Glückliche Schwarze im Schein einer Solarlampe als neokolonialer Traum

Afrika bei Nacht - Strom- und Lichtlos

Von Thilo Spahl.
Die amerikanische GivePower Foundation hat 500 Schulen in Entwicklungsländern Photovoltaik- und Beleuchtungssysteme gespendet und möchte vor Ende des Jahres 2015 weitere 1000 Schulen mit solarer Beleuchtung ausstatten. Ist das eine gute Sache? Zweifellos. Es ist besser, Licht zu haben, als kein Licht zu haben. Es ist aber gleichzeitig ein schlechtes Zeichen. Denn Initiativen wie diese sind auch Ausdruck für eine bestimmte Haltung gegenüber armen Ländern, insbesondere gegenüber dem „dunklen“ Kontinent, Afrika. Wenn es darum geht, welche Technik dieser Kontinent braucht, denken viele Leute heute zuerst an Solarlampen und andere, eher bescheidene Verbesserungen. Zugrunde liegt dem ein Pessimismus, der nur niedrige Erwartungen zulässt.

Sehr deutlich formuliert es der philanthropische Start-up-Unternehmer Lars Krückeberg in einem TEDx-Talk: „16 Prozent der Weltbevölkerung leben ohne Stromanschluss. Sie haben keinen Strom. Und sie werden keinen Strom haben. Es ist einfach zu teuer, Straßen und Stromleitungen zu diesen ländlichen Gebieten zu bauen. Es wird niemals geschehen.“ Niemals! Der erfolgreiche Architekt Krückeberg will diesen „Off-Grid-Menschen“ helfen und hat daher die Firma Solarkiosk gegründet. Ihr Produkt ist eine kleine Bude mit Solarzellen auf dem Dach, die als eine Art Stromtankstelle dient. Die Rotterdam School of Management an der Erasmus-Universität hat das Berliner Unternehmen dafür mit dem Erasmus Energy Business Award 2015ausgezeichnet. Im Februar hatte die Firma auch schon den „Zeit Wissen-Preis Mut zur Nachhaltigkeit“ erhalten.

Solarkioske sind ein Tropfen auf den heißen Stein

In der Begründung besonders hervorgehoben wird, dass durch die Solarkioske CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Holz reduziert und der Entwaldung vorgebeugt werde. Es wird also gleichermaßen Mensch und Planet geholfen. (Wobei, nebenbei bemerkt, auffällt, dass bei uns die Verbrennung von Holz in den Bereich der klimaneutralen, also „guten“ erneuerbaren Energien gezählt wird und in Deutschland mittlerweile zum Zwecke des Klimaschutzes in Kraftwerken Holz verbrannt wird, das eigens dafür aus Afrika importiert wird.) Tatsächlich ist den extrem armen Menschen geholfen, die über die mittlerweile über 100 Kioske Zugang zu etwas Elektrizität erhalten.

Wenn wir aber auf der Website von Solarkiosk erfahren, dass ein Kiosk 7500 Menschen „versorgt“, können wir ermessen, dass die Hilfe sehr bescheiden ist. Rechnerisch kommt jeder Mensch auf 0,36 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr. Damit kann man eine 40-Watt-Lampe neun Stunden brennen lassen oder sein Samsung Galaxy S5 immerhin 33 Tage betreiben. Der Pro-Kopf-Stromverbrauch in Deutschland liegt bei knapp über 7000 kWh im Jahr, ist also gut 20.000-mal so hoch. Der Durchschnitt in Subsahara-Afrika (Südafrika ausgenommen) liegt bei 150 kWh. Noch bescheidener sind Projekte wie „Little Sun“, ein von einem Künstler gestaltetes kitschiges Solar-LED-Lämpchen, das mit dem Greentec Award 2015 ausgezeichnet wurde, weil es angeblich gleichzeitig Licht zu den Ärmsten bringe und ein begehrtes Kunstobjekt sei.

