Schiefergas als alternativer Energierohstoff – nur eine goldrauschähnliche Euphorie?

Schiefergas scheint der neue Renner zur Sicherstellung des weltweiten Energiebedarfes zu werden. Viele Medien berichten aufgeregt darüber. Auch EIKE hat kürzlich einen Hinweis dazu gegeben. Vielleicht steckt aber auch zu viel Euphorie hinter manchen dieser Beiträge. Unser Autor ist deshalb bemüht, etwas mehr Sachlichkeit und Nüchternheit in die Informationswelt hinsichtlich der unkonventionellen Erdgasförderung aus Schiefern zu bringen.

Fast alle hier zu Lande öffentlich zugänglichen Informationen über das „Schiefergas“ stammen aus der Feder von Journalisten unterschiedlichster Bildung und Herangehensweisen. In selteneren Fällen melden sich bzw. kommen hier Fachleute zu Wort. Charakteristisch für die zweifelhafte Qualität der Aussagen zum Thema sind beispielsweise die Beiträge der deutschsprachigen Abteilung von Wikipedia, welche sehr wenig Gehalt aufweisen, z. T. sogar irreführend, unvollständig sind und offensichtlich nicht von Fachleuten stammen. Im positiven krassen Gegensatz dazu stehen analoge Beiträge beispielsweise in den englisch- und russischsprachigen Abteilungen von Wikipedia. Selbstverständlich fühlt sich der Kommentator nicht frei von Subjektivität besonders hinsichtlich weltanschaulicher Gesichtspunkte. Auch ist er kein ausgesprochener Fachmann für Erdöl- und Erdgas, aber durchaus kompetent genug, um fachlich fundierte weitgehend kritikresistente Aussagen aufgrund seines Berufes und dazugehöriger langjähriger Praxis bezüglich Rohstoffexploration, Rohstoffförderung, Bohrtechnik usw. zu treffen.

Zunächst einmal ist vorauszusetzen, dass der interessierte Leser bereits darüber informiert ist, dass Gas aus Schiefern als alternatives Naturgas mit Hilfe „neuer“ Technologien zum jetzigen Zeit­punkt wirtschaftlich gewinnbar zu sein scheint. Weiterhin werden durch Massenmedien wirtschaftli­che und geopolitische Aspekte des Rohstoffmarktes und der Energetik vermittelt. Besonderer Wert wird dabei darauf gelegt, dass die USA endlich unabhängig von Gasimporten werden, was in der Perspektive auch für Europa möglich sei. Auf Gedeih und Verderb ist der Leser diesen Informatio­nen ausgeliefert. So ist es für den durchschnittlichen Bürger von Natur aus sehr schwer, sich ein objektives Bild über die in diesem Zusammenhang behandelten Sachverhalte zu machen.

Deshalb hier einige kurze Begriffserklärungen:

Was sind Schiefer?

Der Begriff Schiefer ist heute in der Geologie ohne weitere zusätzliche Charakterisierung nicht mehr gebräuchlich. Der Terminus Schiefer steht für Gesteine, die eine deutliche Spaltbarkeit auf­weisen. Das heißt, dass sie sich unter mechanischer Einwirkung in mehr oder weniger dünne Ta­feln zerlegen lassen. Man unterscheidet Tonschiefer und kristalline Schiefer.

Tonschiefer sind feinkörnige Gesteine mit sehr hohem Tonmineralanteil, die aufgrund der Wirkung gerichteter Drücke (tektonisch bedingt) eine Schieferung aufweisen. Tonschiefer haben einen ge­ringen Metamorphosegrad. Sie entstanden aus feinkörnigen Lockersedimenten, welche sich im Resultat der Diagenese (physikalisch, physikochemischer Prozess der Gesteinsbildung bzw. Ver­festigung und Umbildung in Raum und Zeit) verfestigten. Diese feinkörnigen z. T. schlammartigen Sedimente bildeten sich unter relativ ungestörten Ablagerungsbedingungen in meist tiefen stehen­den Gewässern. Dort dominierten in der Regel anoxische Bedingungen bzw. ein reduzierendes Mi­lieu, was zur Zerlegung (Fäulnis) organischer Substanz (z. B. abgestorbenes Plankton) unter der Mitwirkung entsprechender Bakterienarten führte. Die neben verschiedensten Farbtönen auftreten­de dunkle Färbung dieser Schiefer ist ein Hinweis auf die  Anwesenheit organischer Substanz. Die­se Schiefer sind potentiell gasführend (meist Methan) und kommen deshalb als Arsenal alternati­ven Naturgases in Frage. Das Gas befindet sich meistens in geschlossenen Klüften und auch in Mikroporen. Dieses Gas kann durch Aufbrechen („hydrofracing“ oder „fracing“) der inneren Ge­steinsstruktur zur Förderung mobilisiert werden kann.

