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Das bislang eher kühle Jahr 2021 in Deutschland – Hintergründe und weitere Aussichten

Enorme Temperaturkontraste seit Anfang Februar – warum?

Während seit dem Beginn der massiven, (vielleicht) solar bedingten Zirkulationsstörungen im Februar 2018 zunächst warme, südliche Großwetterlagen überwogen, zeigt sich seit dem Jahr 2021 ein ganz anders Bild: Zwar gab es noch einzelne, sehr warme Süd- und Südwestlagen, doch gewannen mehr und mehr kalte, nördliche Lagen und solche mit niedrigem Geopotential über Deutschland die Oberhand. Dabei verlief besonders die Februar-Witterung so extrem gegensätzlich, wie das noch niemals seit Aufzeichnungsbeginn 1881 beobachtet wurde, doch auch in den Folge-Monaten wechselten längere, teils sehr kühle Phasen mit kurzen, sehr warmen:

Abbildung 1: Täglicher Verlauf der Maximum-Temperaturen an der DWD-Station Erfurt/Weimar zwischen Ende Januar und Mitte Mai 2021. Immer wieder ereigneten sich rapide Abkühlungs- und Erwärmungsphasen; auch im „Wonnemonat“ stürzte die Maximum-Temperatur von hochsommerlichen fast 27 Grad auf kalte 12 Grad innerhalb von nur drei Tagen ab.

Diese jähen Temperatursprünge resultieren aus meridionalen Wetterlagen mit sich rasch abwechselnden Kalt- und Warmluftvorstößen. So brachte der Februar erst bergeweise Schnee und Nachtfröste weit unter minus 20°C, aber keine 14 Tage später mildestes Frühlingswetter mit um die 20 Grad und viel Sonnenschein, der aber oft durch Sahara-Staub getrübt wurde:

Abbildungen 2a und 2b: Enorme Schneemassen am 8. Februar 2021 im normalerweise sehr schneearmen Weimar. Das öffentliche Leben und der Verkehr brachen teilweise zusammen; viele Besitzer suchten verzweifelt ihr Auto (2a, oben). Nur 2 Wochen später war aller Schnee verschwunden; tagsüber herrschte T-Shirt-Wetter; die Sonnenuntergänge sahen in der Luftmasse cS wie in der Sahara aus.

Nachdem es Ende März erneut ein paar schon fast sommerliche Tage gab, überraschte der April mit anhaltender Kälte; in Erfurt/Weimar wurden 15 Frostnächte registriert. Näheres zur April-Kälte 2021 und deren Ursachen hier und hier. Auch im Mai setzten sich diese Kapriolen – wenngleich in etwas abgeschwächter Form, weiter fort. Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, die Ursachen dieser ungewöhnlichen Wetterlagen zu erörtern. Drei mögliche seien aber zumindest erwähnt: Die nachlassende Sonnenaktivität, die wohl bald endende AMO-Warmphase (im April lag der AMO-Index deutlich unter den Werten des Vorjahres; für den Mai ist Ähnliches zu erwarten), und der eventuelle Beginn einer Abkühlungsphase. Ähnlich wie am Übergang zur „Kleinen Eiszeit“ ab etwa 1300, könnten starke Schwankungen ein Hinweis dafür sein. Es gibt zeitweise (noch) das sehr warme Wetter des Klimaoptimums, zunehmend aber schon kältere Phasen. Für endgültige, seriöse Rückschlüsse ist es aber noch viel zu früh.

Häufig höhenkalte Luft im Januar 2021 – ein erster Hinweis auf eine kühlere Jahreswitterung?

In diesem Januar bestand oft ein großes Temperaturgefälle zwischen dem fast normal temperierten Flachland und den deutlich zu kalten Bergen. Schon kleinere Erhebungen präsentierten sich oft mit einer Schneehaube, während in tieferen Lagen der Schnee rasch wieder schmolz:

Abbildung 3: Starke Temperaturabnahme in der Luftmasse mP mit der Höhe: Nicht nur am 23. Januar 2021 war diese in der hügeligen Landschaft deutlich sichtbar. Der Gipfel des schneebedeckten Hügels (Großer Ettersberg bei Weimar) liegt nur etwa 200 Meter höher, als der Standort des Beobachters an einem Getreidefeld. Geschneit hatte es überall etwa gleich viel, aber nur oberhalb von 300 Metern blieb der Schnee auch liegen. Foto: Stefan Kämpfe

Die Höhenlage von etwa 5395 Metern der 500-hPa-Fläche über der Mitte Deutschlands war wegen der höhenkalten Luft in diesem Januar deutlich niedriger, als im Langjährigen Mittel (1948 bis 2020 am Gitterpunkt 50°N, 10°E 5481 Meter). Letztmalig war das so ähnlich im Januar 2004 zu beobachten; auch damals folgte ein eher verhaltener Jahresrest.

