Klimawissenschaft und das Ungewissheitsmonster

Wie man die Ungewissheit in der Klimawissenschaft verstehen und damit umgehen soll, ist ein Thema, dem zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt wird, sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der philosophischen Literatur. Diese Studie weist eine Perspektive auf, wie man hinsichtlich der Ungewissheit in der Klimawissenschaft Wege zum Verständnis entdecken, Zugang dazu finden und Überlegungen dazu anstellen kann, einschließlich einer Anwendung auf die Zustandsberichte des IPCC.

Ungewissheit in Verbindung mit der Klimawissenschaft und der Wissenschaftspolitik zeigt besondere Herausforderungen, geschuldet einmal der Komplexität des Klimasystems selbst, dem Potential für ungünstige sozio-ökonomische Auswirkungen der Klimaänderung und der politischen Durchsetzung von Maßnahmen zur Reduktion der Verwundbarkeit der Gesellschaft durch den Klimawandel. Die Herausforderungen beim Umgang mit der Ungewissheit im Spannungsfeld Wissenschaft – Politik werden durch den Rahmen einer ‚Monster’-Metapher beschrieben, und Maßnahmen zur Zähmung des Monsters werden vorgeschlagen. Ein Lexikon der Ungewissheit wird angeboten, das die Art und das Niveau der Ungewissheit beschreibt und das Wege aufzeigt, wie man Ungewissheit repräsentieren und dazu Überlegungen anstellen kann. Ungewissheiten der Klimamodelle wird im Zusammenhang mit der Unzulänglichkeit der Modelle sowie deren Eingangsparameter und den Anfangsbedingungen interpretiert. Wir untersuchen die Herausforderung der Bildung von Vertrauen in die Modelle, und im Besonderen das Vertrauen in Simulationen des Klimas im 21. Jahrhundert. Die Behandlung der Unsicherheit in den IPCC-Zustandsberichten wird untersucht, einschließlich der Schlussfolgerung aus dem 4. Zustandsbericht hinsichtlich der Klimaentwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gedanken zur Zähmung des Monsters werden diskutiert, für Institutionen, individuelle Wissenschaftler und Gemeinden.

Einführung

Zweifel ist keine vergnügliche Sache, aber Gewissheit ist absurd 1” Voltaire

Während des gesamten Verlaufs der Geschichte wurde etwas, das einer Generation unerforschlich und unvorstellbar erschien, für nachfolgende Generationen mehr oder weniger nur noch zu einer technischen Herausforderung. Die „endlose Grenze“ der Wissenschaft (Bush 1945) kommt immer weiter voran, wenn Wissenschaftler immer mehr ausreizen, was möglich ist, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Zweifel und Ungewissheit über unser gegenwärtiges Verständnis sind an der Wissensgrenze inhärent. Während die Erweiterung der Wissensgrenze die Ungewissheit oft reduziert, führt sie unweigerlich zu größerer Unsicherheit, wenn unerwartete Komplexitäten entdeckt werden. Die Perspektive eines Wissenschaftlers hinsichtlich der Wissensgrenze wird von Feynman (1988) beschrieben: „Wenn ein Wissenschaftler die Antwort auf ein Problem nicht kennt, ist er unwissend. Wenn er eine Ahnung hinsichtlich des Resultats hat, ist er unsicher. Und wenn er sich ziemlich sicher ist, wie das Resultat aussehen könnte, hat er immer noch einige Zweifel. Wir haben herausgefunden, dass es von höchster Bedeutung ist, dass wir, um Fortschritte zu erzielen, unser Nichtwissen erkennen und Raum für die Zweifel lassen müssen. Wissenschaftliche Kenntnis besteht aus einer Anzahl verschiedener Aussagen mit verschiedenen Niveaus der Gewissheit – einige höchst unsicher, einige fast sicher, aber keine absolut sicher“.

Wie man die Ungewissheit in der Klimawissenschaft verstehen und damit umgehen soll, ist ein Thema, dem zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt wird, sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der philosophischen Literatur. Eine solche Untersuchung ist von höchster Wichtigkeit, weil die Herausforderungen der Klimawissenschaft mit dem Spannungsfeld Wissenschaft – Politik sowie deren sozioökonomischer Bedeutung zusammen hängen, wie es in den Zustandsberichten des IPCC zum Ausdruck kommt.2

Das ‚Monster der Ungewissheit’ ist ein Konzept, das 2005 von van der Sluijs in eine Analyse der unterschiedlichen Wege eingeführt worden war, mit denen die wissenschaftliche Gemeinschaft auf Unsicherheiten reagiert, die zu zähmen sehr schwierig ist. Das ‚Monster’ besteht aus der Konfusion und der Doppeldeutigkeit in den Gegensätzen Wissen gegen Unwissen, Objektivität gegen Subjektivität, Tatsachen gegen Schätzungen, Vorhersage gegen Spekulation und Wissenschaft gegen Politik. Das Monster der Ungewissheit sorgt für aufsteigende Unbequemlichkeit und Furcht, teilweise auch hinsichtlich unserer Reaktionen auf Dinge oder Situationen, die wir nicht verstehen oder kontrollieren können einschließlich der Vorahnung von gänzlich unbekannten Gefahren.

