Bayrischer Kohleausstieg

Braunkohlebagger; Bild Rike / pixelio.de

Von Frank Hennig
Politiker aus Bundesländern ohne nennenswerte Kohleverstromung tun sich viel leichter damit, den Kohleausstieg zu fordern. Dem liegt der irrige Gedanke zu Grunde, nicht betroffen zu sein. Aber die Energiewende ist eine deutschnationale, keine föderale Aufgabe. Und alles hängt mit allem zusammen.

Es södert aus dem Süden. Auf 2030 soll der Kohleausstiegvorgezogen werden, empfiehlt der aktuell regierende bayrische Löwe. Dies sei die effektivste Strategie, die „Klimaziele“ 2030 zu erreichen. Drei Gründe mögen Herrn Söder veranlasst haben, diese Forderung zu erheben. Zum einen nimmt eine schnellere Senkung der Emissionen im Energiesektor etwas den Druck von der Automobilindustrie. Die ist in Bayern immer noch erfolgreich und privatwirtschaftlich organisiert, eine Vergesellschaftung nach Kevins Vorstellung ist erst nach ihrem wirtschaftlichen Zusammenbruch denkbar (in „Auffanggesellschaften“ und selbstverständlich als „Chance“ interpretiert). Zum zweiten denkt man an der Isar, man bleibe vom Abschied von der Kohle unbeeinflusst.

Der dritte Grund dürfte pekuniärer Erwägung entspringen. Je länger sich der Kohleausstieg zieht, desto mehr Geld könnte in die Ausstiegsregionen fließen. Da man den Kohlestrom aber aus Gründen der Systemsicherheit noch braucht, wird er am Tropf der Staats- oder Verbraucherknete hängen. Je länger ein Strukturwandel in den Ostländern dauert, desto teurer. Der jahrzehntelange Steinkohleausstieg stellt sich in der Rückschau als zu teuer heraus, zumal das Ruhrgebiet heute wirklich nicht zu den Boomregionen des Landes gehört.

Den Ostlern einen zweiten, diesmal politisch motivierten Strukturbruch nach 1990 überzuhelfen, scheint einfacher. Die schaffen das und nach Westen abwandernde Arbeitskräfte sind gut gegen den dortigen Fachkräftemangel, der durch Buntheit allein wohl nicht bewältigt werden kann.

Nun haben die Bayern, wie alle gut Betuchten, ein enges und strenges Verhältnis zum Geld. Dies ist keinesfalls als Vorwurf gemeint. Im Gegenteil, das ist die Grundlage des bayrischen wirtschaftlichen Erfolgs.

Schon vor einiger Zeit sagte Markus Söder: „Der Norden hat den Wind, Ost und West Ersatzgeld für die Kohle und wo bleibt der Süden? Auch Bayern und Baden-Württemberg als Wirtschaftsregionen brauchen eine nachhaltige energiepolitische Perspektive.“ Er könnte dazu die ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten befragen, die 2011 den Atomausstieg mit beschlossen (CDU/CSU: 224 Ja- und 5 Neinstimmen). Die Kolleginnen und Kollegen werden doch gewusst haben, was sie da beschließen und wie die süddeutschen Kernkraftkapazitäten ersetzt werden. Ahnungslosigkeit oder blinde Kanzlerinnenfolgschaft wird von den damals Beteiligten allerdings kaum jemand zugeben.

Tief im Innern der bayrischen Seele brodelt natürlich der jahrelang aufgestaute Zorn über die Berge von Geld, die jedes Jahr über den Länderfinanzausgleich in den Norden geschaufelt werden müssen. Das ist verständlich, aber zum Glück sorgt das EEG mit seinen Kapitalströmen von unten nach oben, also von arm zu reich, für einen soliden Rückfluss. 2017 zahlte Bayern 5,9 Milliarden Euro an andere Länder2),5,48 Milliarden Euro1)kamen bundesweit eingesammelt über die massenhaft verspiegelten bayrischen Haus- und Scheunendächer, riesige ökologisch fragwürdige Freiflächenanlagen und Bioenergieanlagen zurück.