Abbildung 4: Tendenziell positiver Zusammenhang (Korrelation) zwischen der Höhenlage der 500-hPa-Fläche im Januar am Gitterpunkt 50°N, 10°E und dem Deutschland-Flächenmittel der Lufttemperatur im Jahresrest (Feb.-Dez.). Der Korrelationskoeffizient r ist nicht berauschend hoch, überschreitet aber das Signifikanzniveau. Die Streuung ist aber hoch, so dass allein mit diesem Zusammenhang noch kein kühler Jahresrest sicher prognostiziert werden kann! Einige charakteristische Jahre sind markiert, und für den Zeitraum bis zum Mai 2021 traf die Regel schon mal wieder zu.

Wie’s im April und Maien war, wird es auch so im restlichen Jahr?

Auch hier zeigt sich ein tendenzielles, freilich niemals generelles Zutreffen der Regel:

Abbildung 5: Positive Korrelation zwischen dem Deutschland-Temperatur-Flächenmittel im April und Mai (waagerechte Achse) und dem der folgenden sechs Monate (Sommer und Herbst, senkrechte Achse) im Zeitraum 1881 bis 2020. Die beiden Mittelwerte 1881 bis 2020 der Zeiträume (senkrechte für April und Mai, waagerechte für Sommer und Herbst) teilen das Diagramm in 4 Quadranten. Nur für alle Punkte, welche im linken, unteren und im rechten, oberen Quadranten liegen, trifft die Regel zu. Auch hier gilt also: Sichere Langfrist-Prognosen sind anhand dieser statistischen Zusammenhänge zwar nicht möglich, aber grobe Abschätzungen der weiteren Witterungstendenz schon.

Das experimentelle Langfrist-Vorhersagemodell CFSv2 des amerikanischen Wetterdienstes NOAA hatte uns lange einen eher warmen Sommer prophezeit; mittlerweile schwenkte es für die Monate Juni bis einschließlich Oktober auf „normal“ um:

Abbildung 6: Vorhersagen des CFSv2-Modells (Eingabezeitraum 6. bis 15. Mai) für die Monate Juli bis November 2021. Es dominiert die Farbe „Weiß“ für normale Temperaturen; erst der November soll wieder zu warm werden. Die Unsicherheit dieser Prognosen ist jedoch sehr hoch. Bildquelle: NOAA

Bliebe noch anzumerken, dass die Hochsommer-Witterung erst einigermaßen anhand des Witterungsverhaltens im „Siebenschläfer-Zeitraum“ (Ende Juni/Anfang Juli) abgeschätzt werden kann. Und freilich kann es auch bei verhalten temperierter Gesamtwitterung Hitzewellen oder einzelne, zu warme Monate geben; viel wird davon abhängen, ob die Zirkulationsstörungen weiter andauern; ohnehin tendiert die zweite Jahreshälfte eher zu warmen Süd- und Südwestlagen, als die erste.

Verspätungen 2021 in der Natur – Menetekel der Abkühlung?

In den vergangenen 20 Jahren kehrten die Mauersegler nicht selten schon um den 1. Mai nach Weimar zurück; letztmalig 2018 gar schon am 29.April. Doch in den letzten 3 Jahren verspäteten sie sich; in diesem Jahr wurden sie erst am 9. Mai gesichtet. Auch der in den letzten Jahrzehnten beobachtete, meist aber nicht sehr deutliche Verfrühungstrend in der Pflanzenwelt scheint gestoppt: Die den Frühsommerbeginn markierende Holunderblüte wird in diesem Jahr für Weimar erst so um oder gar nach dem 25. Mai erwartet:

Abbildung 7: Kein Verfrühungstrend mehr beim Einzug des Frühsommers in Weimar. Für 2021 wurde der Beginn optimistisch auf den 25.Mai geschätzt.