Viele Menschen glauben, dass der globale Energieverbrauch schon viel zu hoch sei und uns dies letztlich in die (Klima-)Katastrophe führen wird. Wenn sie sich spontan ein ideales Afrika ausmalen, dann ist es ein Kontinent, wo Eingeborene mit deutscher Unterstützung in kleinen, solarifizierten Öko-Dörfern ein würdevolles einfaches Leben in Einklang mit der Natur führen, ohne dem Planeten Böses zu tun. Ein Leben, das die wohlmeinenden westlichen Off-Grid-Fans freiwillig jederzeit beginnen könnten, es aber nicht tun, woraus man schließen kann, dass es so erstrebenswert wohl nicht ist. Ein Leben, das aus westlicher Sicht offenbar gut genug für Afrikaner ist, mehr aber nicht. Doch diese Fiktion hat mit der Realität nichts zu tun.

Die Afrikaner als Energie-Hobbits

Die Menschen in Afrika sind entschlossen, den Weg einzuschlagen, der zu Wohlstand nach westlichem Vorbild führt. Immer mehr Afrikaner wohnen nicht abgelegen im Busch, sondern in Millionenstädten. Afrika zählt 46 davon, Europa lediglich 23. Und sie wissen, dass der wichtigste Schritt auf dem Weg in diese bessere Zukunft eine umfassende, verlässliche Elektrizitätsinfrastruktur ist, die dafür sorgt, dass jeder 24 Stunden am Tag seinen Strom aus der Steckdose bekommt. Die Partner, die ihnen beim Aufbau helfen, kommen aus Japan, China, Indien, Südkorea, Russland und Brasilien. Ganz selten aus Europa.

Die Liste der afrikanischen Kraftwerksprojekte ist lang: Algerien hat von 2011 bis 2013 seine Erzeugungskapazität um ein Drittel erhöht und will sie bis zum Jahr 2017 nochmal verdoppeln. Dazu baut das Land unter anderem sechs Gaskraftwerke. 99 Prozent der Bevölkerung haben bereits Zugang zum Stromnetz. 5 Ägypten will die Energieerzeugung bis 2020 auf rund 60 GW (Gigawatt) verdoppeln. Anfang des Jahres wurde u.a. vereinbart, gemeinsam mit Russland vier Atomreaktoren zu bauen 6, im Juni mit Siemens ein Vertrag über den Bau eines 4,4-GW-Gaskraftwerks geschlossen und im August die Entdeckung des großen Gasfelds Zohr vor der ägyptischen Mittelmeerküste bekannt gegeben. Dank des Gasfelds möchte das Land ab 2020 auf Importe verzichten. In Angola wurde die Kapazität seit Ende des Bürgerkriegs 2002 verdoppelt, aber noch immer haben nur 30 Prozent der Menschen einen Stromanschluss. In 10 Jahren sollen es doppelt so viele sein. 70 Prozent der Elektrizität kommen aus Wasserkraftwerken, 15 weitere sollen gebaut werden.

Das wichtigste ist der Laúca-Damm in der Provinz Kwanza Norte, eine Investition von gut vier Milliarden US-Dollar, die bereits im Jahr 2017 zwei Gigawatt Strom erzeugen soll. 8 Auch Uganda plant drei große Wasserkraftwerke mit insgesamt 1,4 Megawatt Kapazität. In Libyen hat sich die Erzeugung von 2000 bis 2010 verdoppelt. Vor Ausbruch des Bürgerkriegs und den westlichen Luftschlägen hatten auch auf dem Land 99 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom. In Mosambik wird gerade das erste Kohlekraftwerk des Landes gebaut, um die großen heimischen Kohlevorkommen nutzen zu können. Außerdem wurden in den letzten Jahren enorme Erdgaslagerstätten entdeckt. Bisher haben nur 20 Prozent der Menschen Zugang zu Elektrizität, die hauptsächlich vom in den 1970er-Jahren errichteten Cahora-Bassa-Staudamm stammt.

