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Nahrung und Energie

Wir schließen uns dem nicht an. Auf unserer Radtour (Fahrrad, kein Motorantrieb) auf dem Weserradweg mussten wir oft landwirtschaftlichen Fahrzeugen ausweichen, die Bauern waren bei der Herbstbestellung. Einer versperrte uns den Weg mit seinem Traktor, dem sagten wir: „Wir warten gern. Sie üben den wichtigsten Beruf aus und sorgen dafür, dass wir jeden Tag zu essen haben. Wir dagegen sind hier nur zu unserem Vergnügen.“

Heute sollte jeder anständige Mensch den Landwirten sagen, dass man auf ihrer Seite steht. Weniger Lob verdienen die Ökobauern. Sie ernten auf der gleichen Fläche nur die Hälfte. Ihre Wirtschaftsweise ist eine enorme Landverschwendung. Deutschland kann sich heute weitgehend selbst ernähren und erzeugt sogar einen Überschuss an Weizen. Hätten wir nur Ökobetriebe, müssten wir die Hälfte unserer Nahrungsmittel importieren. Anderswo in der Welt müsste noch einmal die gleiche Fläche für uns beackert werden.

Am Weserradweg gibt es noch Landschaft, Windräder wurden noch nicht flächendeckend aufgebaut. Am Freitag, den 20.09.2019, war wenig Wind. Die Windräder standen still oder drehten sich ganz langsam, was aber nichts mehr bringt. Die Leistung sinkt mit der 3. Potenz der Windgeschwindigkeit. Ist z.B. die Geschwindigkeit ein Viertel der optimalen, dann wird nur noch 1/64 der Leistung erreicht, also praktisch nichts.

Ganz anders das Kernkraftwerk Grohnde. Von den beiden Kühltürmen stieg eine mächtige Dampfwolke zum Himmel und löste sich erst in großer Höhe auf. Offensichtlich lief das Kraftwerk mit voller Leistung. In der Nähe des Kraftwerks standen 6 Windräder still. Diese stillstehenden Subventions-Beschaffungs-Maschinen machten neben dem mit voller Leistung laufenden Kraftwerk doch einen recht erbärmlichen Eindruck. Aber dergleichen Ökogerümpel soll mehr werden, und funktionierende Kernkraftwerke werden stillgelegt!

Das tut man nur in Deutschland. Zwar wollen auch ein paar andere Länder wie z.B. die Schweiz keine weiteren Kernkraftwerke bauen, aber die vorhandenen lässt man laufen, bis an ihr natürliches Ende. Wo Unfälle geschehen sind, USA, Ukraine, auch Japan, werden dagegen neue Kernkraftwerke gebaut!

In Deutschland vernichtet die Politik Milliardenwerte. Aber wollen das nicht die Leute? Das können die nicht beurteilen. Wer hat denn schon einmal schlechte Erfahrungen mit Radioaktivität gemacht? Nein, die Strahlenhysterie wurde den Leuten eingeredet, von Menschen ohne irgendwelche naturwissenschaftlichen Kenntnisse. Es ist offenbar die Aufgabe der Medien, diese Strahlenhysterie aufrecht zu erhalten, um damit den Kampf gegen die Kerntechnik zu rechtfertigen.

Von unserer Tour zurückgekehrt, lasen wir in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen Artikel von einem Felix Lill unter dem Titel „Fukushima – Katastrophe bleibt ungesühnt.“ Herrn Lill fehlen offenbar außer naturwissenschaftlichen auch juristische Kenntnisse. Die Tepco-Führung wurde freigesprochen. Hier wird oft gesagt: Wie konnten die Japaner die Anlage nur mit einem Schutz gegen 6 m hohe Tsunamiwellen versehen, wo es doch in Japan schon weit höhere Wellen gegeben hat! Ja, anderswo, aber an dieser Stelle galt das als unmöglich, sagte mir eine Meeresgeologin. Freispruch bedeutet, es liegt keine Schuld vor, oder es konnte zumindest keine nachgewiesen werden. Freispruch bedeutet nicht, eine Tat bleibt ungesühnt. Oder möchte Herr Lill das japanische Rechtssystem ganz allgemein als korrupt darstellen?