Dabei wird in den Mainstream-Medien doch stets von der angeblich immer schnelleren, immer schlimmeren Klimaerwärmung berichtet – ein Blick auf das Verhalten der Frühlingsmonate in dem etwa 1988 begonnenen „Klimaoptimum“ zeigt jedoch ein differenzierteres Bild:

Abbildung 8: Keine eindeutigen, signifikanten Trends beim DWD-Flächenmittel der Frühlingsmonate trotz stark steigender CO2-Konzentrationen. Während der April noch eine leichte Erwärmung, bedingt durch die stark zunehmende Besonnung, zeigt, stagnieren die Märzwerte; der Mai kühlte gar minimal ab. Das Mai-Mittel für 2021 wurde optimistisch auf 12°C geschätzt; es könnte auch etwas kühler ausfallen.

Ist der Mai kühl und nass – füllt’s dem Bauern Scheun‘ und Fass

In den meisten Teilen Deutschlands ließ die bislang recht feuchte Mai-Witterung die Getreidebestände üppig sprießen – sie sehen besser als in den Vorjahren um diese Zeit aus. Sollte es bis Ende Juni häufiger regnen, steht eine sehr gute, vielleicht gar rekordverdächtige Ernte ins Haus – dabei sollte es doch durch den „Klimawandel“ angeblich immer schlechtere Ernten geben. Nur bei Spargel- und Obstbauern herrscht – freilich bei weitem nicht überall – eher Katerstimmung: Spätfröste und anhaltende Kühle schmälern ihre Ertragsaussichten.

 




Viel zu trockener Frühling in Deutsch­land – die meteorolo­gischen Hinter­gründe

Trotz des vielen Sonnenscheins und des hohen Luftdrucks zeigte sich der Frühling 2020 bisher eher wechselhaft und extrem trocken. Deutlich wird das am Verhalten der Maximum-Temperaturen in Erfurt:

Abbildung 1: Verlauf der Tagesmaxima (°C) an der DWD-Station Erfurt/Weimar vom 19. März bis zum 16. April 2020. Einige warme Tage konnten trotz des anhaltenden Sonnenscheins bislang keine dauerhaften Frühlingsgefühle wecken – extrem trockene Kaltluft sorgte immer wieder für Temperaturstürze. Bildquelle wetteronline.de, ergänzt.

Zwei Wetterkartenbeispiele veranschaulichen das:

Abbildungen 2a und 2b: Auf der Vorderseite eines Skandinavien-Tiefs hatten am Ostersonntag, dem 12. April, die Höchstwerte in Erfurt noch bei 23Grad gelegen (oben). Auf der Rückseite des Tiefs wurden einen Tag später nur noch 10 Grad erreicht. Quelle beider Wetterkarten wetterzentrale.de.

Zu hoher Luftdruck begünstigt Dürren

Schon im Januar wurde hier über zu hohen Luftdruck berichtet. Nach einer von Tiefdruckgebieten dominierten Phase von Anfang Februar bis Mitte März setzte sich wieder viel zu hoher Luftdruck über Mitteleuropa durch. Dabei waren mitunter enorm hohe, an winterliche Hochdruckgebiete erinnernde Werte zu beobachten; aber auch insgesamt fiel das Barometer seit Mitte März nie unter den Normalwert von etwa 1014 Hektopascal (hPa), wie hier am Beispiel der DWD-Station Erfurt/Weimar zu sehen ist:

Abbildung 3: Luftdruck-Verlauf am Flughafen Erfurt/Weimar vom 16. März bis zum 13. April 2020 (Tagesmittelwerte in hPa, reduziert). Fast stets zu hohe Luftdruckwerte über vier Wochen und mehr sind für unsere Breiten mit ihrem raschen Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten besonders im Frühjahr untypisch; am ehesten treten sie über so lange Zeit im Spätherbst und in meist sehr kalten Wintern auf. Bildquelle wetteronline.de, ergänzt.

Schon Ende März hatte ein rekordverdächtig kräftiges Hochdruckgebiet mit einem Kerndruck von etwa 1055 hPa auf dem Nordatlantik unser Wetter bestimmt; typischer war aber die folgende Situation:

Abbildung 4: Wetterkarte vom 8.April 2020, 1 Uhr. Ein sehr kräftiges Frühlingshoch liegt über dem südöstlichen Mitteleuropa – die nächsten Tiefs sind weit über eintausend Kilometer entfernt und nördlich der Azoren, Ostkanada, bei Spitzbergen, über Nordrussland und über dem Nahen Osten zu finden. In der Höhe sind zwei Tröge über dem Atlantik und Osteuropa erkennbar; dazwischen ein bis Südskandinavien reichender Höhenrücken (orange Farbtöne). Derartige Konstellationen regenerieren sich immer wieder, was großflächige Niederschläge verhindert. Bildquelle wetterzentrale.de, ergänzt.