Der Hartzer aus Bremen, der in Marzahn wohnende Hermes-Bote und die Rentnerin aus Recklinghausen garantieren den Villenbesitzern am Starnberger See (26,5 Prozent Grünwähler bei der Landtagswahl 2018) die auskömmliche Rendite auf dem Dach.

Markus Söder sorgt sich ums Geld, das Problem ist aber ein anderes. Die energetischen Besonderheitender Südzonesind vielfältig. Heute gibt es permanente Stromflüsse aus deutscher Nord- und Nordostrichtung nach Bayern, die zurückgehen werden. Vorgänger Seehofer machte gegen den Ausbau von Freileitungen mobil und erreichte beim damaligen Wirtschaftsminister Gabriel, dass ein Großteil der Leitungen aus Richtung Norden verbuddelt werden soll, zum etwa achtfachen Preis, mit längeren Bauzeiten und deutlicheren Umweltauswirkungen. Eine teurere Strompreiszone Süd als Forderung aus Brüssel konnte die Bundesregierung noch abwehren. Eine Ewigkeitsgarantie gibt es dafür nicht.

Schlechter Deal

Seit April hat sich die deutsche Strom-Außenhandelsbilanz deutlich geändert (hierfür verschiedene Zeiträume sichtbar). Der Stromüberschuss tagsüber, hervorgerufen durch die hohe installierte Solarkapazität und sonnenreiche Sommertage, führt zum Export in die Nachbarländer. Konventionelle Kraftwerke, vor allem auf Steinkohle-Basis, gehen außer Betrieb und bleiben dies aus Gründen der Wirtschaftlichkeit  auch für die Nachtstunden. Die Anfahrkosten im fünfstelligen Euro-Bereich und der höhere Verschleiß im Stop-and-go-Betrieb sind der nachvollziehbare Grund. Zudem führen die gestiegenen Zertifikatepreise für CO2 zu höheren Gestehungskosten und Börsenpreisen, so dass sich der Import eher lohnt.

Wir exportieren subventionierten abnahmepflichtigen Solarstrom für wenig Geld an unsere Nachbarn und importieren nachts zu höheren Preisen zurück. Im Saldo ein auf die Verbraucher umgelegtes Verlustgeschäft.

Die Habsburger kommen vor Lachen kaum mehr in den Schlaf. Nicht nur, dass die gescheiterte Ösi-Maut auf die Piefkes zurückschlagen wird, durch den Stromhandel mit Deutschland machen sie prächtige Geschäfte. Mit dem für sie billigen germanischen Sonnenstrom füllen sie die Oberbecken ihrer Pumpspeicherwerke, um nachts quasi denselben Strom aus herunter fließendem Wasser mit deutlichem Gewinn zurück zu verkaufen.

Nun könnten die Bayern mit einem eigenen Kohleausstieg vorangehen. Um im Jargon zu bleiben: Vorreitend, ehrgeizig, entschlossen, mutig, ambitioniert, verantwortungsbewusst, klimagerecht, unbeirrt und mit welchen Adjektiven man beschleunigte Abschaltungen noch so bezeichnen will. Die progressive Münchner Bevölkerung stimmte schon 2017 für die Abschaltung des Kohleblocks des Heizkraftwerks Nord der Stadtwerke bis 2022. Nun teilt das Unternehmen mit1), dass es nicht gelungen sei, die thermischen 420 Megawatt in der Wärmeversorgung zu ersetzen. Zudem sei davon auszugehen, dass die Bundesnetzagentur die Anlage als systemrelevant einstufen und eine Stilllegung untersagen wird.

