Atomkraft in Japan: Entschieden unentschieden

Dr. Hermann Hinsch
Unter diesem Titel hat die Hannoversche Allgemeine (HAZ) am 11.08.2015 einen nicht ganz unzutreffenden Bericht über das geplante Wiederanfahren des KKW’s Sendai gebracht. Alles stimmt natürlich nicht, so kommt das Wort „Atomkraft“ auf den gezeigten Plakaten nicht vor. Tatsächlich steht dort: „Stopp der Wiederaufnahme des Betriebs!“ Richtig wird in der HAZ dargestellt: Die Politik will, dass die Kernkraftwerke wieder laufen, wegen des Protests von Bürgern wird dies aber immer verschoben.

 

Die Japaner haben da wirklich ein Problem. Dort gehört es sich einfach nicht, andere Menschen zu belästigen. Muss z.B. eine Baufirma für ein Vorhaben den angrenzenden Fußweg sperren, so bekommt sie dafür, wenn es unumgänglich ist, eine Genehmigung. Das genügt aber nicht. Sie beschäftigt einen Mann, als Bauarbeiter verkleidet, muss man sagen. Der arbeitet nämlich nicht, sondern steht nur an der eigentlich eindeutigen Absperrung, um den ganzen Tag lang sich bei den Passanten für seine Firma zu entschuldigen und die Leute zu bitten, die andere Straßenseite zu benutzen.

So fragt der Kernkraftwerksbetreiber noch die Bürgermeister entfernter Dörfer, ob sie mit dem Wiederanfahren einverstanden sind, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein. So lästig das in diesem Fall ist, dient es doch als eine der Bremsen gegen Einwanderung. Man kann sich in Japan nicht vorstellen, dass sich Fremde in dieses komplizierte Höflichkeitssystem einfügen. So nehmen viele Gasthöfe keine Ausländer, aus berechtigter Sorge, dass sie sich dort nicht benehmen können. Meine Frau und ich wurden auch schon höflich aufgefordert, ein Restaurant zu verlassen, als wir uns gerade an einem der leeren Tische niedergelassen hatten.

Selbstbedienungsrestaurants, sonst die Rettung für sprachunkundige Ausländer, schreiben manchmal die Preise in den alten Zahlen, die sonst, z.B. in Zeitungen, gar nicht mehr verwendet werden. Ich kann diese Zahlen zwar lesen, berücksichtige aber die Botschaft: Ausländer unerwünscht. 

Allerdings gibt es genügend andere Möglichkeiten, und für ausländische Gäste macht man sogar alle Beschriftungen in S- und U-Bahnen heute in Englisch. Aber die Gäste gehen ja wieder, wie auch die iranischen Gastarbeiter, welche Japan ein paar Jahre lang hatte. 

Die Geburtenzahl in Japan ist niedriger als bei uns. Aber es ist ja nicht so wichtig, wie viele Menschen in einem Land leben, sondern was für welche.

Hannover, den 11.08.2015

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13 Kommentare

  1. @#12, Frau Meinhardt,

    wollte darauf hinweisen, dass die Hitze nicht primär ein Problem der konventionellen KW ist (dieses „Problem“ wäre durch bessere Kühlung zu vermeiden, siehe Beitrag #9), sondern vor Allem der WKAs, weil hohe Temperaturen häufig mit Windstille zusammenfallen.

  2. #11: Sehr geehrter und verehrter Herr Stefan Steger, nein, überlesen habe ich es nicht.

    Mir ist nicht ganz klar, in welche Richtung Sie deuten wollen. Schrecklich wäre es, wenn die Polen, die gleichen Fehler, wie wir hierzulande, geschehen lassen. Mit oder ohne Wissenschaft, à la Typen, wie Alex. Seilkopf, die davon wenig verstehen können, logischerweise. Mir war zu dem Zeitpunkt nicht klar, wie groß der Anteil der Windkraft in Polen sein will. Und wenn die Führungsebenen in dem Land auch so naiv sein wollen, bitte schön.

    Der verehrte Herr R. Küper gab mir den entscheidenden Hinweis, wie eine kluge Chefetage nur handeln kann, sofern seine Aussagen stimmen sollten, wovon ich ausgehen will.

    Mit sehr freundlichen Grüßen

  3. @#8, Frau Meinhardt,

    den interessantesten Satz in dem von Ihnen verlinkten Artikel haben Sie wohl überlesen:

    „..Gleichzeitig weht so wenig Wind, dass die Windkraft-Anlagen kaum Energie liefern…“

  4. Allerdings fiel mir in den Nachrichten auf (ARD od. ZDF), dass die „Atomkraftwerke“ jetzt korrekt mit Kernkraftwerke bezeichnet wurden, und eingangs hieß es, dass bei einem Erdbeben und nachfolgendem verheerenden Tsunami 20.000 Tote zu beklagen gewesen seien. Das Unglück im KKW wurde nicht mit den toten in Verbindung gebracht.

    Sollten die was gemerkt haben unsere Staatsmedien ?

  5. #8, Frau Meinhardt:

    Ob bei hohen Außentemperaturen die Leistung von Kraftwerken gesenkt werden muss, ist im Wesentlichen eine Frage der Kühlung des Turbinenkondensatorkühlung.