Wer ist Herr Lill? Im Internet stellt er sich vor als jemand, der Japanisch versteht. Ich kann es immerhin übersetzen und habe die Zeitungsberichte in der „Asahi Shimbun“ verfolgt. An weiteren Informationsquellen nutze ich den offiziellen Bericht des Bezirks Fukushima über die Durchführung von Schilddrüsenuntersuchungen 2012, und Quellen nicht in japanischer Sprache wie die Berichte der WHO (World Health Organization), UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation), GRS (Gesellschaft für Reaktorsicherheit), Strahlenschutzkommission u.a. Da sieht die Sache doch anders aus als bei Herrn Lill. Er schreibt: „Bis heute können Zehntausende nicht in ihre Heimat zurückkehren.“Richtig ist, dass 43.000 Personen aus der Präfektur Fukushima anderswo leben.

Als Ursache wird das Kraftwerk (NPS) als letztes genannt. Viele kehren nicht zurück, weil es ihr Haus nicht mehr gibt. Daran ist der Tsunami schuld, nicht das Kernkraftwerk. Manche haben sich an ihrem neuen Wohnort eingerichtet und wollen nicht wieder umziehen. Eine große Rolle spielt die Strahlenangst, die auch in Japan künstlich erzeugt wurde.

Evakuiert wurde, wenn Lebensdosen über 50 mSv zu erwarten waren. Da aber noch niemand bei Dosen unter 100 mSv glaubwürdig biologische Effekte gefunden hat, wenn diese Dosis in kurzer Zeit einwirkt, ist nichts zu erwarten, wenn sich solche Dosen auf das ganze Leben verteilen. 100 mSv bekommt übrigens ein Astronaut in 150 Tagen ab. Also, die Leute könnten zurückkehren, aber sie wollen nicht oder sie dürfen nicht.

Wo das Gebiet wieder freigegeben wird, werden viele aus Angst vor Radioaktivität nicht zurückkehren, wie eine Umfrage der „Asahi Shimbun“ zeigt.

„In der Präfektur Fukushima ist seither das Aufkommen von Schilddrüsenkrebs auffallend hoch“,schreibt Herr Lill. Die äußerst gründlichen Untersuchungen der Japaner sind nicht zu diesem Ergebnis gekommen. Es ist auch unwahrscheinlich. Zwar hat es eine erkennbare Steigerung der Zahl von Schilddrüsenerkrankungen im Gebiet von Tschernobyl wirklich gegeben. Die Dosen um Fukushima waren aber nur ein Zehntel so hoch. Es wurden nicht etwa Krankheitsfälle registriert, sondern untersucht wurde jede und jeder, und da fand man Veränderungen an Schilddrüsen. Die allermeisten hätten den Betreffenden niemals Probleme gemacht. Die Zahl der Fälle hing keineswegs mit der Höhe der Strahlenbelastung im betreffenden Gebiet zusammen. WHO und UNSCEAR halten eine leichte Erhöhung der Anzahl von Schilddrüsenerkrankungen für möglich, sagen aber, die Untersuchungsergebnisse wären dafür kein eindeutiger Beweis.

Eine weitere Behauptung von Herrn Lill: „Arbeiter, die sich an den Katastrophentagen für die nationale Sicherheit opferten und im Kraftwerkskomplex blieben, starben später an Krebs.“Da mehr als ein Viertel aller Menschen an Krebs sterben, sind Krebsfälle natürlich zu erwarten, aber hat das etwas mit dem Kraftwerk zu tun?