Hoher Luftdruck bedeutet jedoch tendenziell absinkende Luft, was zur Austrocknung der Luft und damit zur Wolkenauflösung führt – das begünstigt im Frühjahr zwar teilweise schon warme, sonnige Tage, aber eisige Nächte, so, wie auch 2020. Den negativen statistischen Zusammenhang zwischen der Höhe des Luftdrucks und der Niederschlagsmenge im April illustriert die folgende Abbildung am Beispiel Potsdam:

Abbildung 5: In Potsdam, wo seit 1893 auf dem Telegrafenberg gemessen wird, beeinflusste der Luftdruck die Variabilität der Aprilniederschläge zu fast einem Viertel, das ist wegen des hohen Stichprobenumfangs signifikant. Einige herausragend nasse und dürre Aprilmonate sind markiert. Freilich haben auch andere Faktoren, wie die Luftfeuchte und Vorgänge in höheren Luftschichten, Einfluss auf die Niederschlagsmenge.

Ob vielleicht der massive Ausbau der Windenergie in den letzten drei Jahrzehnten zum steigenden Luftdruck über Mitteleuropa beitrug? Luftdruckwerte lagen nur für Potsdam vor; es zeigt sich folgender Zusammenhang:

Abbildung 6: Mit dem dekadenweisen Ausbau der Windenergie stiegen auch die Luftdruckwerte im April merklich. Der Luftdruck musste zur besseren Darstellung beider Größen in einer Grafik in Indexwerte umgerechnet werden; die wahren, in Potsdam nicht auf NN reduzierten Werte siehe in den grünen Säulen.

Bisher sehr ähnliche Jahreswitterung 2007 und 2020

Beiden Jahren ist ein extrem milder, zeit- und gebietsweise feuchter, stürmischer Winter gemein; es folgten ein nur etwas zu milder März mit einem markanten Kälterückfall im letzten Monatsdrittel und ein extrem dürrer, sonnenscheinreicher April. 2007 fehlte jedoch der sehr hohe Luftdruck und die Trockenheit im Januar; dafür gab es Ende Januar einen kurzen Wintereinbruch. Und anders als 2020, war damals der Februar etwas kälter als Dezember und Januar. Sollten sich diese Ähnlichkeiten im weiteren Jahresverlauf fortsetzen, bestünde noch etwas Hoffnung für Landwirte und Gärtner, denn damals setzten ab Mai intensivere Regenfälle ein; bis Ende September dominierte feuchtes, nur im Mai/Juni noch zu warmes, dann verhalten temperiertes Wetter. Man kann das für 2020 vermuten, aber nicht sicher vorhersagen, doch waren beide Winter und Frühjahre die jeweils sechsten nach dem Sonnenflecken-Maximum des SCHWABE-Zyklus. Aber schon im Sommer gibt es diese Übereinstimmung nicht mehr – er war 2007 noch der sechste und wird 2020 der siebente nach diesem Zyklus-Maximum sein. Damit deuten sich normale bis leicht überdurchschnittliche Sommerniederschläge 2020 vage an:

Abbildung 7: Mittelwerte des Niederschlages (mm) der gleichrangigen Zyklus-Sommer nach dem Sonnenfleckenmaximum. Sichere Vorhersagen erlaubt diese Methode nicht, doch könnte der Sommer 2020 feuchter und weniger warm als in den beiden Vorjahren verlaufen.

Beeinflusst die Sonnenaktivität die Zirkulationsverhältnisse?

Dass die Sonnenaktivität die Frühjahresniederschläge beeinflusst, deutet sich an. Nimmt man als „Startpunkt“ das jeweilige Maximum der Sonnenaktivität im etwa 11-jährigen SCHWABE-Zyklus und ordnet die darauf jeweils folgenden Frühjahre oder Monate von 1 bis 11 („1“ direkt nach dem Maximum, das immer vor der betrachteten Jahreszeit liegen muss!), so zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung 8: Mittelwerte des Niederschlages (mm) der gleichrangigen Zyklus-Frühjahre nach dem Sonnenfleckenmaximum. Die Ergebnisse sind nicht signifikant und demzufolge auch für Vorhersagen unsicher; für den April alleine zeigen sich ähnliche Verhältnisse. Der sechste Frühling und besonders der sechste April, den wir mit dem Dürre-April 2007 hatten und auch 2020 wieder haben, fielen aber merklich zu trocken aus.