Ghana baut ein Atomkraftwerk mit russischer Hilfe

In Nigeria, dem Powerhouse und größten Erdölproduzenten Afrikas, ist die Stromversorgung extrem schlecht. Rund sechs Gigawatt müssen für eine Bevölkerung von 180 Millionen Menschen reichen. Im Jahr 2013 wurden die Kraftwerke des Landes privatisiert. Bis zum Jahr 2020 soll sich die Kapazität vervierfachen. Südafrika produziert mit einer installierten Kapazität von 26 GW mit Abstand den meisten Strom. Knapp 12 GW sollen in den nächsten Jahren hinzukommen. In Ghana hatten im Jahr 1990 nur 15 Prozent der Menschen einen Stromanschluss, in 2016 sollen es 93 Prozent sein. Im Juni vereinbarte das Land mit Russland eine Zusammenarbeit zum Bau eines Atomkraftwerks. Es will außerdem zum Zentrum der Ausbildung im Bereich der Nukleartechnik in Afrika werden.

Äthiopien ist dabei, die Stromerzeugung massiv auszubauen, um als regionaler Versorger auch Sudan und Kenia zu beliefern. Das Wasserkraftpotenzial des Landes wird auf 46 GW beziffert. Allein der Grand-Renaissance-Damm soll 6 GW liefern, die fünf Staustufen des Flusses Omo, Gilgel Gibe 1–5, rund 4,6 GW. Aber auch Kenia hat ambitionierte Ausbauziele und will unter anderem bis zum Jahr 2020 das erste Atomkraftwerk fertigstellen. Das weltweit weitaus größte Projekt ist der Grand-Inga-Damm im Kongo, der eine Leistung von 40 GW haben soll, mehr als alle heute existierenden afrikanischen Wasserkraftwerke zusammen.

Ehrgeizige Ausbaupläne bei Solar und Wind sind eher selten. Eine Ausnahme bildet Marokko. Das Land will den Anteil von weniger als vier Prozent im Jahr 2011 auf 42 Prozent im Jahr 2020 steigern. Dass die meisten Länder freiwillig kaum auf Wind und Sonne setzen, ist verständlich. Die Kosten sind selbst für den sonnenverwöhnten Kontinent zu hoch. Nach einer Schätzung des Center for Global Development kann mit Investitionen von zehn Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien eine Elektrizitätsversorgung für 30 Millionen Menschen aufgebaut werden. Der gleiche Betrag in Gaskraftwerke investiert würde jedoch 90 Millionen Menschen Zugang zu Elektrizität ermöglichen.

Gas versorgt dreimal soviel Menschen wie Solar und Wind – fürs gleiche Geld

Die Liste lässt sich fortsetzen. Das Potenzial für die Stromerzeugung ist sowohl im fossilen Bereich mit vielen nicht erschlossenen Gas-, Öl- und Kohlevorkommen als auch bei den Erneuerbaren, allem voran der Wasserkraft, riesig. Einer Studie von McKinsey zufolge verfügt Afrika südlich der Sahara (ohne Biomasse, Solar- und Nuklearenergie) über ein Erzeugungspotenzial von 1200 GW.16 Es gibt also viel Luft nach oben. Um ganz Afrika auf das Niveau von Südafrika zu bringen, wären ungefähr 1000 Gigawatt Kraftwerkskapazität notwendig, also etwa 1000 mittelgroße Kraftwerke. Wenn sich Investoren finden, kann Afrika die Stromversorgung zügig massiv ausbauen. Dass das machbar ist, haben wir in vielen Ländern gesehen. Im Jahr 1970 hatten nur rund 300 Millionen Chinesen Zugang zu elektrischer Energie, heute sind es eine Milliarde mehr. In Thailand hatten im Jahr 1980 nur rund 25 Prozent der Menschen Zugang, zehn Jahre später waren es schon über 90 Prozent und kurz vor der Jahrtausendwende 100 Prozent. In Südafrika waren es im Jahr 1990 noch weniger als 40 Prozent, heute sind es rund doppelt so viele.