Nach den Daten von Hiroshima und Nagasaki ist ziemlich sicher: Erhalten 100 Personen je eine Dosis von 1 Sievert (Sv), dann wird es 5 zusätzliche Krebsfälle geben. Nun berichtet UNSCEAR, dass nur 6 Arbeiter Dosen über 250 mSv erhalten hatten, der höchste Wert betrug 679 mSv = 0,679 Sv. Man rechnet linear (für Herrn Lill sicher nicht nachvollziehbar):

Als mittlere Dosis nehmen wir 400 mSv an, dann wären pro 100 Betroffene 5 x 0,4 = 2 Krebsfälle zu erwarten. Es betraf aber nur 6 Arbeiter, also 6 : 100 = x : 2; x = 0,12, also 0,12 Krebstote. Das heißt: Es ist unwahrscheinlich, auch nur einen Fall zu finden. Und so war es. Ein Fall wurde anerkannt, was aber nicht das gleiche ist wie bewiesen. Dieser hatte eine Dosis von 195 mSv abbekommen, sehr unwahrscheinlich, dass das seinen Lungenkrebs auslöste. Aber den Hinterbliebenen brachte diese Anerkennung als Arbeitsunfall mehr Geld.

Ganz besonders mutig waren 3 Arbeiter, die am 24.03.2011 in der überschwemmten Reaktorhalle ohne Gummistiefel in dem radioaktiven Wasser herumwateten, um Kabel zu verlegen. Deren Strahlendosen lagen zwischen 173 bis 180 mSv für den ganzen Körper, aber bis zu 3 Sievert an den Beinen. Laufen diese Leute heute noch herum? Ich denke schon, wären sie gestorben, wäre das berichtet worden. Offenbar starb niemand an Krebs, der eine Fall ist sicherlich nur als Entgegenkommen gegenüber den Hinterbliebenen zu verstehen.

Wieso befassen sich Leute wie Herr Lill mit Fragen der Technik, wenn sie schon in der Schule gemerkt haben, dass sie Naturwissenschaft und Mathematik nie begreifen werden? Gestern hörte ich von einem Politologen, einem grünen Politiker: „Kernkraftwerk Grohnde sofort stilllegen.“

Wir leben in einer technischen Welt, in der die Leute den Ton angeben, die nichts davon verstehen. Wer etwas kann tut’s, wer nicht, wird Politiker oder Journalist. Es wird bös enden.

 

 




Der ausgeblieben Weltuntergang – was ist eigentlich in Fukushima los?

Fast 100 Kernkraftwerke auf der ganzen Welt hatte ich schon gesehen. Ich war auch in Japan – allerdings war Fukushima noch nicht dabei. Meine Organisation hatte sich als zahnloser Tiger entpuppt und auf der ganzen Linie versagt. Ich wäre am liebsten vor Scham in den Boden versunken. Noch am gleichen Abend meldete ich mich freiwillig, um in Fukushima den Kollegen zu helfen. Ich war nicht der Einzige – hunderte Ingenieure der Nuklearindustrie taten das.

Die Erdachse wurde verschoben

Am 11. März 2011 um 14:46 Uhr Ortszeit traf Japan ein schweres Erdbeben. Die Pazifische Platte schob sich ruckartig fünf Meter auf die Nordamerikanische Platte. Die Erdkruste riss auf einer Länge von 400 Km bis in eine Tiefe von 60 km auf. Das Tohoku-Erdbeben vor der Küste von Fukushima wurde mit 9,1 auf der Richterskala bewertet. Die freigesetzte Energie des Bebens war äquivalent der Energie von 780 Millionen Hiroshima-Bomben. Das Erdbeben war so schwer, dass sich die Erdachse um 16 cm verschob – seither dreht sich die Erde etwas schneller, die Tageslänge verkürzte sich um 1,8 Mikrosekunden. 400.000 Gebäude stürzten ein. Alle Kernkraftwerke Japans schalteten sich bei dem Beben automatisch ab und gingen in den Notkühlbetrieb über. Das Stromnetz in großen Landesteilen wurde erheblich beschädigt.