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Schiefern stehen die hochmetamorphen kristallinen Schiefer, die sich infolge der Langzeitwirkung hoher Drücke, Wärme und auch harter Strahlung herausbildeten. Das Ausgangsgestein für die Bildung kristalliner Schiefer waren Tonschiefer und auch andere Gesteine (z.B. auch nichtsedimentäre). In diesen Schiefern sind mineralogische Re­likte als direkter Hinweis auf einen sedimentären Ursprung nicht mehr vorhanden. Das Mineralin­ventar besteht hier aus sekundären silikatische Bildungen. Eine nennenswerte Gasführung ist für kristalline Schiefer untypisch.

Weshalb erfolgte in Europa bisher keine Gewinnung von Naturgas aus Schiefern?

In den traditionellen Erdgasförderländern konnte bei zuverlässigen Förderraten und deren ständi­ger Erhöhung niemand ernsthaft auf die Idee kommen; Naturgas aus weniger wirtschaftlichen La­gerstätten zu gewinnen. Die erdgasimportierenden Länder andererseits gaben sich bei zuverlässi­ger Lieferung mit dem traditionellen Erdgas und den entsprechenden Preisen ab.

In der nachfolgenden Abbildung ist aus geologischer Sicht dargestellt, welche Position „Schiefer­gas“ unter den anderen Naturgasvorkommen einnimmt.

Abb. 1: Vorkommen von Naturgas

Ebenfalls der Fachbegriff „hydrofracing“ oder „fracing“ als „neues“ Verfahren zur Gewinnung von Fluiden (Naturgas, Erdöl) soll an dieser Stelle kompetent erklärt werden:

„Hydrofracing“ ist eine unter mehreren möglichen Methoden, die bei der Intensivierung der Förder­tätigkeit von Produktionsbohrungen für Erdöl und Erdgas angewendet werden. Die Anwendung dieser Methode zielt auf die Herstellung einer hohen Leitfähigkeit innerhalb der auszubeutenden Schicht zur Gewährleistung eines höheren Zuflusses des zu fördernden Fluids (Gas, Wasser, Kon­densat, Erdöl oder deren Gemische) in Richtung der mit Filter ausgebauten Strecke einer Produkti­onsbohrung. Dazu wird ein flüssiges Mittel (Gel, Wasser, Säure) unter Anwendung von Hochleis­tungspumptechnik in das Bohrloch bis zum Erreichen eines für den konkreten Förderhorizont spe­zifischen Drucks gepumpt. Mit dem Erreichen dieses Drucks wird die innere Struktur des Förderho­rizontes gestört, so dass bisher geschlossene Klüfte und Poren geöffnet werden. Zur Aufrechter­haltung dieses geöffneten Zustandes der Klüfte wird in Kollektoren, die aus terrigenem Material (tonige, sandige Sedimentgesteine) bestehen, ein spezieller Quarzsand quasi als Keil verwendet. Im Fall von kalkigen bzw. kalkhaltigen Kollektoren kann Säure zur Anwendung kommen. Im Resul­tat der Nutzung dieser Methode erhöht sich das Fördervolumen einer Bohrung in der Regel erheb­lich. Diese Methode erlaubt es alte Bohrungen, die nicht mehr rentabel fördern, wiederzubeleben.

Die Entwicklung dieser Methode wird der Firma Halliburton zugeschrieben (1947). Diese nutzte in den USA das Verfahren erstmals kommerziell im Jahr 1949. Damals wurde Wasser und als „prop­ping agent“ (aufspaltendes Mittel) einfacher Flusssand verwendet. Das Verfahren wird auch zur Förderung von Methan aus Kohlenflözen angewendet. Sehr schnell nach seiner Einführung fand diese Methode weltweit Eingang in die Praxis der Erdöl- und Erdgasförderung.

Weltweit werden Arbeiten nach dieser Methode von Serviceunternehmen der Erdöl und Erdgasin­dustrie wie Halliburton, Schlumberger, BJ Services u. a. angeboten.