Auch wenn die Zusammenhänge nur schwach ausfallen, so scheint doch die Sonnenaktivität die Häufigkeit bestimmter Großwetterlagen zu beeinflussen:

Abbildung 9: Tendenziell treten in Zeiten mit geringerer Sonnenaktivität mehr Wetterlagen mit Nordanteil (hier nach HESS/BREZOWSKY klassifiziert) auf. Dies gilt im Frühling, noch mehr aber im gesamten Jahr. Die aktuelle Häufigkeitszunahme der nördlichen Lagen wird somit erklärbar; möglicherweise hat auch die AMO, eine weitere Einflussgröße, ihr Maximum nun erreicht oder schon überschritten. Nördliche Lagen bringen aber meist polare Luftmassen mit, welche im Frühling relativ kalt sind und nur wenig Wasserdampf enthalten. Zur besseren Veranschaulichung in einer Grafik wurden Index-Werte verwendet.

Die Nordatlantische Oszillation (NAO)

Die NAO ist ein Indexwert für das Luftdruckgefälle zwischen Südwesteuropa und Island. Positive NAO-Werte begünstigen Westlagen und sollten damit tendenziell auch feuchtere, eher kühle Frühjahre verursachen; doch seit 1881 zeigt sich fast kein Zusammenhang zwischen NAO und der Niederschlagsmenge im Frühling. Und gerade im März ergab sich ein hoch signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen NAO-Index und Märztemperatur, der noch an den Winter erinnert, im April aber nur noch schwach, im Mai kaum noch vorhanden ist. Möglicherweise wird auch die NAO von der Sonnenaktivität begünstigt, was aber noch weiterer Untersuchungen bedarf.

Geringe Fläche des Meereises in der Arktis – mögliche Auswirkungen

Seit Jahren ist die schrumpfende, von Meereis bedeckte Fläche Gegenstand der Diskussion. Allerdings liegen hierfür genauere Daten erst seit Aufnahme der satellitengestützten Überwachung 1979 vor – damals hatte gerade eine Abkühlungsphase, das so genannte „Seventies Cooling“ ihren Höhepunkt. Möglicherweise ist der momentane, dramatische anmutende Eisschwund nicht außergewöhnlich, denn wie konnten sonst die Wikinger in ihren kleinen Booten um das Jahr 1000 ungestört nach Grönland oder Nordamerika segeln? Vermutlich war der Arktische Ozean auf dem Höhepunkt unserer Warmzeit, vor etwa 7000 Jahren, im Sommer sogar oft völlig eisfrei; Näheres hier. Lediglich im April zeigen sich mäßige Zusammenhänge zwischen der Meereisbedeckung und den Niederschlägen in Deutschland, und zwar am deutlichsten, wenn man eine zweimonatige Verzögerung (Eisbedeckung Februar zu Aprilniederschlag) in Relation setzt:

Abbildung 10: Tendenziell feuchterer April in Deutschland bei größerer Meereis-Bedeckung im vorausgehenden Februar. Dieser zeigt sich auch zwischen Februar-Eis und den Frühlingsniederschlägen insgesamt, aber etwas undeutlicher. In den meisten übrigen Monaten und den übrigen Jahreszeiten bestehen nur minimale oder gar keine Zusammenhänge

Man erkennt die recht synchrone Abnahme der Meereis-Bedeckung und der Aprilniederschläge seit 1980:

Abbildung 11: Synchrone Abnahme der eisbedeckten Meeresfläche in der Arktis und der Aprilniederschläge.

Erklärbar wird dieser Zusammenhang, weil auch die Häufigkeit bestimmter, sehr feuchter April-Wetterlagen von der Eisbedeckung beeinflusst werden könnte:

Abbildung 12: Tendenziell weniger in der Höhe zyklonale Wetterlagen über Deutschland im April, wenn die Arktis-Meereisbedeckung im Februar geringer war. Objektive Wetterlagen-Klassifikation des DWD, Näheres dazu hier

Aber was könnte den massiven Schwund des Arktis-Meereises ausgelöst haben? Es ist die schon in der Abbildung 5 erkennbare AMO, ein Index für die Meeresoberflächentemperatur des zentralen Nordatlantiks:

Abbildung 13: In AMO-Warmphasen, wie seit etwa 1990, wird mehr Wärme in das Eismeer eingetragen – das Eis geht zurück. Solche Warmphasen dauern aber vermutlich selten länger, als 25 bis 40 Jahre. Der beste, negativste Zusammenhang zeigte sich zwischen der AMO im Winter und der Eisbedeckung des Frühlings. Auch bei den einzelnen Frühlingsmonaten ist der Zusammenhang recht gut erkennbar, besonders bei März und April.

