von Dipl. Geol. Dr. rer. nat. Bernd Hartmann
Lieber Leser,
inzwischen sind beinahe 6 Jahre vergangen, seit dem der erste Teil der Abhandlung zum Thema „Schiefergas“ unter der Internetplattform von EIKE erschien (hier). Die Motivation des Verfassers war ursprünglich damit begründet, dass er sich mit dem Aufkommen der „Schiefergasrevolution“ und der damit zusammenhängenden vor allem im Europa der EU-Länder gegenüber dem „Fracking“ laut gewordenen allgemeinen Empörung, aus reiner Neugier begann, mit dem Thema zu beschäftigen. Als man bemerken konnte, dass über den gegebenen Themenkreis ein Großteil der Information hauptsächlich über Fachfremde an die Öffentlichkeit gelangte, kam noch der Teil der Motivation hinzu, das Feld den Dilettanten nicht völlig überlassen zu wollen.
Seit Beginn der „Schiefergasrevolution“ ist nun so einiges Wasser nicht nur den Rhein und die Elbe heruntergeflossen. So ist inzwischen auf dem nordamerikanischen Erdgasmarkt, auch wenn dies geleugnet wird, eine systemimmanente Überproduktionskrise zu beobachten. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage wirkt sich im konkreten Fall nun auf die Wirtschaft der USA derartig negativ aus, so dass einigen wichtigen „Playern“ auf dem nordamerikanischen Erdgasmarkt inzwischen das Aus droht. Unabhängig davon grassiert auf dem Weltmarkt der natürlichen Kohlenwasserstoffe (besonders Erdöl) ein unnatürlicher* Preisverfall.
Im Zuge der Erarbeitung vorliegenden Aufsatzes hat der Verfasser so einige energiepolitische „Papers“ durchgesehen. Sie reichen von voreingenommer Ablehnung (meist auf inkorrekte unwissenschaftliche Art) bis hin zu gutgläubiger vorbehaltloser Befürwortung einer Inangriffnahme der Förderung des unkonventionellen Rohstoffes. Die Mehrheit der politischen Abhandlungen kennzeichnet sich durch unabwägende inkompetente Argumentationsweisen – trägt par-teienpolitisch-ideologisch eindeutig geprägte Handschriften. Um sich näher mit Ihnen auseinan-derzusetzen, wäre dafür ein gesonderter Artikel notwendig.
Während man in der Öffentlichkeit berechtigt oder unberechtigt Kritik an der seit mehr als 50 Jahren in der Tiefbohrbranche international praktizierten Methode des Frackings übt, wird nicht bemerkt, wie man sich international tatsächlich von der „Schiefergasrevolution“ beeindrucken lässt. So wurden bspw. in Deutschland, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, im Jahr 2012 die sog. „Schiefergasstudie“ [14] und unlängst im Januar 2016 die „Schieferölstudie“von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe veröffentlicht. Dabei wird nicht an die Öffentlichkeit getragen, was es wirklich bedeuten würde, eine För-derung der ermittelten verlockend großen Ressourcen an Schiefergas und Schieferöl in Angriff zu nehmen. (Völlig unabhängig von vielen anderen Fragen in diesem Zusammenhang existiert bspw. in Deutschland in der Wirtschaft weder ein leistungsfähiger Bohrsektor zur Bewältigung notwendiger Bohrarbeiten noch das entsprechende Know-how.)
Wie in den meisten Ländern der Welt hat man inzwischen auch in Russland [8, 16] eine öffentlich zugängliche Prognose über das nationale Schiefergaspotential erstellt.
Die Niederschrift des dritten Teils erfolgte im Resultat der etwas intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema und der Erkenntnis, dass im Grundcharakter international üblicher Klassifikationen z.B. von Rohstoffreserven zumindest auf indirektem Weg Zusammenhänge hinsichtlich der Entwicklung der ak-tuellen Situation auf dem Weltrohstoffmarkt u.a. zu finden sind.
An dieser Stelle sei auch bemerkt, dass der international übliche Ausdruck „Reserven“ im Zusammenhang mit natürlichen Rohstoffen – Naturressourcen in fachlich korrektem Deutsch als „Vorräte“ bezeichnet werden. Um „Vorräte“ bzw. „Reserven“ handelt es sich dann, wenn diese im Ergebnis geowissenschaftlich basierter Untersuchungen (geologische Kartierungsarbeiten (Map-ping), Prospektion, Suche und Erkundung (Exploration)) und darauf folgender Wirtschaflichkeitsbetrachtungen als wirt-schaftlich nutzbar erachtet werden. Das im englischsprachigen Raum für rohstoffwirtschaftliche Sachver-halte genutzte Wort „Reserve“ kann in seiner Übersetzung ins Deutsche als „Reserve“ für erhebliche Missverständnisse sorgen. Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen „Vorkommen“ und „Lagerstätte“. In der Wirtschaftsgeologie** sind dies, streng genommen, ökonomische Kategorien. Man spricht dann von einer „Lagerstätte“, wenn es sich um ein wirtschaftlich nutzbares „Vorkommen“ handelt. Die genannten Sachverhalte werden im öffentlichen Informationswesen vollkommen missverständlich kommuniziert (was eher eine Richtigstellung als eine Kritik sein soll).
