Besonderheiten der Sommerwitterung 2019 – Zirkulationsstörungen ohne Ende?
Die Meteorologen H.- D. SCHMIDT hier und S. KÄMPFE hier hatten hier bei EIKE schon mehrfach über die aktuellen Zirkulationsstörungen und deren Ursachen berichtet. Hier erfolgen dazu einige Ergänzungen und Aktualisierungen.
Warum die „Siebenschläfer-Regel“ 2019 versagte
Die Siebenschläferregel gilt auch unter seriösen Meteorologen als eine der wenigen, brauchbaren Bauernregeln. Sie besagt etwa Folgendes: „Der Witterungscharakter und der Witterungstrend Ende Juni/Anfang Juli setzt sich in den folgenden Hochsommerwochen (meist) fort.“ Dabei sind zwei Dinge aber unbedingt zu beachten: Erstens kann ein einzelner Tag nie als Maßstab für die künftige Witterung gelten, und zweitens fällt der Siebenschläfertag wegen einer Kalenderreform von 1583 nicht auf den 27. Juni, sondern auf den 7. Juli. Meteorologisch geht es dabei um die Lage des Azorenhoch-Ablegers („Azorenhochkeil“) und des Jet-Streams: Liegen beide recht weit südlich, so herrscht über Mitteleuropa eine westliche bis nordwestliche Strömung mit dem typischen, feucht-kühlen Sommerwetter. Liegen aber beide weiter nördlich, so kann sich über längere Zeit trocken-warmes Hochdruckwetter behaupten, das aber nicht zwangsläufig genau sieben Wochen anhalten muss; bevorzugt gilt die Regel für den restlichen Juli. Zwei historische Wetterkartenbeispiele aus Jahren, in denen die Regel gut zutraf, jeweils vom 7. Juli, zeigen charakteristische Wetterlagen vor einem recht kühlen, wechselhaften und einem eher trocken-warmen Hochsommer:
So unterschiedlich diese Wetterlagenbeispiele auf den ersten Blick auch sind – gemeinsam ist beiden das Vorhandensein eines für Europa gerade im Juli charakteristischen zonalen Grundstroms („Westwetter“), gut erkennbar am Verlauf der Isobaren (weiße Linien), durchgehend von Nordamerika über den Nordatlantik nach Skandinavien/Osteuropa. Und genau das fehlte 2019:
Es ist also die Instabilität dieser längenkreisparallelen Strömungen, welche eine Anwendung der Siebenschläferregel in solchen Situationen verbietet – über den Sonderfall der zwar meridianen, aber mitunter sehr stabilen Ostwetterlagen wird gleich noch berichtet werden. Das „Umkippen“ der kühlen Nord- in eine heiße Südströmung kam dann auch im Juli 2019 nicht völlig überraschend, zumal diese Lagen schon im Hitze-Juni 2019 dominiert hatten:
Solche gelegentlichen Hitzewellen sind für unsere Sommer nicht ungewöhnlich; sie können selbst sehr kühle Sommermonate, wie etwa den Juli 1984, für wenige Tage unterbrechen. Ungewöhnlich war jedoch ihre Häufung im Juni 2019, denn der erste Sommermonat wird normalerweise von feucht-kühlen Nordwest- und Nordlagen dominiert („Schafskälte“).
Die Ostwetterlagen als Sonderfall der meridianen Lagen
Bei flüchtiger Betrachtung müssten die eher seltenen, aber für Extremwetter (Winterkälte, Sommerhitze, Dürre) sorgenden Ostwetterlagen zu den zonalen Lagen gehören – die Strömung verläuft bei ihnen ja auch breitenkreisparallel, bloß eben von Ost nach West. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass sich Ostströmungen über dem mittleren Europa und dem Nordatlantik zwischen etwa 40 und 65°N meist nur lokal, selten über mehr als 2.000 Km, erstrecken, während Westwetterlagen, siehe die Abbildungen 1a und 1b, in dieser Zone häufig über 5.000 Km und weiter reichen. Und an den West- und Ostflanken der Hoch- und Tiefdruckgebiete, welche bei Ostlagen wirksam sind, herrschen ausgedehnte meridiane Süd- und Nordströmungen. Ostlagen sind also ein Sonderfall der Nord- und Südlagen; die Weiterentwicklung der heißen Südlage vom 25. Juli 2019 zu einer Ostwetterlage bestätigt das eindrucksvoll:
Im Sommer 2019 waren die Ostlagen im Gegensatz zu den Süd- und Nordlagen keinesfalls außergewöhnlich häufig; aber die Entwicklung Ende Juli verlängerte die Hitzewelle, wenngleich in abgeschwächter Form. Eine Eigenschaft unterscheidet die Ostwetterlagen dennoch von den übrigen meridianen Lagen – sie zeichnen sich mitunter durch eine extreme Erhaltungsneigung aus. Sie entstehen nämlich oft bei so genannten „Omega-Lagen“ – die Form des Hochkeils in höheren Luftschichten (500 hPa) ähnelt dem griechischen Buchstaben Omega. Im heißen, dürren August 1997 hielt sich eine derartige Ostlage über 19 Tage in Folge:
Selbst wenn im Sommer 2019 andere meridiane Lagen vorherrschten, so trugen doch auch die Ostlagen zum Fehlen westlicher Großwetterlagen bei und förderten Hitze und Dürre in Mitteleuropa.
Zu wenige Westlagen im Sommer 2019 – wenn die Regenbringer ausbleiben
Das Ausbleiben längerer Phasen mit zyklonalen Westwetterlagen im Sommer hatte nicht nur angenehme Folgen (Wärme, Sonne), sondern verschärfte die schon im Vorjahr herrschende Dürre lokal weiter. Warum das so ist, zeigt ein Blick auf den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der zyklonalen Westlagen und der Regenmenge in Deutschland im Sommer:
Noch enger ist der Zusammenhang im Jahresverlauf, doch auch da waren Westwetterlagen in den meisten Monaten 2019 bislang zu selten:
Zirkulationsstörungen auch im August 2019 ?
Im langjährigen Mittel zeichnete sich der August bislang durch häufige Westwetterlagen, meist aber in der antizyklonalen Form, aus; doch angesichts der geringen Sonnenaktivität, welche auch den zonalen Grundstrom schwächt, wird das wohl eher nicht eintreten. Außerdem scheint der August auch keinesfalls ungewöhnlich warm auszufallen – der Sommer 2003 bleibt also unangefochtener Rekordhalter. Für diese (wahrscheinliche) Entwicklung sorgen zumindest einzelne Phasen mit nördlicher Anströmrichtung – ähnlich der Situation um den 7. Juli:
Freilich sind auch im weiteren Verlauf Wärmerückfälle und/oder häufigere Westlagen nicht ausgeschlossen, weil diese in der Jahreszeit Spätsommer typisch sind, doch werden uns die Zirkulationsstörungen wohl noch länger in Atem halten.
Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher