Neue AWI-Studie warnt: Klimamodelle unterschätzen natürliche Schwankungen der Meeresoberflächentemperaturen um den Faktor 50

Bemerkenswerte Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts vom 10. November 2014 (Fettsetzung ergänzt):
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Wie stark schwanken die Temperaturen im Meer?
NEUE STUDIE ZEIGT ERHEBLICHE DIFFERENZEN ZWISCHEN KLIMAARCHIVEN UND KLIMAMODELLEN

Potsdam/Bremerhaven, den 10. November 2014. Das Klima der Erde scheint in den letzten 7000 Jahren sehr viel unbeständiger gewesen zu sein als bisher gedacht. Diese Schlussfolgerung legt eine neue Studie nahe, die im Lauf dieser Woche im US-amerikanischen Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht wird. Wissenschaftler vom Potsdamer Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, und der Harvard University zeigen darin, dass die aus Klimaarchiven rekonstruierten Meeresoberflächentemperaturen auf langen Zeitskalen erheblich stärker variieren als von Klimamodellen berechnet. Konsequenz: entweder liefern gängige Klimaarchive ungenaue Temperatursignale oder die getesteten Modelle unterschätzen die regionalen Klimaschwankungen in der jüngeren Erdgeschichte.

Wer die Klimageschichte rekonstruieren will, muss natürliche Archive studieren, denn der Mensch hat den Planeten erst seit erdgeschichtlich kurzer Zeit vermessen. Reale Messwerte von Meerestemperaturen gibt es erst seit ungefähr 150 Jahren. Für die Zeiträume davor sind Wissenschaftler auf sogenannte „Proxies“ angewiesen – Indikatoren, die indirekte Rückschlüsse auf Klimadaten früherer Zeiten erlauben. Solche Klimaarchive beziehen sich in der Regel auf räumlich begrenzte Gebiete und unterscheiden sich in ihrer zeitlichen Auflösung. Außerdem zeigen sie mitunter ein erhebliches Hintergrundrauschen.

„In unserer Untersuchung interessierte uns nicht, wie warm das Klima zum Zeitpunkt X in einer bestimmten Region gewesen sein mag. Wir wollten rückblickend analysieren, wie stark das regionale Klima über Jahrzehnte bis Jahrtausende zeitlich variiert“, erläutert Dr. Thomas Laepple vom Alfred-Wegener-Institut. „Eine unserer größten Herausforderungen bestand deshalb darin, verschiedene Messdaten und Klimaarchive aus einer Vielzahl von Regionen untereinander vergleichbar zu machen und das natürliche Rauschen herauszufiltern, das die Aussagekraft mancher Klimaarchive stark verfälscht.“

Laepple und sein Kollege Peter Huybers von der Harvard University verglichen Daten aus Temperaturmessungen, Korallen und Sedimentkernen, die aus vielen verschiedenen Meeresregionen der Erde stammen. Klimadaten aus heutigen Korallen reichen maximal 400 Jahre in die Vergangenheit zurück. Sie erlauben Rückschlüsse auf Temperaturänderungen im Lauf von Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Meeressedimente können sehr viel ältere Informationen enthalten, erreichen in der Regel aber nur eine Auflösung über Jahrhunderte und Jahrtausende. Durch verschiedene Eich- und Filterprozesse gelang es den beiden Forschern, eine Vielzahl verfügbarer Daten aus Temperaturmessungen und Klimaarchiven so zu kombinieren, dass sie die rekonstruierten Meeresoberflächentemperaturen an verschiedenen Orten der Welt über einen Zeitraum von 7000 Jahren auf unterschiedlichen Zeitskalen miteinander vergleichen konnten.

„Wir haben zunächst einmal festgestellt, dass die natürlichen Schwankungen der Meerestemperaturen überraschend groß sind und um so stärker waren, je länger die analysierten Zeiträume sind“, so ein erstes Fazit der beiden Wissenschaftler. In einem zweiten Schritt haben sie dann rund 20 Klimamodelle in mehr als 100 Testläufen untersucht um festzustellen, wie gut die Modelle diese Temperaturschwankungen simulieren können. Ergebnis: Über Zeiträume von Jahren und Jahrzehnten stimmten Mess- bzw. Klimaarchivdaten und Modellläufe recht gut überein. Doch je länger die Zeitskalen, desto größer wurde die Diskrepanz – am stärksten in tropischen Meeresregionen. Auf tausendjähriger Zeitskala unterschätzten gängige Klimamodelle die aus den Klimaarchiven rekonstruierten Schwankungen der Meeresoberflächentemperaturen um den Faktor 50.