Aus fachlicher Sicht wird die Spezifik von Erdöl und Naturgas durch ihre Aggregatzustände bestimmt. Bspw. in Kohlenflözen erweist sich die Berechnung von Vorräten als relativ unkompliziertes Unterfangen. Dagegen stellt sich die Ermittlung von Vorräten flüssiger und gasförmiger Stoffe, welche sich innerhalb der Erdkruste in Hohlräumen, Porenräumen und Klüften befinden, schon etwas schwieriger dar. So werden hier quantitative Aussagen über Rohstoffmengen in Form von Fördermengen pro Zeiteinheit über be-stimmte Zeiträume angegeben*. (Deshalb erscheinen Angaben bspw. über die Erdölförderung meist in bbls/d (barrels pro Tag, m³/d o.ä.))
Als Beitrag zur Bildung einer Gesamtübersicht bei der Leserschaft bzw. um zu vermitteln, wovon die Rede ist, werden die Abbildungen 1 und 2 dem Text vorangestellt.
Abb. 1: Die Schiefergasressourcen der Welt
Abb. 2: Die Position von Schiefergas unter den Naturgasarten
Die Ausarbeitung jeglicher Art o.g. Klassifikationen zur Einstufung von Vorräten natürlicher Rohstoffe steht vor dem Hintergrund des objektiv existierenden vom Verfasser so genannten „Dilemmas der Erkundungsgeologie“. Es besteht darin, dass der tatsächliche Rohstoffinhalt einer Lagerstätte im Resultat auch nach ihrer noch so intensiven Erkundung aus objektiver Sicht nicht in Erfahrung gebracht werden kann. Grundsätzlich tragen deshalb ermittelte Lagerstättenvorräte Wahrscheinlichkeitscharakter. Ein Gütezeichen einer geologischen Erkundung und der daraus ermittelten Vorräte ist deshalb, inwieweit die ermittelten Vorräte von 100 % des faktischen Rohstoffinhalts einer Lagerstätte abweichen. Der faktische Rohstoffinhalt einer Lagerstät-te kann jedoch ausschließlich im Zuge ihres Abbaus exakt ermittelt werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieses „Dilemma“ jemals einer vollkommenen Lösung zugeführt wird.
Nachfolgend wird eine Reihe von Klassifikationssystem von Vorräten natürlicher Rohstof-fe vorgestellt. Ursprünglich sind sie mehrheitlich für die Sicherheit der Vorratsnachweise, d.h. für die Sicherheit großer Investitionen bzw. für die Gewährleistung der perspektivischen Wirtschaft-lichkeit der Rohstoffförderung ausgelegt und dienen somit der Minimierung (volks)wirtschaftli-cher Risiken.
(Falls Sie am Thema weiter interessiert sind, können Sie sich weiter unten den gesamten Beitrag als PDF-Datei herunterladen)
#3
Ich bitte um Verzeihung für die falsche Anrede Herr Fuch!
Sehr geehrter Herr Dr.Hartmann,
bereits Ende 2014 beschrieb ich in einem Beitrag zum Thema „Fracking“, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen „inszenierten Goldrausch“ handelt. Dabei ist wichtig zu betonen,dass sich die amerikanische Börsenaufsicht (SEC)die von Ihnen beschriebenen Unsicherheiten der Erkundungsgeologie ganz bewußt zunutze machte und seit 2008 darauf hinarbeitete, die bis dahin strengen Regeln der Vorschriften für börsennotierte Firmen im Öl- und Gasgeschäft zu ändern.Das geschah ab Januar 2010. Hier ist ein Ausschnitt des Textes:“ Die Kommission führt bezüglich der Berichterstattung, wie sie gegenwärtig durch Regel S-K und Regel S-X des Wertpapiergesetzes von 1933 und Wertpapierhandels-Gesetzes von 1934 als auch der Industrie-Richtlinie 2 geregelt wird, eine Veränderung ein. Die Veränderung bezweckt, den Investoren ein bedeutenderes und umfassenderes Verständnis von Öl- und Gasreserven zu geben, welches den Investoren hilft, den relativen Wert von Öl- und Gasfirmen zu berechnen.