Weitere Telekonnektionen (Fernwirkungen)

Die Verhältnisse in der Stratosphäre beeinflussen die Zirkulationsverhältnisse ebenfalls; auch wenn die Zusammenhänge oft nur schwach erkennbar sind. Im Winter 2019/20 fielen die niedrigen Stratosphären-Temperaturen über der Arktis (kalter, kräftiger Polarwirbel) auf, welche den feuchten Westlagen-Mildwinter begünstigt haben. Obwohl sich der Polarwirbel im Frühling mehr oder weniger schnell auflöst, scheint er Nachwirkungen auf die Frühlingsniederschläge in Deutschland zu haben, sie fallen tendenziell geringer nach kalten Polarwirbeln im Winter aus:

Abbildung 14: Auf Winter mit einem sehr kalten, kräftigen Polarwirbel, hier anhand der 50 hPa-Stratosphärentemperaturen (Nordpol) dargestellt, folgen eher trockene Frühjahre in Deutschland. Trotz der fehlenden Signifikanz zeigten sich in den Jahren 1990 und 2007 ähnliche Verhältnisse.

Ähnliche, andeutungsweise Beziehungen zeigen sich zur Häufigkeit der antizyklonalen (und damit meist trockenen) Großwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY im Frühling – sie sind nach Wintern mit kalten Polarwirbeln häufiger zu verzeichnen. Und die polaren Stratosphärentemperaturen des Frühjahres selbst beeinflussen die Häufigkeit der oft dürren Ostwetterlagen über Deutschland sogar deutlicher:

Abbildung 15: Grenzwertig signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen der Stratosphärentemperatur (Nordpol) und der Häufigkeit der Ostwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY über Mitteleuropa im Frühling. Eine vergleichsweise „warme“ Stratosphäre über der Arktis scheint Ostlagen zu begünstigen.

Ähnlich könnte sich auch die stratosphärische QBO auswirken. Diese quasi-zweijährige Schwingung (kurz: QBO vom englischen „quasi-biennial oscillation“), auch quasi-biennale Oszillation, ist eine quasi-periodische atmosphärische Welle des zonalen Windes in der äquatorialen Stratosphäre der Erde. Tendenziell treten in negativen QBO-Phasen („Ostwindphasen“) kältere Winter und mehr Extremwetter auf, so etwa im Frühjahr 2018. Daten sind ab 1953 für mehrere Druckniveaus verfügbar; und wie die meisten Telekonnektionen, wirkt sie eher zeitverzögert. Die meisten Zusammenhänge zu den Großwetterlagenhäufigkeiten über Mitteleuropa sind nur schwach; ein etwas deutlicherer fand sich zwischen der QBO in 40 hPa im Januar und der Häufigkeit des Großwettertyps Süd nach HESS/BREZOWSKY im Frühling (diese fallen meist warm aus):

Abbildung 16: Grenzwertig signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen der QBO im 40 hPa-Niveau im Januar und der Häufigkeit des Großwettertyps Süd im Frühling über Mitteleuropa. In Westwind-Phasen der QBO treten mehr Südlagen auf; ganz markant war das 1983 zu beobachten.

Es deuten sich auch vage Beziehungen zwischen QBO und den Niederschlagsmengen an, die aber weit unterhalb der Signifikanz liegen. Bemerkenswert ist jedoch die langfristige Entwicklung des stratosphärischen Zonalwindes seit Vorliegen der Reihe (1953). Diese zeigte besonders von Mai bis Juli einen stark negativen Trend, was mehr und kräftigeren Ostwind bedeutet. Ähnliches zeigte sich in abgeschwächter Form auch im April, August und September; und nur im Winter war eine leichte Tendenz zu positiveren Werten (Westwind) erkennbar. Das ist eine mögliche Erklärung für die in den letzten Jahrzehnten gehäuft auftretenden Westwind-Mildwinter und die trocken-warmen Frühjahre und Sommer in Mitteleuropa. Die QBO wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von der Sonnenaktivität beeinflusst, was noch näherer Untersuchungen bedarf.