Als Folge des Bebens verwüstete ein gigantischer Tsunami die Küstenregion von Fukushima. 22.000 Opfer waren zu beklagen. Das Kernkraftwerk Fukushima mit seinen sechs Reaktor-Blöcken wurde von einer Wasserwelle von 14 Metern Höhe getroffen und vier tiefer gelegenen Reaktorblöcke wurden überschwemmt und völlig verwüstet. Mit dem kleinen Finger ihrer linken Hand drückte die Flutwelle die eisernen Maschinenhaustore der Reaktorblöcke auf und verwandelte die Turbinen-Gebäude in U-Boote, in denen das Wasser fünf Meter hochstand. Dort befanden sich aber auch die Notstromdiese, deren Funktion für diese Anlagen jetzt überlebenswichtig war. Die umfangreichen Sicherheitseinrichtungen des Kraftwerkes mussten ohne Notstromversorgung versagen und die Reaktorkerne überhitzten sich bis zur Teilschmelze. Das nennt der Fachmann GAU – Größter Anzunehmender Unfall. Durch eine Hitze-Reaktion des Zirkoniums der Brennelemente mit dem Wasserdampf entstanden große Mengen an Wasserstoff, der in Verbindung mit Luftsauerstoff als Knallgas gerne explodiert.

Japans Sicherheitskultur versagte

Zweifelsfrei hatte hier die Unfallvorsorge des Energieversorgers TEPCO (Tokyo Electric Power Company) versagt. Die Welt verstand Japan stets als ein Hochtechnologie-Land und lernte nun: „Hochtechnologieland“ bedeutet nicht unbedingt „Hochsicherheitsland“. Es war Japans Sicherheitskultur,die versagt hatte.

Die Bilder der Wasserstoffexplosionen in Fukushimawurden weltweit als explodierende Reaktoren wahrgenommen. Als wäre eine solche Katastrophe nicht genug, wurde der GAU in Fukushima mittels dieser Bilder von den deutschen Medien im Einklang mit der Politik regelrecht orchestriert und in einen Super-GAU erhöht. Einen Supergau gibt es sprachlich gar nicht, da GAU schon „Größter Anzunehmender Unfall“ heißt. Eine ungeheuerliche Medienkampagne brach in Deutschland los und spülte ganz nebenbei in Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten an die Macht. Der ARD-Korrespondent Robert Hetkämper relotierte damals darüber, dass in Fukushima Obdachlose und Jugendliche in einem Kamikaze-Einsatz verheiztwürden. Eine heute amtierende Bundestagspräsidentin widmete kurzerhand die Tsunamiopfer zu Strahlenopfernum. Nichts davon stimmte. Es gab keine Strahlenopfer in Fukushima. Die sieben Todesopfer im Werk fielen dem Erdbeben – ein Kranführer stürzte von seinem Kran ab – oder dem Tsunami zum Opfer – sie ertranken in den Fluten.

Die Angst der deutschen Politik vor dem Zeitgeist

Was ist aus den Weltuntergangs-Szenariengeworden, die von den Medien angeheizt, Panik über den Erdball verbreiteten? Nichts, rein gar nichts – außer, dass der Tsunami in Fukushima in Deutschland mehr Kernreaktoren zerstört hat, als im fernen Japan. Ließ doch die deutsche Kanzlerin auf der Tsunamiwelle reitend für ein paar Wählerstimmen einen ganzen Industriezweig gesetzwidrig enteignen, indem die gültigen Betriebsgenehmigungen deutscher Kernkraftwerke eingezogen wurden. Acht Blöcke wurden sofort abgeschaltet, die restlichen werden bis 2022 außer Betrieb genommen – aus Angst vor einem Tsunami in der deutschen Tiefebene?