Für eine Übersetzung des Fachterminus ins Deutsche erscheint dem Berichterstatter der Begriff „hydraulische Schichtbrechung“ als günstig.

In unten folgender Abbildung ist das technische Prinzip des Hydrofracings schematisch dargestellt.

 

Abb. 2: Prinzip des Hydrofracings (nach „Bergenzyklopädie“ V2, S. 36 – Kozlowski et. al (Red.), Moskau 1986)

Für den Leser liegt es nun auf der Hand, dass es sich beim „fracing“ durchaus nicht um ein neues Verfahren als solches handelt. Das „Neue“ besteht darin, dass Gasvorkommen in entsprechenden Schiefern wirtschaftlich nutzbar sind mit Hilfe eines Förderverfahrens unter Anwendung einer spe­ziell dafür angepassten Variante der hydraulischen Schichtsprengung (fracing).

Ähnlich verhält es sich mit dem Neuheitsgrad von Technologien gerichteter einschließlich horizon­taler Bohrungen. In Industrie, Bergbau, Erdöl-/Erdgasförderung und geologischer Erkundung ist die Anwendung solcher Technologien schon über viele Jahrzehnte lang geübte Praxis. In letzter Zeit hat das technologische Grundprinzip der verschiedenen Bohrtechnologien keine revolutionäre Er­neuerung erfahren. Andererseits ist es selbstverständlich, dass neuartige Materialien, Elektronik (Mess- und Steuertechnik), EDV- Anwendungen (Steuerung, GPS u. a.) und neu entwickelte leis­tungsfähigere Aggregate zeitgemäß Eingang in die Praxis finden und somit die bestehenden Bohr­technologien ständig verfeinert und verbessert werden.

Das Neue an der Fördertechnologie für Schiefergas besteht in der Anwendung einer prinzipiell be­kannten Bohrtechnologie, die speziell auf diese Art von Naturgasvorkommen eingestellt und dafür entsprechend verfeinert wurde.

Abb. 3 veranschaulicht das Grundprinzip gerichteten Bohrens bei der Förderung von Erdöl und Erdgas.

 

Abb. 3: Beispiel für gerichtetes Bohren („Nestbohren“) von einem Punkt aus (nach „Bergenzyklopädie“ V3, S. 137 – Kozlowski et. al (Red.), Moskau 1987)

Nach dieser „Einleitung“ wird nun dem Leser vorgeschlagen, sich zum Thema „Schiefergas“ mit einer Stellungnahme von russischer exponierter Stelle bekannt zu machen.

„Ein Zuwachs der Gewinnung von Schiefergas in Europa ist nicht zu erwarten“; (Transkript: OSHIDAT´  ROSTA DOBYTSCHI GAZA IZ SLANTSEW HJE PRICHODITSJA Übersetzung ins Deutsche B. Hartmann) Von Sergej Prawosudow – Generaldirektor des Instituts für Nationale Energetik über Zuwachsperspektiven der Förderung von Schiefergas (aus  http://tinyurl.com/2vfn9ma, erschienen am 13.04.2010 in „Neft` Rossii“ (Erdöl Russlands) und „Russische Business-Zeitung“ Nr. 745 (12))

„In letzter Zeit wird in der Welt eine aktive Kampagne zur Propagierung von Schiefergas geführt. All dies begann, als gemäß den Bilanzen des vergangenen Jahres die USA Russland in den För­dermengen von Erdgas überholten (624 Mrd. m³ gegenüber 596 Mrd. m³).

Dieser Sachverhalt ist durch den Zuwachs der Förderung eben dieses Schiefergases begründet. Sogleich wurde vielfach prognostiziert, dass nun in der ganzen Welt diese Art von Erdgas aktiv ge­fördert werden und damit der russische „blaue Treibstoff“ nicht mehr gefragt sein wird. Jedoch teil­te anschließend die amerikanische Zeitung „The Wall Street Journal“ mit, dass das US-Ministerium für Energetik allzu optimistisch das Fördervolumen des Erdgases im Lande einschätzte. Im besag­ten Artikel wird mitgeteilt, dass die Angaben für das Jahr 2009 noch um 10-12% nach unten korri­giert werden könnten. Wahr ist auch, dass dies noch bis zum Herbst des laufenden Jahres dauern könnte. Dabei hat sich in Russland die gesamte Gasfördermenge bereits im ersten Quartal 2010 gegenüber dem Vorjahr um 18,3% erhöht. Auf diese Weise könnte sich herausstellen, dass sich in Amerika keinesfalls ein „Gaswunder“ ereignet hätte.