Dass sich solche Investitionen lohnen, steht ebenfalls außer Frage. Mit der Stromversorgung erhöht sich die Produktivität der Menschen enorm. Abnehmer gibt es auch heute schon genug. Denn die sehr schlecht ausgebauten Energiesysteme bedeuten nicht notwendig, dass die Menschen keinen Strom benutzen. Schließlich kann praktisch kein Unternehmen ohne auskommen. Es bedeutet oft, dass sie sehr teuren Strom nutzen, da sie ihn notgedrungen mit Dieselaggregaten zum vielfachen Preis selbst produzieren. In Kenia besitzen 57 Prozent aller Betriebe solche Generatoren, in Tansania 42 Prozent und in Äthiopien 41 Prozent.

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) müssten rund 300 Milliarden US-Dollar investiert werden, um den allgemeinen Zugang zu Elektrizität in Afrika bis zum Jahr 2030 aufzubauen. McKinsey beziffert die notwendigen Investitionen bis 2040 für eine Vervierfachung der Stromerzeugung in Subsahara-Afrika auf 490 Milliarden US-Dollar. Das ist deutlich weniger Geld als Deutschland für die Ökostromumlage ausgibt. Der Nutzen wäre aber unvergleichlich viel größer.

Nicht nur deutsche Start-ups, auch die US-Regierung und andere westliche Organisationen fokussieren immer mehr auf kleine Projekte. Mitte des Jahres 2013 hat Präsident Obama die „Power Africa Initiative“ ins Leben gerufen. Im Juni 2014 startete die „Beyond the Grid“-Subinitiative, die auf kleinteilige Lösungen ohne Netzanbindung setzt. Allein die Bebilderung des Jahresberichts 2015 der „Power Africa“-Initiative spricht Bände. 18 Auf dem Titel sitzen einige Schwarze im Schein des Bildschirms eines alten Laptops in einer dunklen Hütte. Im Innenteil sind fünf Bilder von Solarpanels, fünf Fotos von glücklichen Menschen mit spärlicher Beleuchtung bei Nacht und viermal Menschen bei Bau- oder Montagearbeiten. Aber kein einziges Kraftwerk.

Glückliche Schwarze im Schein einer Solarlampe als neokolonialer Entwicklungstraum

„Beyond the Grid“ hört sich sehr fortschrittlich an. Auch hierzulande schwärmen Menschen davon, dass in Zukunft jeder seinen Strom selbst erzeugen kann und das alte System der großen Kraftwerke und Energienetze überwunden wird. Solche romantischen Ideen sind aber grundfalsch. Wenn man eine effiziente und verlässliche Energieversorgung möchte, gilt nach wie vor: Grid is King. Auch Afrika braucht große Kraftwerke und ein Stromnetz, das alle erreicht.

Wie soll die Bevölkerung auf dem Land versorgt werden? Größtenteils wahrscheinlich so, wie es auch bei uns geschehen ist: Indem die Menschen in die Städte oder Ballungsräume ziehen und dort ans Netz angeschlossen werden. Die Urbanisierung ist real und positiv. Nicht die Versorgung entlegener Dörfer, sondern die der großen Millionenstädte ist die Herausforderung. Dies gelingt am besten durch eine Energieerzeugung mit großen Kraftwerken, die in den Zentren großen Verbrauchs ein stabiles Netz versorgen.

Wer in kleinen Dörfern fernab der Städte bleibt, muss mit kleinen, teureren Lösungen leben, hat aber heute technisch mehr Möglichkeiten als früher. Robuste und leistungsfähige Off-Grid-Systeme sehen anders aus als die Solarkioske und Little-Suns. Off-Grid heißt zunächst, dass man nicht an ein überregionales Netz angeschlossen ist. Das Ziel muss aber dennoch sein, in seinem Zuhause Strom aus der Steckdose zu bekommen. Dies geschieht heute vor allem mit ineffizienten und sehr teuren Dieselgeneratoren. Die kann man mit Wind oder Solaranlagen sinnvoll ergänzen zu Hybridanlagen, die dann eine kleinere Zahl von Haushalten verlässlich versorgen. In vielen afrikanischen Ländern gibt es entsprechende Off-Grid-Entwicklungspläne. Für größere Kommunen kommen auch kleine Gaskraftwerke in Frage oder Mini-Kernreaktoren, die als kompakte, hermetisch abgeschlossene Einheiten geliefert werden, 30 Jahre kontinuierlich und wartungsfrei Strom produzieren, ohne dafür neuen Brennstoff zu benötigen, und dann wieder abtransportiert und rezykliert werden können.