Nein, aus Angst vor dem Zeitgeist. Genützt hat es der CDU nichts. Die Wahl in Baden-Württemberg hat sie damals trotzdem nicht gewonnen. Und den deutschen Steuerzahler hat die Kanzlerinnenpanik viele Milliarden gekostet, Milliarden, die anderswo dringend gebraucht wurden. Deutschland hat sich durch den Abschied von der Kernenergie meilenweit vom Erreichen seiner selbstgesetzten Klimaziele entfernt. Lernen aus Fehlern? Das muss in Deutschland nicht sein. Jetzt wird – genau mit der gleichen Panikmache – ein weiterer Ast abgesägt, auf dem der deutsche Wohlstand sitzt. Die Gretaisierung der deutschen Politikschreitet auch heute noch unaufhaltsam und majestätisch wie eine Tsunamiwelle voran. Und genau so verheerend wie ein Tsunami wird auch die Wirkung sein. Aber ach – das sagend fühle ich mich wie Kassandra– die der Legende nach begabt war, die Zukunft vorherzusagen und dazu verdammt war, dass ihr niemand Glauben schenkte.

Was wurde aus der Zone der Evakuierung?

Unmittelbar nach dem GAU wurde eine 20km-Zone um das havarierte Kraftwerk von der japanischen Regierung evakuiert. Ob dies notwendig und besser für die Betroffenen war, darüber lässt sich unter Strahlenschutzgesichtspunkten trefflich streiten. Ich glaube, es war eher kontraproduktiv. In den letzten Jahren wurde die Evakuierungszone aufwendig dekontaminiert, ein Vorgang, den man sich in Deutschland nicht vorstellen mag. 15,2 Millionen Kubikmeter „kontaminiertes Erdreich“ wurden in der Präfektur Fukushima abgetragen und in 150.000 speziellen Lagerstättenverstaut. Die Strahlenbelastung in Fukushima Stadt ging von 2,74 Mikrosievert nach dem Unfall auf heute normale Werte von 0,14 Mikrosievert zurück. Ich bin kein Strahlenschutzexperte. Deshalb ein paar etwas laienhafte Erklärungen dazu. (Zum einfacheren Vergleichen gebe ich die Werte in Mikrosievert pro Stunde (μSv/h) und gerundete Zahlen an. In einigen gesperrten Teilen der Evakuierungszone sind die Werte deutlich höher).

Die Luftstrahlung an der Messtation Odaka – 15 km vom Kernkraftwerk Fukushima Daiichi entfernt und typisch für die wieder zum Heimkehren freigegebenen Bereiche – beträgt 0,14 μSv/h. Das liegt leicht über dem normalen Strahlungsniveau von z.B. New York, ist aber etwas niedriger als in Rom und deutlich niedriger, als in einigen Gebirgsregionen Deutschlands. Eine der höchsten natürlichen Strahlenbelastungen weltweit findet sich im iranischen Ramsar mit Spitzenwerten der effektiven Dosis von 14μSv/h. Zum weiteren Verständnis: 5-10μSv werden für einmaliges Zahnröntgen appliziert und mehr als 50μSv für einen einfachen Flug von Tokio nach New York.  Noch ein Beispiel: 12.000 Computertomografien werden in Deutschland pro Jahr durchgeführt.  Bei einer Ganzkörper-CT werden zwischen 1000μSv und 10.000μSv verabreicht.

Mehr als die Hälfte der Evakuierungszone von 371 Quadratkilometer wurde inzwischen wieder für die Bevölkerung zum Wiederbezug freigegeben. Insgesamt kehrten etwa 50.000 Einwohner (2,6% der Bevölkerung der Präfektur) nicht in ihre angestammte Heimat zurück. Selbst in die Dörfer nahe des Kraftwerkes Fukushima kehrt das Leben langsam zurück. Es wird aber noch Jahre dauern, bis die Narben des Unglücks verheilt sind. Zum Beispiel sind in Odaka Town, etwa 15 km vom Kraftwerk entfernt, erst ein Drittel (2.832 von einst 8.313) der Einwohner zurückgekehrt. Oder in Nami-Town – das erst 2017 freigegeben wurde – sind von den einst 20.000 Einwohnern erst 500 zurück.

Viele der hastig Evakuierten haben in den letzten sieben Jahren eine neue Heimat gefunden und wollen gar nicht zurückkehren. Einige haben auch Angst vor Strahlung und bleiben lieber woanders. Es kommen aber auch Menschen von anderswo nach Fukushima, um sich mit den Unterstützungsprogrammen der Regierung hier eine Existenz aufzubauen. Die „Todeszone“ ist längst wieder zum Leben erwacht.