    Bei direkter Meerwasserkühlung gibt es keine Einschränkungen, da Meerwassertemperaturen und Lufttemperaturen unabhängiger voneinander sind, als es häufig bei Flusswassertemperaturen der Fall ist. Bei Kraftwerksstandorten an Flüssen mit stärker schwankenden Pegelständen, Wasserführungen und resultierenden Wassertemperaturen wird die indirekte Flusswasserkühlung des Turbinenkondensators bevorzugt. Der Turbinenkondensator kann wahlweise direkt mit Flusswasser gekühlt werden (höherer Kraftwerkswirkungsgrad), oder indirekt über Kühltürme, die für bis zu 100% der Turbinenkondensatorkühlung ausgelegt sein können. Dabei wird dem Fluss nur noch eine geringe Kühlwassermenge entnommen, sodass der Kraftwerksbetrieb praktisch unabhängig von Wasserführung und Wassertemperaturen des Flusses ist.

    Wenn Polen Kühltürme mit 100% Kühlleistung hat, dürften hohe Lufttemperaturen keine Rolle spielen.

  6. Eine Frage bitte. In der heutigen FAZ wird darauf hingewiesen, Polen leide so sehr unter der Hitze, sogar die Stromversorung sei in Gefahr und müsse eingeschränkt werden. Was geschehen sein soll. Aufs Jahr bezogen, wohl nur wenige Tage. Laut einer Liste (im Schnelldurchlauf) soll Polen über keine eigenen Strom liefernden Atommeiler verfügen. (Allerdings würden 6 Stück in Planung sein). Das Land setzt in der Zukunft glücklicherweise auf diese Wohlstand schaffende Technologie.

    Wenn Polen Atomkraftwerke hätte, wäre diese Art von Problem (bzgl. der Hitze) gänzlich vermeidbar?

    Quelle: http://tinyurl.com/p7o8qrs

    Danke.

  7. Bei den Protesten in Japan wegen der Wiederinbetriebnahme des KKW Sendai, sah man T-shirts mit aufgedrucktem (in deutsch) Atomkraft nein Danke. Da waren wohl auch Aktivisten von Greenpeace dabei. Japan muss große Mengen Kohle importieren, der Wirtschaft geht es schlecht, die brauchen die KKW. Und Platz für Windmühlen wird auch knapp sein. Man muß auch wissen, dass außer den 3 veralteten in Fukushima, alle Kraftwerke beim dem Erdbeben auslegungsgemäß und ohne Probleme automatisch abgeschaltet haben.

  8. Kann es sein, daß diese kulturelle Besonderheit sich (auch) im ineffizienten Management der Havariebekämpfung niederschlug?

  9. #1: Dem ist nicht zuzustimmen, verehrter Dr. Lutz Niemann. 🙂

    Abstrakt betrachtet geht es lediglich um wichtige Entscheidungen, die eine Führung treffen muss, in Stellvertretung. Wieviele Menschen daran beteiligt, wieviele aufschreien, wieviele konform gehen wollen, wer dagegen intrigiert, und wie die Art der Entscheidung getroffen wurde, interessiert meistens nur die wenigsten Menschen und manche mit dem Thema sich befassende Historiker.

    Bei über 120 Millionen Menschen ließe sich vortrefflich streiten. Und es gäbe zu viele Perspektiven?

    Die Führung in Japan hat anders entschieden, und dies wird auch umgesetzt werden, bei aller Höflichkeit, hin oder her. Es mag etwas dauern, mag sein. Dort lautet die Entscheidung für Atomstrom, und dies in einem Land, welches massiv erdbebengefährdet sein muss, u.a.. Mutige Menschen, zweifellos.

    Bei uns, müssen auch Entscheidungen getroffen werden. Was ja auch geschieht. Unter Zuhilfenahme einer Art (perverser) Gedanken-Gestapo (oder leninscher Variante, die brutale Tscheka), die das Gewissen freier Menschen aktiv angreift, durch die angeblich aufgeklärten Massenmedien. Das war nicht immer so. Und ob 80 Millionen oder nur 40.000 oder (nur) eine einzige Person oder ein kleiner Kreis daran teilhaben, an der Entscheidung, sie kann nur ja oder nein, bezüglich der Atomkraft lauten. Unsere (aufgezwungene) Entscheidung läßt unser Land verarmen und am technologischen Fortschritt nicht mehr derart teilhaben, wie es wünschenswert wäre. Und das Konstrukt Volk (oder Staat) läßt es geschehen. Seit der Französischen Revolution ist wenig geschehen, und der alberne Versuch der Einführung der (wissenschaftlichen) 10-Tage-Woche ein Flop, glücklicherweise. Alles wie gehabt. Das Volk darf nur mit entscheiden, wenn die da oben es so wollen und es genehm sein will.

    Lange Rede kurzer Sinn. Zwei Führungen, zwei verschiedenartige Entscheidungen. Für beide Varianten gäbe es unzählige Erklärungen. Wichtig ist, welche (kluge) Entscheidung in Japan getroffen wurde. Ungeachtet dessen, was der Autor zutreffend dort oben beschrieben haben will. Und es mag auch richtig sein, dies will ich nicht beurteilen, gar kritisieren.

    (Zitat:) Zur Wahrheit gehört es, alle Dinge zu nennen. 🙂

    Mit sehr freundlichen Grüßen

  10. Aber es ist ja nicht so wichtig, wie viele Menschen in einem Land leben, sondern was für welche.

    Ein Satz dem man seher wohl etwas abgewinnen kann.

    Ebenfalls wird es den Japanern hoffentlich egal sein was zb Greenpeace und andere ÖKO Lobby Organistionen zur Energiegewinnung in Japan meinen.

  11. Guter Einblick in japanische Sitten. Nur gehört das Thema nicht ganz zu diesem Blog – wohl aber zu unseren Zuständen……..

  12. Danke, Herr Hinsch, die Mentalität der Japaner ist also ganz anders als bei uns. Das ist nützlich zu wissen, und man kann es nur erfahren von Leuten wie Sie, die auch vor Ort gewesen sind.

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