Menschen leiden täglich unter Energiearmut – der Klimawandel spielt keine große Rolle

Klimaschutz ist heute das große globale Ziel, um das sich aus westlicher Sicht alles dreht. Eine weltweite verlässliche Energieversorgung für alle Menschen ist ein anderes. Welches ist wichtiger? Wir sollten wenigstens damit beginnen, ernsthaft darüber nachzudenken. Schon heute leiden angeblich Milliarden Menschen unter den Folgen des Klimawandels, hören wir immer wieder: Stürme, Hitze und andere Wetterextreme. Die Belege dafür sind von zweifelhafter Qualität. Eine andere Aussage lautet: Noch heute leiden vier Milliarden Menschen tagtäglich unter den Folgen unzureichender Energieversorgung. Diese Tatsache ist vollkommen unzweifelhaft und das Leiden ein vielfältiges. Energiearmut führt unmittelbar zu unzureichender Wohnqualität, Ernährung, Gesundheit, Bildung, Mobilität. Sie führt auch zu einer gering ausgeprägten Fähigkeit, sich vor Naturkatastrophen und Wetterextremen zu schützen. Und letztlich auch zu weniger Naturschutz. Wo achtmal so viel Land gebraucht wird, um die gleiche Menge Getreide zu erzeugen, und statt fossiler Energieträger Holz verheizt wird, braucht man sich über die Abholzung von Wäldern und den Rückgang der Artenvielfalt nicht zu wundern.

Ohne Frage sollten wir große Anstrengungen unternehmen, unsere Energieversorgung effizienter und umweltverträglicher zu gestalten. Wir dürfen aber das primäre Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, die globale Energieversorgung massiv auszuweiten. Aus welchen Quellen kann der große Nachholbedarf Afrikas gedeckt werden? Der Anteil an Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch beträgt heute in Afrika etwa 50 Prozent und wird hauptsächlich durch Brennholz gedeckt, in Asien (Nicht-OECD-Länder) und Südamerika sind es 30, in der EU und Deutschland etwa zehn und in den USA fünf Prozent. Die Richtung, die Afrika gehen muss, ist klar: weg von den alten Erneuerbaren, hin zu fossiler und Nuklearenergie und teilweise zu den neuen Erneuerbaren. Afrika hat größere Gasvorkommen als die USA, fördert aber nur ein Viertel so viel, wovon das meiste exportiert wird. Gas wird daher in den nächsten Jahrzehnten die dominante Rolle spielen. Nach den McKinsey-Prognosen wächst die Erzeugung aus Gas von 28 TWh (Terawattstunden) im Jahr 2010 auf 710 TWh in 2040, Kohle würde von 225 auf 371 ansteigen, Wasser von 92 auf 256, Solar von Null auf 127, wobei das Wachstum vor allem nach dem Jahr 2030 zu erwarten sei, wenn die Solarzellen  effizient genug geworden sein soll.

Beim Klimaschutz muss man der Realität ins Auge blicken. Die Vorstellung diverser Öko-Visionäre, zugunsten des Klimaschutzes den weltweiten Energieverbrauch auf dem heutigen Niveau zu halten oder gar zu senken, ist absurd und beinhaltet die klammheimliche Hoffnung, dass Afrika arm und unterentwickelt bleibt. Um bis zum Jahr 2035 die Energieverfügbarkeit pro Kopf weltweit auf das Niveau von Bulgarien zu bringen, wäre ein Anstieg um 88 Prozent nötig. Das hieße aber auch, dass wir in Deutschland auf bulgarisches Niveau absinken. Das fänden die meisten sicher nicht lustig. Um auf deutsches Niveau zu kommen, sind 200 Prozent Steigerung notwendig. Das ist noch weit entfernt vom US-Niveau (460 Prozent Zuwachs), aber doch recht ambitioniert. 20 Global gesehen müssen wir also verdoppeln oder verdreifachen. Ein nur moderater Anstieg wäre ein katastrophales Versagen. Unser Ziel kann es nicht sein, die Welt dadurch zu retten, dass ein Großteil der Menschen arm bleibt. Energiearmut kann nicht der Preis für Klimaschutz sein. Andere Lösungen sind erforderlich und werden durch den weiteren technischen Fortschritt auch zu finden sein.