Eine Anpassung der Strategien van der Sluijs’, mit dem Unsicherheitsmonster im Spannungsfeld Wissenschaft – Politik umzugehen, wird im Folgenden beschrieben.

Verstecken des Monsters: Das Verstecken der Ungewissheit oder die „niemals Fehler zugeben“-Strategie kann durch eine politische Agenda oder durch die Angst motiviert sein, dass ungewisse Wissenschaft in der Außenwelt als ärmliche Wissenschaft beurteilt wird. Unabhängig von den ethischen Dingen, Monster zu verstecken, könnte das Monster zu groß sein, um es zu verstecken; oder das Verstecken könnte das Monster erzürnen.

Vertreibung des Monsters: Der Exorzist des Ungewissheitsmonsters konzentriert sich darauf, die Ungewissheit durch Förderung von noch mehr Forschung zu reduzieren. In den neunziger Jahren kam ein wachsendes Gefühl über die Undurchführbarkeit der Modellierung des Klimas auf, und zwar wegen des fortgesetzten Auftauchens immer neuer Komplexitäten und Unsicherheiten. Van der Sluijs stellt fest: „Die Monstertheorie sagt voraus, dass (die Reduktion der Ungewissheit) sich langfristig als vergeblich herausstellen wird: für jedes Haupt des Unsicherheitsmonsters, das die Wissenschaft abschlägt, tauchen wegen unvorhergesehener Komplexitäten mehrere neue Häupter auf“, analog der Hydra der griechischen Mythologie.

Vereinfachung des Monsters: Die Vereinfacher versuchen, das Monster zu transformieren, indem sie es subjektiv quantifizieren und den Zustand der Ungewissheit vereinfachen. Die Vereinfachung des Monsters findet sich explizit in den IPCC-Zustandsberichten 3 und 4 in Form von Richtlinien, die Unsicherheit durch die Annäherung an einen Konsens von Expertenbeurteilungen zu charakterisieren, und zwar im Zusammenhang mit einer subjektiven Bayesianischen Analyse (Moss und Schneider 2000).

Aufspüren des Monsters: Der erste Typ eines Ungewissheits-Detektivs ist der Wissenschaftler, der die bestehenden Thesen in Frage stellt und daran arbeitet, die Wissensgrenze zu erweitern. Ein zweiter Typ ist ein Auditor als Wachhund, dessen wichtigste Sorge darin besteht, die Verantwortlichkeit, Qualitätskontrolle und Transparenz der Wissenschaft zu überwachen. Ein dritter Typ ist der Händler des Zweifels (Oreskes und Collins 2010), der Unsicherheiten verzerrt und aufbauscht, und zwar als Rechtfertigung für Untätigkeit aus finanziellen oder ideologischen Gründen.

Assimilation des Monsters: Bei der Assimilation des Monsters geht es darum zu lernen, mit ihm zu leben und der Unsicherheit einen expliziten Platz in der Betrachtung und dem Management von Umweltrisiken einzuräumen.

Die Abschätzung und der Umgang mit Ungewissheit und Unkenntnis zusammen mit einer erweiterten ebenbürtigen Gemeinschaft sind bei der Assimilation des Monsters unabdingbar. Die Herausforderung hinsichtlich dessen Assimilation besteht in der ewig sich ändernden Natur des Monsters und der Geburt weiterer Monster.

Diese Studie erforscht Wege, Unsicherheit in der Klimawissenschaft zu verstehen, sich ihrer anzunehmen und darüber zu diskutieren, und zwar mit spezieller Applikation zum IPCC-Prozess der Zustandsbeschreibung. Abschnitt 2 beschreibt die Herausforderungen des Verstehens und der Charakterisierung der Ungewissheit in dynamischen Modellen komplexer Systeme, einschließlich der Herausforderungen, das Ensemble der Simulationen für das 21. Jahrhundert zu interpretieren, wie es in den IPCC-Zustandsberichten gemacht wird. In Abschnitt 3 werden einige Dinge hinsichtlich des Umgangs mit Ungewissheit angesprochen, und es wird beleuchtet, wie das IPCC in seinen Zustandsberichten mit diesen Unsicherheiten umgeht. In Abschnitt 4 geht es um die Unsicherheit hinsichtlich der Entdeckung und Zuordnung der anthropogenen Klimaänderung. Abschnitt 5 schließlich führt einige Gedanken und Strategien ein, das Ungewissheitsmonster zu zähmen, und zwar auf dem Niveau von Institutionen, individuellen Wissenschaftlern und Gemeinden.