„Theoretisch gibt es nun zwei denkbare Erklärungen“, so Thomas Laepple. „Entweder liefern die Klimaarchive keine verlässlichen Temperaturdaten, oder die Klimamodelle unterschätzen die Variabilität des Klimas. Vielleicht stimmt auch beides ein bisschen.“ Da das Ergebnis auf mehreren unabhängigen Klimaarchiven und Korrekturmethoden beruht, glaubt Laepple, dass das Problem eher bei den Modellen liegt.

„Wir müssen die Vorhersagen, wie stark das Klima regional schwanken kann, wahrscheinlich korrigieren“, ist Thomas Laepple aufgrund seiner Forschungsergebnisse überzeugt. „Angesichts der enormen Mengen von Treibhausgasen, die in die Atmosphäre abgegeben werden, können wir uns sicher sein, dass es global wärmer wird. Aber die Bandbreite von Veränderungen, auf die wir zusteuern, ist wahrscheinlich wesentlich größer, als wir sie uns derzeit vorstellen.“ Denn die natürlichen Schwankungen, die den Trend zur Erwärmung überlagern, zeigen immer in beide Richtungen: Temperaturen können in einer bestimmten Region im Zeitraum von Jahrzehnten oder einem Jahrhundert weniger oder stärker steigen als Klimamodelle es derzeit im globalen Mittel prognostizieren.

Weil es sich hierbei um eine zentrale Frage für die Prognose künftiger Klimabedingungen auf der Erde handelt, leitet der Potsdamer Physiker seit etwa einem Jahr eine eigene Forschungsgruppe, die sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema beschäftigt. Sie trägt den Namen „ECUS – Estimating climate variability by quantifying proxy uncertainty and synthesizing information across archives“.

„Wir stecken“, so Laepple, „mitten in einem Experiment, das sich nicht zurückdrehen lässt, das wir aber immer noch zu grob verstehen, um auf längeren Zeitskalen regional eindeutige Aussagen zu finden. Leider müssen wir mit dieser Unsicherheit wohl noch eine Weile leben.“

Zur Publikation:
Die Studie erscheint in der Woche ab dem 10. November 2014 (46. Kalenderwoche) unter folgendem Titel in der Online „Early Edition“ des Fachmagazins Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS):
Thomas Laepple und Peter Huybers: Ocean surface temperature variability: Large model–data differences at decadal and longer periods. DOI: 10.1073/pnas.1412077111 (Link: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1412077111 or in the online early edition unterhttp://www.pnas.org/content/early/recent)

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Siehe auch dazugehöriger Artikel “Unterschätzte Temperaturschwankungen: Korallen und Sedimentfunde als Prüfstein für Klimamodelle” von Sven Titz in der Neuen Zürcher Zeitung.

Übernommen von Die kalte Sonne 

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7 Kommentare

  1. „Klimamodelle unterschätzen natürliche Schwankungen der Meeresoberflächentemperaturen um den Faktor 50″Ich hoffe, dass AWI bald entdeckt, dass es an Land genau so ist. Es war ja schließlich M.Mann der alles glatt gerechnet hat.

  2. @ #5 bessokeks

    „Oder haben Sie es bei einem, nach vielen Jahren Diskussion hier, dämmern sehen???“

    Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, Herr Keks.

    “ da will ein „Wissenschaftler“ Schwefelsäure in die Atmosphäre einbringen um die Temperaturen zu senken.“

    Der glaubt halt an den dauerhaften Vulkaneffekt mit der Absenkung der Temperaturen nach diversen neuzeitlichen Vulkanausbrüchen. Was passierte eigentlich nach dem Ausbruch des Krakatau, außer daß man die Krakatau-Ostwinde entdeckte, bis dann jemand herausfand, daß es da oben abwechselnd Ost- und Westwinde mit einer Periode von 28 Monaten gibt … .

    „Das intellektuelle Niveau von weiten Teilen der Bevölkerung ist weit unter das von RTL2 gefallen.“ Meinen Sie das wirklich? Ich dachte, daß sei da (ARD & ZDF) schon immer angesiedelt gewesen.

