnittswert in der Realität eher selten. Es ist im Gegenteil fast immer zu warm oder zu kalt, zu nass oder zu trocken. Das ist die Normalität, nicht der Durchschnittswert. Deshalb ist es für die “Qualitätsmedien” auch so leicht global irgendwelche Regionen zu finden wo es “zu warm” ist. Mit wenig Mühe könnten die Schreiberlinge auch Orte finden, wo es “zu kalt” ist. Aber das ist ja nicht die derzeitige politisch korrekte Botschaft.

  8. Sehr geehrter Herr Kunz,
    in Ihrem interessanten Bericht fehlt die Beschreibung einer Schneeboje. Dies kann man leicht „googlen“. Sie kann offensichtlich die Lufttemperatur, die Schneehöhe, die Eisdicke und die Wassertemperatur lokal messen. Wie verhält sich eine solche Schneeboje bei und nach einem starken Sturm? Wenn das Meereis dadurch bricht, landet sie im Wasser (a) oder sie treibt auf einer Scholle im Meer (b). Fall (a) kann die Boje wohl direkt feststellen. Fall (b) ist schwieriger durch die Boje zu detektieren. Bei Treibeis ist die Lufttemperatur sicher höher als bei einer geschlossenen Eisdecke.

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