Abbildung 17: Trend zu negativen QBO-Werten im Mai – das bedeutet mehr Ostwind und könnte mehr Extremwetter in Mitteleuropa auslösen.

Abschließend sei noch kurz auf die ENSO (El Nino Southern Oscillation) hingewiesen, grob gesagt, beschreiben El Niño und die Southern Oscillation (ENSO) ein komplex gekoppeltes Zirkulationssystem von Erdatmosphäre und Meeresströmung im äquatorialen Pazifik. El Niño steht dabei eher für die ozeanischen Zusammenhänge, während die Südliche Oszillation bzw. Southern Oscillation für die atmosphärischen Zusammenhänge steht. Die Indexwerte dafür sind beim NOAA verfügbar. Auch hier bleiben signifikante Zusammenhänge zum Niederschlagsverhalten in Deutschland weit unter der Signifikanzschwelle; doch deutet sich an, dass bei positiven ENSO-Indexwerten tendenziell feuchtere Aprilmonate auftreten können. Weil die ENSO-Werte seit 1979 leicht gesunken sind, könnten sie somit zumindest einen kleinen Beitrag zu den abnehmenden Niederschlagsmengen im April geleistet haben.




Kälte nach dem Frühlings­anfang 2020 in Deutsch­land – wie unge­wöhnlich ist das?

Kalten Wintern folgen wegen der Erhaltungsneigung der Witterung oftmals auch eher späte, ganz oder teilweise kalte Frühjahre; diese Fälle (1987, 1996, 2006) sollen hier nicht betrachtet werden. Hier geht es nur um die Frühjahre nach auffallend milden Wintern, welche zwar tendenziell eher sehr zeitig beginnen und meist zu warm verlaufen, aber doch einzelne, kältere Phasen aufweisen können. Warum das so ist, soll nun erörtert werden.

Winter- und Frühjahreszirkulation unterscheiden sich meist grundlegend – warum?

Im Winter, so auch 2019/20, dominieren in Mitteleuropa oftmals Westwetterlagen, weil diese durch den dann besonders hohen Temperaturunterschied zwischen den immer gleich warmen Äquatorregionen und der im Winter besonders kalten Arktis begünstigt werden; doch ab dem März nimmt dieser Temperaturunterschied mit rasch länger werdenden Polartagen ab, so dass sich die Westdrift entweder abschwächt oder plötzlich auf Ost, Nord oder Süd umschlägt; außerdem verschwinden die riesigen, atlantischen Sturmtiefs. Der im Winter mehr oder weniger deutliche stratosphärische kalte Polarwirbel, welcher die milde Westdrift stützt, löst sich auf. Verschärft werden können diese durch den Jahreszeitenwechsel bedingten Zirkulationsstörungen außerdem durch Ostwindphasen der QBO (2018, 2020) und durch die gegenwärtig sehr geringe Sonnenaktivität. Im Langjährigen Mittel der Wetterlagen-Häufigkeiten zeigt sich dann auch die „Vorliebe“ der Frühjahrsmonate, besonders des April und Mai, für Ost-, Nord- und Südlagen:

Abbildung 1: Häufigkeitsverteilung der beiden „Großcluster“ Westanteil (violett) und meridional (grau, alle Nord-, Ost- und Südlagen) im Jahresverlauf. Westwetterlagen weisen, begünstigt durch die Erwärmung der Landmasse Eurasiens (das verschärft den Gegensatz zum Polarmeer nach dem Frühjahr wieder!) ein sekundäres Sommermaximum auf; meridionale ein undeutliches zweites Maximum im Herbst (mehr Südlagen!).