  3. #4: T.Heinzow sagt:
    „Vielleicht dämmert es ja bei einigen hier im verdunkelten Oberstübchen.“

    Lieber Herr Heinzow,

    da dämmert gar nichts!
    Oder haben Sie es bei einem, nach vielen Jahren Diskussion hier, dämmern sehen???
    War eben auf SPON, da will ein „Wissenschaftler“ Schwefelsäure in die Atmosphäre einbringen um die Temperaturen zu senken.
    Schon die Idee ist grenzenlos blöde, aber lesen Sie mal die Kommentare:
    da ist der Vorschlag die Atmosphäre zu versauern, damit die Meere nicht „versauern“ ja fast schon intelligent…
    Das intellektuelle Niveau von weiten Teilen der Bevölkerung ist weit unter das von RTL2 gefallen.

    MfG

  4. „Durch verschiedene Eich- und Filterprozesse gelang es den beiden Forschern, eine Vielzahl verfügbarer Daten aus Temperaturmessungen und Klimaarchiven so zu kombinieren, dass …“

    Köstlich, wie man etwas ausfiltrieren kann, was letztendlich gar nicht so vorhanden gewesen sein kann. Man scheitert bereits bei der simplen Aufgabe fünf Stationen in einem Umkreis von 75 km, bei denen täglich einmal die Minimum-,Maximum- und Ablesetermintemperatur abgelesen wurde, die Uhrzeit der Ablesung korrekt zuzuordnen. Und natürlich wird es dann schwierig bei fehlenden Messungen einen plausiblen Wert zu interpüolieren. Aber bei Proxies geht das dann?

    Wann wurde noch mal die AMO entdeckt?
    „The Atlantic Ocean exhibits variability over a wide range of temporal and spatial scales but has pronounced variability at decadal and multidecadal timescales. While there is an extensive history of studies on decadal variability in the North Atlantic (e.g. Bjerknes, 1964; Deser and Blackmon, 1993; Kushnir, 1994; Schlesinger and Ramankutty, 1994), the term Atlantic Multidecadal Oscillation or AMO was first used in an editorial article by Kerr (2000) to describe slowly varying sea surface temperature (SST) anomalies that extend over most of the North Atlantic.“ (http://tinyurl.com/nblmd48)

    Erstaunlich, daß die nicht vorher entdeckt wurde.

    Ich kann nur empfehlen, sich mal den Artikel von Michael A. Alexander, K.HalimedaKilbourne, Janet A. Nye anzuschauen. Vielleichts dämmerts ja bei einigen hier im verdunkelten Oberstübchen.

  5. @ #1 H. Urbahn

    „mehr als 100 Milliarden zur Entwicklung dieser Modelle“
    Die GM sind sehr viel billiger, denn letztendlich entsprechen Sie von ihrer Numerik her den Wetterdienstvorhersagemodellen. Der einzige wesentliche Unterschied ist der, daß die Vorhersagemodelle täglich mit den gemessenen Daten – die gefiltert werden müssen – ‚gefüttert‘ werden, während die GCM (vulgo: Klimamodell!) nicht auf gemessenen Daten (einer Tageszeit) beruhen.

  6. Klimamodelle stützen sich nahezu monokausal auf die Wirkung der mehr als zweiatomigen Gase. Unabhängig von ihrer Konzentration in der Atmosphäre kann jedoch die Interaktion dieser Gase die Wirkung des durch feste und flüssige Materie erzeugten atmosphärischen Treibhauseffektes nicht verändern. Daher fehlt diesen Modellen eine naturwissenschaftliche Grundlage.

    Zu beachten ist jedoch, dass einerseits Gläubige gern diese „Modelllitis“ mit der Subventionierung viele Arbeitsplätze von Akademikern sichern und andererseits die Politik- und Wirtschaftsopportunisten dazu begeistert Beifall spenden. Die fehlende Übereinstimmung mit der messbaren Realität darf dabei nicht stören!

  7. Sehr schöner Artikel. Er zeigt wieder einmal, daß die Klimamodelle die Vergangenheit nicht richtig beschreiben können trotz eines Aufwandes von bisher mehr als 100 Milliarden zur Entwicklung dieser Modelle. Wie wollen diese dann die Zukunft in richtig beschreiben.
    mfG

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