Eine energiearme Welt ist auch eine kulturell arme Welt

Ein wichtiger Schritt für Afrika ist die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft. Dazu gehören Traktoren, Erntemaschinen, Dünger, Bewässerung, Kühlhäuser, die erhebliche Mengen an Energie benötigen. Wie bei uns vor 50–100 Jahren werden sie zu einer elementaren Befreiung der Menschen führen und enorme neue Möglichkeiten eröffnen. Männer, Frauen und Kinder können sich, statt auf dem Feld zu ackern, der Bildung und der Entfaltung ihrer kreativen Möglichkeiten in privaten und geschäftlichen Aktivitäten aller Art widmen. Sie können der Gesellschaft, nicht anders als bei uns, als Industriearbeiter, Handwerker, Ärzte, Wissenschaftler, Ingenieure, Lehrer, Programmierer, Filmproduzenten, Künstler und so weiter zu Reichtum verhelfen, von dem alle profitieren. Ohne umfassende und schnell wachsende Energieversorgung können sie all das nur in weitaus geringerem Maße. Eine energiearme Welt ist auch eine kulturell arme Welt.

Wir brauchen im Energiesektor Innovation. Die findet vor allem dort statt, wo im großen Stil neue Energieerzeugungskapazität aufgebaut wird. Es ist also die Mission der Entwicklungs- und Schwellenländer, die Energiesysteme der Zukunft zu entwickeln, zu erproben und in großem Maßstab zu implementieren. China hat nicht nur die Führung in der Solarenergie übernommen, es ist auch das Land, in dem saubere Kohlekraftwerke und neue Typen von Kernreaktoren entwickelt werden, die die bei uns genutzte, ein halbes Jahrhundert alte Technologie in Hinblick auf Sicherheit und Effizienz weit übertreffen können.

Die vornehmste Aufgabe der entwickelten Länder ist es, Technologien und Know-how zur Verfügung zu stellen und in Projekte zum Aufbau einer effizienten Energieversorgung sowie einer modernen Landwirtschaft und Gesundheitsversorgung zu investieren. Der Rest wird sich auch in Afrika von allein entwickeln. Natürlich nicht ohne Fehler, Irrwege und Ungerechtigkeiten, aber letztlich zum Vorteil und zum Wohle von Hunderten von Millionen von Menschen. Menschen, die so leben wollen wie wir und denen niemand das Recht dazu absprechen kann.

Afrika ist im Aufbruch. In Afrika finden sich 9 der 15 wachstumsstärksten Nationen der Welt. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist der schnelle, massive Ausbau der Energieversorgung mit all seinen positiven Auswirkungen, allen voran die, Hunderten von Millionen von Menschen die Chance zu geben, in produktiven Tätigkeiten ihr kreatives Potenzial zu entfalten.Was gut genug für Afrika ist, sollten wir daran messen, was gut genug für uns ist. Und gut genug für uns ist ohne Zweifel nur eine 100-prozentige Verfügbarkeit von Strom in beliebigen Mengen 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.

Thilo Spahl ist Ressortleiter Wissenschaft bei NovoArgumente wo dieser Beitrag zuerst erschien erschien (hier). Dort finden Sie auch eine umfangreiche Linkliste mit Quellenangaben und weiterreichenden Informationen.

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8 Kommentare

  1. Ich bin gegen die heute üblichen Spendensysteme. Diese Vereine verdienen daran am meisten und die Politiker in den jeweiligen Ländern kassieren dabei auch in Größenordnungen ab.