Der jähe, plötzliche Witterungsumschwung von West- zu Ostwetter am Frühlingsanfang 2020 passt also ausgezeichnet zu den langfristigen Witterungsverhältnissen und ist keine Folge eines „Klimawandels“. Er lässt vermuten (sicherer Langfristprognosen sind unmöglich!), dass auch dieser Frühling von Extremwetterlagen beherrscht werden könnte; ob das, ähnlich wie 2018 und 2019, zu jähen Temperatursprüngen und zeitiger, anhaltender Dürre führen wird, bleibt abzuwarten. Hier nun zwei Wetterkarten-Beispiele, welche zeigen, wie unterschiedlich die winterliche Westwind- und die frühlingshafte Ostwind-Zirkulation im Wetterkartenbild aussehen:

Abbildungen 2a und 2b: Windiges, mildes Westwetter am Rande eines großen, winterlichen Sturmwirbels über Nordeuropa am 23. Februar (2a, oben) und trocken-kaltes Wetter nur einen Monat später (unten, 2b). Hoher Luftdruck über Nordeuropa beherrscht nun den Kontinent; die winterlichen Sturmwirbel sind verschwunden. Abbildungsquelle Archiv wetter3.de

Weil aber die Sonne zum Frühlingsanfang noch nicht sehr viel Kraft hat, kann sie die aus Nordosten einfallende Kaltluft (Luftmassen xA und cP) kaum erwärmen; klirrend kalte Nächte und windig-kalte Sonnentage sind die Folge. Auch das angeblich erwärmend wirkende Klimagas CO2 konnte uns nicht vor dieser Kälte bewahren. Ohne Datumsangabe könnte man die Abbildung 2b auch für eine winterliche Hochdruckwetterlage halten; die Luftdruckwerte sind für diese weit fortgeschrittene Jahreszeit bemerkenswert hoch. Aber im Winter hätte uns „Stalins letzte Rache“, wie der verheerend kalte Nordostwind gerne auch genannt wird, eine gefrierende Ostsee bei Nachts strengstem und selbst tagsüber mäßigem Dauerfrost beschert. Doch warum gibt es bei ähnlichem Sonnenstand zum Herbstanfang im September niemals derartige Kältewellen? Eigentlich müsste doch der nach dem Sommer etwas geringere CO2-Gehalt der Luft eine Abkühlung fördern. Aber einerseits hat der Boden noch viel sommerliche Wärme gespeichert; doch vor allem der Bewölkungsgang und der Wasserdampfgehalt der Luft machen den Unterschied. Im Frühherbst ist die Luft absolut viel feuchter, denn die Vegetation transpiriert noch. Oft bildet sich nachts wärmender Nebel oder Hochnebel; tagsüber scheint nach Nebelauflösung die Herbstsonne. Ende März gibt es noch keine die Luft befeuchtende Vegetation; nach den klaren Frostnächten sorgen tagsüber außerdem der infolge der Konvektion auffrischende Wind und manchmal auch Quellwolken für nur geringe Erwärmung. Wesentlich ist nun auch der Zeitpunkt der Witterungsumstellung: Erfolgt er erst später im April, so konnte sich die Festlandsluft schon stärker erwärmen; die Nachtfröste fallen dann schwächer aus oder fehlen ganz.

Frühlingskälte nach sehr milden Wintern – alles schon mal da gewesen!

1975 gab es nach extrem milder Dezember- und Januarwitterung im Frühling wiederholte Kälterückfälle im März und vor allem im April; eines der wenigen Frühjahre, das nach einem extremen Mildwinter insgesamt zu kühl ausfiel.

1988 setzte ab Mitte Februar nasskaltes Spätwinterwetter ein und dauerte bis in den April fort; in den Mittelgebirgen lag der Schnee im März teils über einen Meter hoch. Es folgte ein dürrer, warmer Mai.

1989 erfolgten Anfang März und im April kurze Kälterückfälle; teils mit Schnee in einem ansonsten milden Frühling.

1990 setzte sich die enorme Wintermilde bis Anfang April fort, doch um den 10. April erfror in Mitteldeutschland nahezu die gesamte Kirschblüte. Erst im Mai kehrten Wärme und Trockenheit zurück.

1998 zeichnete sich der März durch wiederholte Kälterückfälle aus.

2007 folgte dem milden Rekordwinter ein Frühlingsanfang mit Schnee; Ähnliches war zu Ostern 2008 zu erleben.

2014 traten in einem sehr milden Frühjahr um den 17. April merkliche Nachtfröste auf; Schäden an der Vegetation blieben meist aus.

2016 überraschte am 1. April starker Schneefall in Weimar die Autofahrer; mittags war der Spuk ohne Vegetationsschäden vorbei.

2019 wechselten sich im April mildes und kaltes Ostwetter mit deutlichen Nachtfrösten ab; am 4. Mai fiel erstmals seit Mai 1987 wieder nasser Schnee bis ins Thüringer Flachland. Vegetationsschäden blieben meist aus.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher