Bauern­regeln und „Sieben­schläfer“ – was ist dran?

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Dipl.-Met. Hans-Dieter Schmidt
Schon merkwürdig – jedes Jahr um diese Zeit geistert wieder der so genannte „Siebenschläfer“ durch die Welt, wobei fast durchweg die entsprechende Bauernregel gemeint ist. Darum sollen hier einige grundsätzliche Dinge in diesem Zusammenhang beschrieben werden. Bauernregeln sind ja nichts als gesammelte Erfahrungen, und Erfahrung(en) ist zu 100% Statistik. Und um Statistik soll es hier gehen, und nicht um irgendwelche Spekulationen darüber, zu wie viel Prozent die eine oder andere Regel zutreffend ist.

Bauernregeln allgemein

Bauernregeln stammen, wie der Name schon sagt, von Bauern, in Neudeutsch Landwirte. Entstanden sind sie überwiegend im Mittelalter und ohne dass die jeweiligen Bauern natürlich Kenntnisse über meteorologische Zusammenhänge kannten.

Außerdem haben die Bauern die Regeln in Versform gefasst und auf bestimmte katholische Feiertage bezogen, deren es damals viel mehr gab als heute. Das sollte die Merkfähigkeit erhöhen. Dieser Bezug der meisten Regeln auf einen bestimmten Tag ist aber statistisch wenig brauchbar, und es ist zu vermuten, dass auch die Bauern des Mittelalters immer eine Zeitspanne um jenen Tag zugrunde gelegt haben. Die Regeln waren jedoch für die Abschätzung der Qualität der Ernte das Einzige, was damals zur Verfügung stand, und sind entsprechend hoch gehandelt worden.

Es gibt nun aber drei Punkte, die bei einer Bewertung von Bauernregeln heutzutage beachtet werden müssen:

1) Es gab im Jahre 1582 die Kalenderreform von Papst Gregor dem XIII (13), wobei bekanntlich 10 Tage einfach unter den Tisch fielen. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden. Die Fixierung der meisten Regeln ist aber überwiegend an jenem Tag hängen geblieben, hat also die Reform nicht mitgemacht. Zu allen auf einen Tag fixierten Regeln müssen also 10 Tage hinzugefügt werden.

2) Zum Zeitpunkt der Entstehung der meisten Bauernregeln um das Jahr 1000 war es im Zuge des Mittelalterlichen Klimaoptimums deutlich wärmer als heute. Es gab aber nie eine Untersuchung, ob diese Regeln auch in kälteren Klimaten Gültigkeit haben.

3) Wichtigster Punkt bei der Bewertung von Bauernregeln: Natürlich sind die Bauern der damaligen Zeit nicht wie heute wild in der Weltgeschichte umher gereist, sondern zumeist ihr Leben lang an ihrer Scholle haften geblieben. Und ebendort haben sie auch ihre Beobachtungen durchgeführt – die Bauern in Süddeutschland für Süddeutschland, im Norden für Norddeutschland usw. Der Ursprung dieser Regeln lässt sich aber heute in keinem Falle mehr feststellen. So ist davon auszugehen, dass eine im Bayerischen Wald gefundene Regel einfach auf ganz Mitteleuropa ausgeweitet wurde. Es ist aber sehr zu bezweifeln, dass z. B. eine im Allgäu gefundene Bauernregel auch in Ostfriesland anwendbar ist!

Beim Googeln findet man sicher zuhauf etwas zu dieser Thematik. Daher soll es damit in diesem Beitrag sein Bewenden haben.

Die Siebenschläfer-Regel

Auch zu dieser Regel lässt sich im Internet jede Menge Material finden. Die Legende um den Siebenschläfer selbst ist hier aber nicht das Thema. Sondern es soll ein Zusammenhang aus statistisch-synoptischer Sicht zu dieser Regel hergestellt werden. Dazu muss man aber etwas ausholen und die Rossby-Wellen bemühen. Die Frage lautet, wie sich die Siebenschläfer-Regel in den Kontext von Rossby-Wellen einbinden lässt.

Bekanntlich sind ja die Mittleren Breiten Schauplatz des Strahlstromes, also des Haupt-Temperatur- und Druckgegensatzes in der mittleren Troposphäre. Ebenso bekannt ist, dass dieser Strahlstrom mäandriert. Diese Mäander lassen sich mittels einer Taylor-Entwicklung in Einzelanteile von Wellen aufschlüsseln. Von Interesse sind hier aber nur die sog. Langen Wellen, also die Wellenzahlen 1 bis 5 (Wellenzahl 5 bedeutet, dass rings um den Pol 5 Tröge und 5 Hochdruckkeile zu finden sind). Näheres hierzu siehe u. A. hier.