    Ich erinnere mich an mehrere Dinge. Vor einigen Jahren sammelte RTL Spenden, um in Adrika eine Schule zu bauen, was nur ei paar Stühle und Tische waren. Die wurden aus Deutschland exportiert. Warum hat RTL nicht das Geld verwendet, um in Afrika Wirtschaft zu starten? Die hätten das Geld verwenden können, um in Afrika die Stühle und herstellen zu lassen. So startet Wirtschaft und Armut sinkt.

    Dambisa Moyo aus Sambia lehnte 2011 Entwicklungshilfe ab. Die hilft nicht, die schadet den Ländern und verursacht mehr Armut.

    http://tinyurl.com/oumvvyp

    In Katastrophensituationen ist das etwas anderes. In normalen Situationen sollten diese ganzen Hilfsorgansiationen aufhören, die Armut in diesen Ländern zu erweitern.

    Heute werden auch immer mehr Gerüchte über Afrika verbreitet. Deshalb haben es Afrikaner mal in einem Video lustig rumgedreht. Norwegen ist ein zu kaltes Land. Deshalb haben die aufgerufen, in Afrika Spenden zu sammeln, um Heizkörper nach Norwegen zu schicken:

    http://tinyurl.com/d8k9t3b

    In einer Fernsehsendung wurde auch mal über ein Hilfsorgansiation berichtet, die Spenden smamelte, um in einem durch ein Erdbeben zerstörten Land (oder irgendeine Insel) die Wohnungen wieder retteten. Die Bewohner, die keine richtigen Wohnungen mehr hatten, beschwerten sich. Es war nur billiger Müll, was da repariert und gebaut wurde. Die Hilfsorgansiation hat aber daran verdient. Heute redet über solche Beispiele niemand mehr im Fernsehen. Vor 10 bis 15 Jahren war das noch etwas anders.

  2. Dass Holz aus Liberianischen Gummibäumen nach Deutschland importiert werden soll, war eine Idee aus den Jahre 2010, die aber nie verwirklicht wurde.

    Dass als Lösung des Energieproblems in entlegenen Regionen Afrikas der Umzug in die Städte vorgeschlagen wird, ist realitätsfern.

    Afrika braucht Landbevölkerung, die die Ernährung aus eigener Quelle mit ermöglicht. Und ein Zuzug in die Großstädte bedeutet automatisch ein Leben in den Slums, wo Kleinkriminalität und Prostitution oft Teil des Lebensunterhalts sind.
    Junge ziehen in die Städte, und die Alten bleiben alleine zurück.

    Ich selbst war sieben Jahre im Hochland Tansanias und war über meine kleine Solaranlage froh. Solarlaternen sind unschlagbar preiswert im Betrieb im Gegensatz zu Petroleumlampen, die in der Woche mehrer Euro verbrannt haben. Und auch die Luft im Haus belastet haben. Noch teurer sind Benzin-Generatoren für Beleuchtung.

    Eine eindeutige Richtung von außen vorzugeben ist nicht zielführend. Man muss einfach alle Möglichkeiten anbieten und beraten. Was gut und sinnvoll ist, wird angenommen.

  3. Ein guter und überzeugender Artikel, trotzdem ein wenig Kritik:
    1. Das Wort Klimaschutz hat in diesem visionären Aufsatz nichts zu suchen. Klimaschutz gibt keinen Sinn, ist nur Propaganda der Reichen für mehr Umsatz, Rendite und Macht. Umweltschutz dagegen ist eine sehr wichtige Aufgabe.

    2. Daß die Chinesen saubere Kohlekraftwerke „entwickeln“, sogar noch solche, die unsere „alte Technologie in Hinblick auf Sicherheit und Effizienz weit übertreffen kann“, glaube ich nicht.
    Vor Kurzem wurde in einem südeuropäischen Land (nicht EU) ein neues Kohlekraftwerk ausgeschrieben. Auch chinesische Firmen hatten sich beworben, und das mit verlockend guten Konditionen, weil der chinesische Staat das Projekt gefördert hat, schließlich wäre damit der Weg nach Europa geebnet. Sie haben aber den Auftrag nicht erhalten – wegen mangelnder Effizienz (Wirkungsgrad) und nicht überzeugender Technik.

    3. Der Begriff „Erneuerbare“ ist verwirrend. Wenn man ihn als quasi unendlich verfügbare Energiequellen verstehen will, dann muß man mit heutigem Wissensstand die Kernenergie dazuzählen. Vielleicht kommen in einigen Jahren mit zunehmendem Wissen dann auch noch Erdöl und Erdgas hinzu.
    „Erneuerbare“ benötigen genauso wie die anderen Energiequellen Rohstoffe, Energie und menschliche Arbeit, um brauchbare Energie zu gewinnen, und das z.T. deutlich mehr als die „Nicht-Erneuerbaren“.
    Aus energetischer oder volkswirtschaftlicher Sicht gibt die Aufteilung keinen Sinn.

  4. Zu sich den Treibstoff klar erhalten wollens wohl den Afrikaner nur verkaufen Licht.
    Weil´s ja grob nur so am Tag von 6 bis 18.00 uhr da helle ist.
    Und warm tun´s ja da haben!
    Was brauchen´s also Infrastruktur zum Heizen also für Kraftstoff Straßen!
    Den Kraftstoff wollen die doch in Europa selber gerne haben und auch nur gegen da teuer Tausch gegen halt Solarzellen und Windräder zu Wasserpumpen für dann Lichte Schein beim Abendplausch.

    Und auch Klimaanlage brauchen´s nit
    , weil sind ja d´Hitze so gewöhnt.

    Wie der g´meine Europäer
    halt den Afrikanern
    Fortschritt gönnt.
    Gegen von denen Brennstoff zu gegen d´Russen Preise drücken wollen können
    – für´s Altersheim Europa
    wo die Alten nichtmal sind bald mehr Oma oder Opa
    .

  5. @# 2 und 3, Kir Sender, Markus Estermeier

    1,4 Megawatt Dauerleistung bringt ein Klein-Wasserkraftwerk. 1.4 Gigawatt Dauerleistung bringen die paar Laufwasserkraftwerke von Électicité de France am Rhein / Grand Canal d’Alsace insgesamt etwa. Die Turbinen, die vom Grand Dixence-Stausee gespiesen werden können, haben total eine Maximalleistung von ca. 2.2 GW.
    Wie Kir Sender als aufmerksamer und kritischer Leser richtig bemerkt hat, muss es sich sehr wohl um Gigawatt, und nicht um Megawatt handeln.

    mfG, Dieter Büchle

  6. „Uganda plant drei große Wasserkraftwerke mit insgesamt 1,4 Megawatt Kapazität.“

    Glaub ich nicht. Gemeint sind wohl Gigawatt.

  7. Ein hervorragender Artikel. Wer sich ernsthaft über Entwicklung gedanken macht, und nicht um Folklore und emotional-ideologischen Aktivismus, kommt um eine vernünftige, bedarfsgerechte, stabile und kostengünstige Versorgung nicht herum. Immerhin ist es nicht nur eine Frage von persönlicher Lebensqualität, sondern der Wirtschaftsentwicklung des Landes. Neben anderen Hemmnissen, die Afrika und anderen Regionen den Anschluss an globalisierten Märkten schwer macht, ist die Frage nach Energie und Zuverlässigkeit eine Schlüsselfrage.

    Wer nun gleich an die bösen Industrien denkt, und an Begriffe wie ‚Small is Beautiful‘ sollte lernen, dass das Elend der Welt nicht der Engpass an Nahrungsmitteln, sondern an Einkommen ist. Um Einkommen zu generieren ist ein volkswirtschaftliche Entwicklung gefragt …

    Noch eine Anmerkung zu den Solar Panels: Da diese separat installiert und gehandelt werden können, sind diese ebenso wie Kupferkabel begehrt … auch bei Dieben. Nicht selten ist gerade das Problem des Diebstalschutzes kritisch. Ein kleines Kraftwerk klaut so schnell keiner. Aber Solar-Panels können schnell verschwinden, wenn es kein dichtes Netz an Ordnungsmächten gibt, das eben jenes verhindert.

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