In letzter Zeit propagieren amerikanische Firmen verstärkt die Förderung von Schiefergas. Die Selbstkosten für Schiefergas betragen im Mittel 150 $ pro 1000 m³ (d.h., 10 mal höher als für tradi­tionelles Gas in Russland). Deshalb ist es sinnvoll, dieses Gas in unmittelbarer Nähe des Konsu­menten zu fördern. Im Unterschied zu den USA wird Schiefergas in Europa bisher nicht gefördert.

Ein stetiges Wachstum der Förderung von Schiefergas in Europa ist nicht zu erwarten. Dafür gibt es einige Gründe: Erstens, die Schichten gasführender Schiefer sind in den Ländern der Europäi­schen Union gänzlich ununtersucht. Zweitens, ist die Bevölkerungsdichte in Europa weitaus höher als in den USA. Folglich würde die Gasförderung aus Schiefern ständig von Protesten aktiver Bür­ger und ökologischer Organisationen begleitet sein. Die Fördertechnologie bedingt im großen Maßstab die Anwendung des „fracings“ (dafür gibt es im Russischen schon von Anfang an über viele Jahrzehnte einen russischen Fachterminus, der in wörtlicher Übersetzung etwa „Hydrospren­gung“ heißen würde – Anm. d. Übers.), bei dem 900 bis 1000 m³ Wasser in das Gestein gepumpt werden müsste, um damit das dort befindliche Gas zu verdrängen. Man könnte sich damit abfin­den, falls dabei nur Wasser verwendet werden würde – es müssen aber immer diverse chemische

Reagenzien hinzugefügt werde (z. B. Tenside zur Verringerung der Oberflächenspannung des Wassers – Anm. d. Übers.), was zu einer Verschmutzung des Grundwassers bzw. von Süßwasser­quellen führen würde. Sogar in den USA, wo es hinsichtlich ökologischer Fragen nicht so genau genommen wird wie in Europa, wurde die Förderung von Schiefergas im Raum von New York un­tersagt.

Es ist zu erwarten, dass in nächster Zeit die europäischen Länder einem Druck der USA ausge­setzt sein werden, der durch die hinter ihnen stehenden Service-Unternehmen der Erdölindustrie (z. B. Halliburton – Anm. d. Übers.) verursacht wird. Könnte ihnen doch eine großangelegte Förde­rung von Schiefergas in Europa milliardenschwere Gewinne bringen. Solche Unternehmen wie die bekannte Halliburton beschäftigen sich ständig eben mit dem Niederbringen von Bohrungen und dem „fracing“ von Schieferschichten. Ist eine Exploitationsbohrung auf traditionellen Erdgasfeldern in der Größenordnung von insgesamt 30 Jahren funktionsfähig, so sinkt die Ergiebigkeit analoger Bohrungen auf Gasschieferfeldern gegen Ende des ersten Jahres ihrer Nutzung um 70 bis 90%. Deshalb ist man zur Aufrechterhaltung der Gasförderung gezwungen, ständig neue Bohrungen zu teufen und die Aufsprengung der Schichtklüfte (fracing) zu gewährleisten.

In den USA sind ständig etwa 2000 Bohranlagen in Betrieb – in Europa sind es 50. Dies steht da­mit im Zusammenhang, dass in den USA traditionsgemäß die überwiegende Menge von Erdöl und Gas auf dem Festland gewonnen wird. In Europa sind dagegen (gemeint ist Westeuropa; nicht ganz untypische Ausdrucks- und Denkweise vieler Russen – man spricht von Europa und vergisst dabei, dass Russland selbst einen großen Teil Europas bis zum Ural belegt ist und Russen Euro­päer sind. – Anm. d. Übers.) Festlandslagerstätten (gemeint sind Lagerstätten im Teufenbereich bis 5000 m, tiefer gelegene sind höchstwahrscheinlich vorhanden, aber nicht erkundet – Anm. d. Übers.) fast vollständig erschöpft. Die Ölförderung erfolgt fast ausschließlich auf dem Schelf der Nordsee. Bei der Gewinnung von Schiefergas müssten die Europäer amerikanische Bohrfirmen heranziehen.