Die Suche nach Alternativen sei erfolglos gewesen. Die Errichtung einer GuD-Anlage in Unterföhring sei vom Gemeinderat abgelehnt worden, der Bau sieben dezentraler Heizwerke im Münchner Stadtgebiet sei am „Nein“ der jeweiligen Bezirksausschüsse gescheitert. Nun will man verstärkt Geothermie nutzen. Auch hier ist Widerstand zu erwarten, wenn die Bürger in den potenziellen Bohrgebieten die Erfahrungen mit der Geothermie im baden-württembergischen Staufenwahrnehmen. Schon vor den ersten Informationsveranstaltungen werden sich die Bürgerinitiativen gegründet haben. Vor der Hacke ist es duster, sagt der Bergmann. Vor dem Brunnenbohrer ist es genauso.

Gut gebrüllt, Löwe? Wann kommt nun der bayrische Kohleausstieg? Schaun mer mal. Sollen doch andere erst mal abschalten und die Bajuwaren dennoch versorgen, wenn die aus CSU-Sicht unsicheren Kernkraftwerke abgeschaltet werden.

Seit wir wissen, dass es Menschen gibt, die CO2 sehenkönnen, soll kein CO2-Molekül aus böser Kohle den weiß-blauen bayrischen Himmel mehr trüben.

Die Berliner sind da allerdings weiter. Sie werden bis 2030 aus der Kohle aussteigen und das auch schaffen, dank Brandenburg. So gesehen sind die Überweisungen von München nach Berlin nicht als Länderfinanzausgleich zu sehen, sondern als Klimamilliarden. Das ändert nichts am Sachverhalt, schmerzt aber nicht mehr so.

  • „energate messenger“ vom 4.7.2017

Der Beitrag erschien zuerst bei TICHYS Einblick hier

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10 Kommentare

  1. Vielleicht hat Söder auch einfach nur Angst vor Greta & FFF und „Ende Autowerksgelände“ das diese Kindersoldaten auch mal ein Autowerk belagern könnten? Wer interessiert sich denn noch für Bilder in den Nachrichten von einem besetzten Kohlebagger mit Aktivisten?

  2. Kein Messgerät kann die Temperaturänderung messen! Schon der Fehlerbereich schließt eine sichere Messung aus.Auch in Deutschland sind es immer nur „lokale Messungen“.Wieviele Messstellen auf der Erde (mit Weltmeere)müssen eingerichtet werden und in welchem Abständen,um sichere Daten für das „Weltklima“ zu bekommen?Diese Messstellen wird es nie geben,so das das Weltklima immer eine Spekulation bleiben wird.Weltklima,Welttemperatur und Weltklimaänderung gab es nie und wird es nie geben.Aber nur damit kann der ungebildete „Gutmensch“ in die Angst getrieben werden.Der böse deutsche Mensch muß für den grünen Ablasshandel bluten.Alle anderen Länder lachen sich schief!

  3. Dazu passt,dass die vergangene Nacht die erste von 31 Nächten war, in der wir keinen Strom importieren mussten!(Quelle Agorameter)

  4. Ein Bayer denkt logisch! – Bravo! – Strom aus Steinkohle ist besonders in Bayern verdammt teuer. Leider sind nach Merkels Zwangsabschaltung bayerischer KKW selbst die 0,854 GW Steinkohle bis 2030 unverzichtbar. Dann sollten allerdings die „Dr. h.c. Greta Thunberg Stromleitungen“ fertig sein, man kann auf die billigere Braunkohle umschalten und der schwarze (Steinkohlen) Peter wurde unverzüglich weiter gereicht.

  5. Herr Henning, besten Dank für diesen informativen Beitrag! Aber Sie hätten, um noch besser einen Bezug zur absurden Realität zu vermitteln, erwähnen können dass unser Kohleausstieg längerfristig nur 1/1000 Grad bringt (sofern dadurch keine neuen CO2-Emissionen entstehen) und dafür erstmal 40 Mrd. € veranschlagt sind.

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