In den vergangenen drei Jahrzehnten seit der Einführung dieser Berichterstattung an Investoren gab es bedeutende Veränderungen in der Öl- und Gasindustrie. Die Gesetzesergänzung dient dazu, die Anforderungen der Berichterstattung an die gegenwärtige Praxis und technologische Neuerung anzupassen. Gleichzeitig paßt die Gesetzesergänzung die Regeln für die Kalkulation der Ausgabenseite an die veränderte Berichterstattung an. Die Gesetzesergänzung kodifiziert und verbessert auch die Industrierichtlinie 2 in Regel S-K. Außerdem wird die Berichterstattung von ausländischen Emittenten mit denen der einheimischen harmonisiert.“3(Securities and Exchange Commission,Modernisierung der Berichterstattung für Öl-und Gasfirmen vom 1.Januar 2010)
Mit anderen Worten: man wollte den geschätzten Wert der Frackingfelder von vornherein vergrößern, um damit die Aufblähung der Finanzmarktgeschäfte, ganz ähnlich wie beim Immobiliengeschäft, zu ermöglichen, was unter der Voraussetzung steigender Preise auch funktioniert hätte.(zumindest eine Weile) Da sie nun aber gefallen sind, nimmt das eingefädelte Bonanza-Spiel nun seinen nicht so überraschenden Verlauf.
Die ursprünglich sehr strengen Regeln hatte man übrigens seit 1935 auch deshalb eingeführt, weil die spekulativen Geschäfte der Energiebranche zum Börsenkrach 1929 erheblich beigetragen hatten.
Sehr geehrter Herr Kollege Fuchs,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Von Hause aus bin ich ebenfalls Erzgeologe. In meiner praktischen Tätigkeit war ich jedenfalls ausschließlich mit der Erkundung fester mineralischer Rohstoffe beschäftigt. Hinsichtlich Ihrer Anmerkungen zu Kriterien der Wirtschaftlichkeit einer Lagerstättenerschließung bzw. der Rohstoffausbeutung kann ich Ihnen in keiner Weise widersprechen.
MfG
B. Hartmann
Herrn Dr. Bernd Hartmann ist zu danken, dass er auch für einen Laien eine verständliche Erklärung der unterschiedlichsten Klassifikationen von „Rohstoff-Vorkommen“ geschrieben hat. Im folgenden möchte ich jedoch zwei kritische Anmerkungen eines „Erz-Lagerstätten-Geologen“ der sich allerdings weniger mit Öl- und Gaslagern beschäftigt hat, zu dem Thema nennen. In meiner weltweiten beruflichen Tätigkeit habe ich Erfahrung bei der Erzsuche und Lagerstättenentwicklung auf allen vier Kontinenten gesammelt.
Klassifikation der UNO, 2009: „… die Klassifikation stellt ein universales Bewertungssystem dar, in dem die Vorratsmenge auf der Basis von drei fundamentalen Kriterien klassifiziert werden:
1. der ökonomischen,
2. der sozialen Lebensfähigkeit, eines Projektes der Rohstoffgewinnung, dem Status und der Begründung der Notwendigkeit des Aufschlusses einer Lagerstätte sowie
3. dem geologischen Untersuchungsgrad
Bei den harten für jedem nachprüfbaren Fakten 3 und 1 hat eine ethische Bewertung einer Lagerstätte nichts zu suchen, bei einer Entscheidung zur Inbetriebnahme der Lagerstätte kann sie dagegen notwendig werden.
Meiner Erfahrung nach spielen folgende Aussagen weltweit nur eine geringe Rolle:
„ … Zu den Grundprinzipien der US-amerikanischen Klassifikation-Systeme gehört ihre ausgesprochene Loyalität gegenüber privatwirtschaftlichen Interessen …“ Das ist Marktwirtschaft.
„ … Die Klassifikation der Börsenaufsichtsbehörde der ASA (SEC)..-“ habe ich in ihrer Bedeutung weder in den USA, in Kanada, Australien, Brasilien Südafrika etc. kennen gelernt. Meine Erfahrung ist, dass wenn die Wirtschaftlichkeit-Studie, die die Technik, Vermarktung des Produktes und die Finanzierung, einschließlich eines positiven Verschlusskonzeptes enthält, kann der Bau des Bergwerkes und anschließend der Abbau dieser „sicheren Reserven“ beginnen – es sei denn, es gibt aus „ethischen“ Gründen Bürgerproteste. Das ändert allerdings nichts an den sicheren Reserven.
Helmut Fuchs, Geologe