Es ist sinnvoll daran zu erinnern, dass sich die Förderung von Schiefergas in den USA aktiv in­nerhalb der letzten fünf Jahre entwickelte, was auf die hohen Gaspreise auf dem amerikanischen Markt zurückzuführen ist. Angesichts dessen, dass der „blaue Treibstoff“ 500-600 $/1000 m³ koste­te und die Selbstkosten für dieses Volumen 150 $ betrugen, erscheint dies vollkommen akzepta­bel. Gegenwärtig bei Preisen von weniger als 130 $ / 1000 m³ auf dem US-Markt werden sich wohl wenige Investoren für solche Projekte finden. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich der Still­stand von Bohranlagen stark erhöhte und sich bei mehr als 700 Stück beläuft. Gleichzeitig startete irgend jemand eine große PR-Kampagne zur Propagierung von Schiefergas.

Mit dem Wissen über das Umweltbewusstsein der Europäer verbreitete Anfang März das Unter­nehmen Halliburton eine Meldung, in der mitgeteilt wird, dass seine Spezialisten an einer ökolo­gisch sauberen Technologie der hydraulischen Aufsprengung von Gesteinsschichten arbeite. Im Speziellen wird über die Behandlung der einzupumpenden Wässer mit UV-Strahlung zur Abtötung von Bakterien berichtet, womit sich erweist, dass die Wasserzusätze auch noch gefährliche Bakte­rien enthalten. Außerdem wurden hinsichtlich schädlicher Austräge in die Atmosphäre während der Gasförderung bisher keinerlei seriöse Untersuchungen durchgeführt.

Man kann erwarten, dass in nächster Zeit in der EU eine seriöse Diskussion über die Perspektiven einer Gasförderung aus Schiefern geführt werden wird. Führende Rollen dabei werden aller Vor­aussicht nach solche Länder übernehmen, deren Außenpolitik im großen Maß auf die USA orien­tiert ist wie beispielsweise Polen.

Kommentar der Newchemistry (NC, Russland) (ein Verband der chem. Industrie – Anm. d. Übers.)

Nach Angaben der britischen The Times beginnt in Polen die amerikanische Firma ConocoPhillips ab Mai 2010 mit der Realisierung eines Programms zur Gasförderung aus tiefliegenden Schiefern. Die ersten „high-tec-Schächte“ (Schächte, aus denen Bohrungen in alle Himmelsrichtungen geteuft werden können – Anm. d. Übers.) werden für diesen Zweck in Gda?sk am Ufer der Ostsee errich­tet. Ähnliche Projekte werden in den nächsten Monaten zwei weitere amerikanische Unternehmen sowie ein kanadisches (Exxon-Mobile, Marathon und entsprechend Talisman Energy) in Angriff nehmen.

Es ist zu erwarten, dass diese Projekte einen Sprung in der polnischen wie auch in der amerikani­schen Wirtschaft verursachen werden. Mit Beginn der 2000-er Jahre, als die Technologie des ge­richteten Bohrens im Bereich der Gasförderung aus Schiefern in den USA eingeführt wurde, erwies sich die Gewinnung diese Rohstofftyps als rentabel. Ausgehend von den 1990-er Jahren bis heute haben sich die Fördermengen in den USA vervierfacht, was den Rohstoffpreis wesentlich senkte. Gegenwärtig beträgt der Anteil der Förderung von Schiefergas am Gesamtvolumen der Gasförde­rung in den USA 20 %. Es wird erwartet, dass der Anteil bis zum Jahr 2020 auf 50 % ansteigt.

Gas aus Schiefern unterscheidet sich von Naturgas, welches aus traditionellen Speichern gewon­nen wird, durch sein Vorkommen in Mikroklüften fester brennbarer Schiefer (nicht ganz exakt, sonst wären es Ölschiefer, die eigtl. keine echten Schiefer sind: gemeint sind Schiefer, die natürlich immer Festgesteine sind, organikführend sein können und gasführend in Mikroklüften und Mikro­poren sind, müssen auch nicht brennbar sein – Anm. d. Übers.), die in größeren Tiefen als ge­wöhnliche Erdgaslager vorkommen (muss auch nicht unbedingt sein – Anm. d. Übers.) und einen niedrigen Filtrationskoeffizienten (Maß für die Durchlässigkeit von Poren und Klüften-Maßeinheit – m/d; m/s – Anm. d. Übers.). Vom Standpunkt der bisherigen Gasförderung erscheint das Schiefer­gas aufgrund der besonderen Schwierigkeiten seiner Förderung und der damit verbundenen auf­wendigen Fördertechnologie als nicht traditioneller Rohstoff.“