Ein solches Muster langer Wellen ist fast immer mehrere Wochen bis hin zu einigen Monaten stabil. Liegt z. B. Mitteleuropa während dieser Zeit in einem Wellental, herrscht überwiegend (im Sommer) kühle und wechselhafte Witterung. Irgendwann ändert sich aber dieses Muster, wobei sich die langen Wellen meist innerhalb weniger Tage vollkommen umstellen. In diesen Zeiten liefern sämtliche numerischen Vorhersagemodelle schon nach drei Tagen sehr unterschiedliche Entwicklungen (die aber statistisch alle gleich wahrscheinlich sind).

Eigentümlicherweise sind derartige Umstellungen aber nicht zufällig gleichmäßig über das Jahr verteilt, sondern es gibt Schwerpunkte. Über die Ursachen hierfür lässt sich trefflich spekulieren, doch sind sie in diesem Zusammenhang hier völlig unerheblich. Es gilt allgemein: Wenn ein bestimmter Vorgang in 10 von zehn Fällen immer gleich abläuft und/oder auf ein bestimmtes Ereignis immer das gleiche Folgeereignis eintritt, dann liegt ein sehr hoher statistischer Zusammenhang vor, dessen Ursache aber vollkommen unerheblich ist. Das heißt nun nicht, dass es im 11. Fall mit Sicherheit wieder so abläuft, es heißt aber, dass es für diesen Ablauf auch beim 11. Mal eine sehr hohe statistische Wahrscheinlichkeit gibt.

Im Wesentlichen zeichnen sich im Jahresverlauf zwei zeitliche Schwerpunkte der großräumigen Zirkulations-Umstellung ab, nämlich einmal Anfang Juli (5. Juli ± 2 Tage) und Anfang Dezember, also jeweils zu Beginn des Hochsommers/Hochwinters. Betrachtet werden soll hier der Zeitpunkt Anfang Juli, der (rein zufällig?) natürlich auch der Zeitpunkt des meteorologischen Siebenschläfers ist. Daraus lässt sich folgern, dass das im Folgenden Beschriebene auch schon im Hochmittelalter so vor sich gegangen war.

Falls es Anfang Juli zu einer grundlegenden Umstellung des Langwellen-Musters kommen sollte, so ist mit sehr hoher statistischer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieses Muster bis mindestens Mitte August vorherrschend sein wird. Anmerkung dazu: Die Regel lautet auf „Siebenschläfer Regen, sieben Wochen Regen“. Für sonniges und trockenes Wetter macht diese Regel keine Aussage. Die Statistik der Umstellung gilt aber für das Wellenmuster allgemein, also auch, wenn dieses länger anhaltende Trockenheit und Wärme mit sich bringt. Das war für die Bauern der damaligen Zeit aber nicht erkennbar, denn auch bei den stabilsten Hochdruckwetterlagen kommt es beim Durchzug kurzwelliger Tröge immer wieder zu teils schweren Gewittern mit erheblichen Ernteausfällen, was zur damaligen Zeit natürlich sofort katastrophal werden konnte.

Die statistische Wahrscheinlichkeit dieser Aussage nimmt mit zunehmender zeitlicher Entfernung von diesem Zeitpunkt ab, verschwindet aber nicht einfach im statistischen Rauschen. Von Mitte Juli bis Mitte August mögen sich die langen Wellen nun einmal nicht gerne umstellen. Der Sommer des vorigen Jahres 2018 war ein Beispiel dafür.

Ganz unwissenschaftliches Fazit: Anfang Juli wird der Sommer, Anfang Dezember der Winter gebacken.

Anmerkung: Dies sind lediglich Hintergrundinformationen. Zu einer richtigen Abschätzung kann man aber noch weitere Statistiken bemühen. Vor allem die Beiträge von Kämpfe/Kowatsch zeichnen sich in dieser Hinsicht aus, weshalb ich hier bzgl. der aktuellen Lage nicht vorgreifen möchte.

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3 Kommentare

    • Antwort von Hans-Dieter Schmidt:
      Erstens schmilzt das arktische Meereis nicht mehr als sonst über die letzten Jahre, und zweitens dürfte der Jetstream zu allen Zeten mal schwächer, mal stärker gewesen sein. Im Winter ist er sehr stark, im Sommer eher schwach. Er rihtet sich nach der Stärke des Temperaturgegensatzes zwischen Nord und Süd.

      Sollte der Link zutreffen, dürfte es während des Mittelalterlichen Klimaoptimums gar keine Stürme gegeben haben, denn je schwächer der Gegensatz, umso schwächer der Jetstream (sehr vereinfacht).
      Also: keine Änderung gegenüber Vorbericht! Nur Alarmismus allerorten!

      H.-D. S.

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