1 Quelle: http://www.quotationspage.com/quote/33103.html

2 Alle IPCC-Zustandsberichte sind online auf

http://www.ipcc.ch/publications_and_data/publications_and_data_reports.htm#1. Die vier Zustandsberichte werden hier als FAR, SAR, Tar und AR4 plus den bevorstehenden AR 5 bezeichnet. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich Zitate im Text auf Berichte der Arbeitsgruppe I.

Judith Curry und P.J. Webster

den gesamte Text finden Sie unter diesem Link: http://journals.ametsoc.org/doi/pdf/10.1175/2011BAMS3139.1

Übersetzt von Chris Frey für EIKE

Hinweis des Übersetzers: Es folgt die 38-seitige Abhandlung zu diesem Thema. Aus Zeitgründen wird diese hier nicht mit übersetzt.

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5 Kommentare

  1. Hallo Herr Herlitz, vielleicht haben Sie sich zu voreilig für einen vermeintlichen Fehler entschuldigt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen berät die Bundesregierung samt Ministerien. Mitglied ist u.a. Prof. Olav Hohmeyer, er studierte Wirtschaftswissenschaften. Die Monopolkommission berät die Bundesregierung in Fragen der Wettbewerbspolitik und Regulierung. Mitglieder sind u.a. Prof.Justus Haucap, Lehrstuhlbesitzer der VWL und Christiane Kofler, studierte Betriebswirtin. Nicht zu vergessen der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, oder kurz die fünf Wirtschaftsweisen genannt.

    Diese Sachverständigen entscheiden nicht über Gesetze, aber wir wissen ja aus der Vergangenheit, welchen wichtigen Einfluss sie auf Entscheidungsprozesse nehmen können.

  2. # 3 Herr Heinzow
    Herr Heinzow, Sie haben recht – grober Fehler meinerseits – passiert mir nicht noch einmal – Danke!

  3. @ R. Herlitz #2

    „…und BWLern entscheiden …“

    Sehr geehrter Herr Herlitz,

    BWLer waren an der Entscheidung nicht beteiligt. Aus gutem Grund: Die hätten nämlich dargelegt, daß der Quatsch langfristig nicht finanzierbar ist, also die deutsche Volkswirtschaft massive Verluste erleiden wird.

    Werfen Sie mich und meine Kollegen bitte nicht in den Topf der Volkswirte à la Töpfer oder den der Theologen.

  4. Vielleicht etwas am Thema vorbei, aber trotzdem:
    WDR 5 berichtete am Dienstag unter „Leonardo“ (im Internet noch abruf- und ausdruckbar), daß die Psychologie-Professoren Shepherd und Kay (Uni Waterloo, Kanada) anhand der öffentlichen Information über Finanzfragen, von denen die Menschen betroffen sind, die Frage untersucht haben, wie die Bürger mit komplizierten Themen umgehen. Ergebnis: Je schwerer gesellschaftliche Themen zu durchschauen sind, desto eher werden Informationen – von den Bürgern selbst ! -abgeblockt; je weniger die Leute über komplexe Themen wüßten, desto mehr würden sie vermeiden, besser informiert zu werden. Schwierige Themen haben nach Shepherd und Kay eher eine Chance, von der Regierung durchgesetzt zu werden, wenn sie sehr einfach dargestellt werden.
    Für den Zuschauer stellt sich die Frage, ob es von der Regierung nicht sehr praktisch gedacht ist, die CO2- und die EEG-Frage von Sozialpädagogen, Bischöfen, Schullehrern, Juristen und BWLern entscheiden und und auf dem Niveau dieser Experten verkünden zu lassen.

  5. Das hat uns wirklich noch gefehlt…Das ist ja schon fast wie im Zoo – das Unwissenheitsmonster zu zähmen. Nichts ist mehr zu zähmen…basta.
    Wir haben die Schnauze voll – und zwar gestrichen voll von diesen Klimawissenschaftsmonstern ! Vielleicht fragt man mal bei Dr. Bachmann dem Mitbegründer des IPCC an – was er dazu sagt ?

    Erich Richter

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