(Ende der Übersetzung)

Prawosudow führt einige Fakten an, die so in der euphorischen Presse bisher wohl kaum behan­delt wurden. Andererseits ist, zwischen den Zeilen lesend, durchaus erkennbar, dass in Russland hinsichtlich der Rolle des Schiefergases große Aufruhr entstand. Klar ist auch, dass die Medien­welt beispielsweise in Fragen Schiefergas, unabhängig von der Objektivität der Informationen dar­über und von welcher Seite sie kommen, eine neue Qualität des immer noch nicht vergangenen kalten Krieges widerspiegelt. Das Thema Schiefergas ist in diesem Kontext ein Nebenschauplatz des internationalen Gerangels um Rohstoffe, wirtschaftlichen und politischen Einfluss, welches sich nun aktuell u. a. auf dem europäischen Kontinent abspielt.

Die Vorteile des Schiefergases bestehen vor allem darin, dass es praktisch überall in der Welt in insgesamt großen Mengen vorkommt. Glücklicherweise aus Sicht der USA lagern diese gasführen­den Schiefer in Nordamerika relativ oberflächennah (weniger als 1500 m). Für die USA besteht das wirtschaftlich Wesentliche darin, dass das einheimische nicht teurer als das importierte Gas ist. So betrug der Preis für Importgas im Jahr 2009 im Mittel 115 $ pro 10000 m³. Dabei ist es wichtig, dass der Gaspreis bei der Einleitung ins Verteilungsnetz ein Niveau von 180 $/1000 m³ nicht über­steigt. Für den Endverbraucher sind dann 330 $/1000 m³ zu entrichten.

In den EU-Ländern ist die Situation schon eine andere – bei einem Importpreis aus Russland von 300 $ für 1000 m³ Gas muss der Endverbraucher hier 650 $ bezahlen. Angesichts solcher Preise und einer entsprechenden staatlichen Förderung erscheint eine wirtschaftliche Gewinnung von Schiefergas künftig als durchaus gestaltbar. Genau davor müsste man in Russland Angst haben.

Es ist außerdem aber ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass auch Russland gemäß seines natürli­chen Potentials wie auch aufgrund seiner fachlichen, technischen und materiellen Möglichkeiten in der Lage wäre, den Weg der verstärkten Ausbeutung von Schiefergas zu begehen.

Dem steht in Europa der EU-Länder folgendes entgegen:

1. Die potentiellen Schiefergaslager sind aus lagerstättengeologischer Sicht praktisch nicht untersucht. Dementsprechend sind die Fragen nach Vorräten, Stabilität der Förderung und der Zuverlässigkeit der Versorgung der Wirtschaft nicht im Geringsten geklärt.

2. In keinem EU-Land besteht ein leistungsfähiger Sektor zur Erkundung und Gewinnung des besagten Rohstoffs. Wollte man aus eigener Kraft diese Aufgabe bewältigen, müsste dem ein entsprechender politischer Beschluss vorausgehen. Der schnellere Weg wäre mit der Inanspruchnahme ausländischer Hilfe gangbar. Hier bestünde aber die Gefahr der Erhöhung des Potentials der äußeren wirtschaftlichen und politischen Einflussnahme.

3. Zur Gewinnung des Schiefergases ist das Niederbringen vieler Produktionsbohrungen unumgänglich, da ihre Funktionsfähigkeit auf ca. 1 Jahr begrenzt ist (im Vergleich dazu funktionieren Produktionsbohrungen für die Erdgasgewinnung ohne zusätzliche Intensivierungsmaßnahmen in Westsibirien 10-15 Jahre). Damit macht sich die Inanspruchnahme großer Flächen einhergehend mit ihrer Verwüstung erforderlich. Das steht im Missverhältnis zur verhältnismäßig hohen Bevölkerungsdichte und der damit verbundenen engmaschigen Infrastruktur. Hinzukommt die restriktive Wirkung komplizierter Eigentumsverhältnisse, die Existenz verschiedenartiger großflächiger gesetzlich festgeschriebener Schutzgebiete und nicht zuletzt eventuell fehlender Akzeptanz in der Bevölkerung.

So ließen sich noch einige Aspekte aus dem Für und Wider zum Thema Schiefergas anführen. Auf jeden Fall ist die Lage zu Gunsten des Schiefergases bei Weitem nicht so eindeutig und rosig, wie es zum Beispiel von namhaften Wirtschaftszeitschriften versucht wird, zu suggerieren. Der Bericht­erstatter hofft, dass er dem Leser das Verständnis dafür vermitteln konnte.

Kurzfristig wird Schiefergas als Energierohstoff auf keinen Fall eine wichtige Rolle in der Wirtschaft Europas übernehmen können. Trotzdem wird es interessant und bleibt abzuwarten, wie die weitere Entwicklung in Sachen Schiefergas verlaufen wird. 

Gastautor Dipl. Geologe Dr. B. Hartmann Halle (S.), 14. Mai 2010 für EIKE

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7 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Kollege Goldmann,
    verzeihen Sie bitte meine späte Reaktion und vielen Dank für Ihre Antwort. Ich hatte wirklich nicht gedacht, trotz dass ich jahrelang mein Brot mit der Geologie, Erkundung, Vorratsermittlung, Qualität usw. fossiler Brennstoffe mein Brot verdiente, dass es sich bei den „Gasschiefern“ um die uns allen bekannten Öl- oder Brandschiefer handelt, die beispielsweise schon sehr lange und nicht in geringen Mengen im Schwäbischen, Estland (Kukers–>Kukersit)und auch Russland (Slanzy (russ. Baltikum), Wolgagebiet-Syzran, Samara u.v.a.) gefördert wurden, bis heute auch gefördert werden und im petrographisch-lithologischen Sinne gar keine „richtigen“ Schiefer sind. Sehen Sie, wie wichtig es doch ist, dass wir, um nicht aneinander vorbei zu reden, uns gemeinsam an eine exakte Terminologie halten sollten! Die Gefahr, dass zumindest die Öffentlichkeit damit irre geführt wird, ist akut, wie wir uns am Beispiel von „Schiefergas“ überzeugen können.
    Glück auf!
    Bernd Hartmann

  2. Sehr geehrter Herr Hartmann, die Beantwortung Ihrer berechtigten Frage ist rel.simpel.In Deutschland ist es der Posidonienschiefer des Toarcien, einer Stufe des Jura. Möglicherweise auch des Fischschiefers. Beide sind sog. Ölschiefer und damit Öl-Muttergesteine. Siehe auch Holzmadens „Schiefer“ mit den hohen Anteilen an organischem Material.In den Posidonienschiefer hat man in Deutschland, und zwar in Heide, Schleswig-Holstein, und in Niedersachsen bereits vor 30-40 Jahren z. T. erfolgreich Bohrungen niedergebracht, die aber zu der damaligen Zeit nicht wirtschaftlich waren und deshalb verfüllt worden sind. Hier war der organisch-reiche Posidonienschieder in Juratrögen bis auf 2500m-3500m und damit in den thermischen Bereich der Umwandlung des organischen Materials in flüssige KW, Kohlenwasserstoffe, abgesenkt worden. Die zu der damaligen Zeit abgeteuften Bohrungen sind ausnahmslos über Salzdome niedergeracht worden, an deren Flanken der Posidonienschiefer hochgeschleppt worden war, eine ausreichende Kluftporosität und – in einigen Fällen – einige dünne poröse Kalkbänder als Einlagerung hatte. In der Nordsee könnte in der Zukunft auf den sog. Kimmeridge Shale exploriert werden, in Schlesien möglicherweise auf Äquivalente des im Baltikums bereits fördernden Kuckersit.
    Glückauf
    Dr. Klaus-Jürgen Goldmann
    Erdölgeologe

  3. Sehr geehrter Herr Goldmann,
    nun hat doch einmal jemand auf den Beitrag reagiert. Sicherheitshalber und wahrheitsgemäß habe ich mich hier nicht als Spezialist für Erdöl- und Erdgas ausgegeben. Als Geologe sollte man selbstverständlicherweise die von Ihnen angeführte „genetische“ Reihe Ton-kristalline Schiefer kennen. Da ich nun tatsächlich ein Englischdilettant bin, dachte ich bisher wirklich, dass das Wort „shale“ in deutscher Übersetzung dem Schiefer entspräche.
    Mich würde außerdem brennend interessieren zu welcher stratigraphischen Einheit in Deutschland potentiell gasführende Schiefertone gehören könnten bzw. um welcher „Schiefer“ es sich in unserem Lande dabei handeln könnte.
    In ungeduldiger Erwartung+MfG
    Bernd Hartmann

  4. Zur Verfeinerung des Begriffes „Schiefer“: Der Geologe unterscheidet in Abhängigkeit und mit zunehmender tektonischer Beanspruchung den Ton, den Tonstein, den Schieferton, den Schiefer und dann den kristllinen Schiefer. Der Schieferton (eng.: shale), aus dem hier das Gas mit oben beschriebenen Methoden gefördert wird, ist also tektonisch nicht oder nur ganz schwach beansprucht, kann aber in dünne Platten zerlegt werden. Nicht zu verwechseln mit den echten Schiefern, mit denen z. T. die Häuser früher gedeckt worden sind. Diese letzteren sind tektonisch stark beansprucht und sind hier nicht gemeint, sie sind geschiefert. Als stratigrafische Begriffe sind in Deutschland hierzu zu rechnen die Posidonienschiefer, der Kupferschiefer, oder auch der Fischschiefer.
    Dr. Klaus-Jürgen Goldmann
    -Erdölgeologe-

  5. Lieber Herr Trummler,
    das Verfahren in-situ-leaching, underground leachung oder auf deutsch Untertageauslaugung wurde erstmals bei der Kupfergewinnung in den USA 1919 angewendet. Ab 1939 fand es auch im Ural Anwendung. Seit den 1960-ger Jahren wird diese Verfahren weltweit für die Förderung von Kupfer und besonders Uran angewendet (USA, Russland, Usbekistan, Kanada, DDR, CSSR, Bulgarien u. a.). Das Prinzip dieses Verfahrens besteht darin, dass in eine in Reihe im Grundwasseranstrom angeordnete Galerie sog. Infiltrationsbrunnen, die den Erzkörper durchteufen bzw. berühren, ein Auslaugungsmittel (bspw. Schwefelsäure) eingeleitet wird und aus einer im Grundwasserabstrom befindlichen Galerie von Förderbrunnen ein flüssiges Konzentrat mit der Nutzkomponente als Inhalt gewonnen wird. Das Hydrofracing kann natürlich auch hier angewendet werden. Das Verfahren hat den Vorteil, dass im Vergleich zum traditionellen Untertagebergbau eine vollständigere Gewinnung der Nutzkomponente erfolgt. Das Verfahren ist dort gut anwendbar, wo eine gute hydraulische Kontrolle der Auslaugungsflüssigkeit im entsprechenden Grundwasserleiter möglich ist. Sehr oft ist das bspw. durch tektonische Störungen, die in ihrer Gesamtheit nie vorher bekannt sein können, einfach nicht gegeben. Dehalb wäre auch der Abbau des Kupfers aus dem gleichnamigen Schiefer aus dem Perm des Mansfelder Reviers (Sachsen-Anhalt), der Niederlausitz oder in Polen unverantwortlich. So hat man bis heute bspw. im Raum Eisleben-Sangehausen mit der Gefahr unkontrollierter, spontaner Tagesbrüche in bewohnten und mit Straßen bebauten Gebieten zu kämpfen, was auf der Störung des natülichen Grundwasserregimes damit zusammenhängender in Gang gesetzter unkontrolliert ablaufender Auslaugungsprozesse infolge bergbaulicher Tätigkeit bereits seit dem Mittelalter beruht.

  6. Frage an den Geologen.

    Im Bereich des Erzbergbaus setzt man immer haeufiger auf die Technik des In-Situ Leaching. Beispielsweise werden grosse Kupfer-Uran-Gold Lagerstaetten heutzutage dadurch erschlossen das man durch Bohrungen Lauge hineinpumpt und die mit Kupfer, Gold und Uran gesaettigte Fluessigkeit an anderer Stelle abpumpt.

    Waere es nicht denkbar die Technik des Horizontalbohrens und des Fractioning auch fuer den Erzbergbau zu nutzen und dadurch heutzutage kaum zugaengliche Erzvorkommen in grosser Tiefe abzubauen, Beispielsweise Kupfervorkommen in der ex. DDR????

    Vandale

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