Das Soma NomaoiSamurai-Festival zog jedenfalls im Jahr 2018 über 40.000 Besucher nach Fukushima an. Und landwirtschaftliche Produkte, wie die berühmten Fukushima Pfirsiche, sind wieder gefragt. Doch das ist hierzulande keine Nachrichten wert, da schüttelt sich der deutsche Haltungsjournalistvor Abscheu.

Wie sieht es heute auf dem Kraftwerksgelände aus?

Eines Vorab: Das Kraftwerk Fukushima ist heute eine Touristen-Attraktion.  Tausende Nuklearexperten besuchen jährlich das Gelände. Welcher Nuklearexperte möchte sich nicht adeln, indem er sagt: „Ich war in Fukushima“. Es bestehen lange Wartelisten für den Fukushima-Entgruselungsbesuch. Aber es gibt auch genügend normale „23.000 Yen-Sensationstouristen“, die das Kraftwerksgelände wenigstens von Weitem sehen wollen. Ich kann mir schönere Orte für meinen Japanbesuchvorstellen.

Die Aufräumarbeiten haben von den hiesigen Medien völlig ignoriert gute Fortschritte gemacht. TEPCO veröffentlicht in regelmäßigen Abständen ein Vorher-Nachher-Videomit der gegenwärtigen Situation auf dem Gelände des havarierten Kraftwerkes – sehenswerte acht Minuten.

Mehr als 6.000 Menschen arbeiten an dem Rückbau des havarierten Kraftwerks und vollbringen Leistungen, die den hiesigen Medien höchstens negative Erwähnungwert sind. Was die linken Journalisten am meisten ärgern dürfte und nicht ins Weltbild passt: auf dem riesigen Gelände des havarierten Kraftwerks verkehrt ein fahrerloses vollelektrisches Bussystem. Gäbe es das woanders, wären die Jubelmeldungen endlos. Aber – das Kraftwerksgelände ist dekontaminiert und neue Sozialgebäude sowie eine komplett neue Infrastruktur für den Rückbau wurden errichtet.

Im Block 1 wird das zerstörte Gebäude repariert und der Kernbrennstoff aus den Abklingbecken entfernt. Auch das Gebäude des Blockes 2 wurde abgedichtet und die Entfernung des Brennstoffes aus den Becken wird vorbereitet. Am Block 3 wurde ein neues Dach installiert und der Abtransport des Brennstoffes aus den Becken wird vorbereitet. Block 4 ist vollkommen brennstofffrei. In den Reaktoren eins bis drei untersuchen Roboter den Zustand der teilweise geschmolzenen Reaktorkerne, um auch hier den Brennstoff zu entfernen. Dies wird aber noch ein paar Jahre dauern.

Um das Grundwasser am Eindringen und Ausfließen zu hindern, wurde um das gesamte Kraftwerk eine 1500 Meter lange und 30 Meter tiefe Eis-Mauerin den Boden gefroren. Sie funktioniert wie ein Kühlschrank. Durch tausende von in die Erde getriebene Rohre fließt Kühlflüssigkeit, die das Erdreich wie eine Mauer gefrieren lässt – eine technische Meisterleistung, von der Sie, lieber Leser wohl kaum je etwas gehört haben. Der verlinkte Artikel ist in Englisch, da ich keinen deutschsprachigen Beitrag finden konnte. Daher gilt hier ironisch der erste Haferburgsche Medien-Lehrsatz: „Die deutschen Medien informieren mich umfassend und wahrheitsgemäß – außer auf dem Gebiet, von dem ich etwas verstehe“.

Nach dem Unfall mussten die Aufräumarbeiter anfangs unter Vollschutzkleidung und Atemmasken arbeiten. Heute, dank Dekontamination, können sich die Arbeiter auf 96% des gesamten Geländes in normaler Kleidung ohne Masken bewegen. Mehrere neue Wasseraufbereitungsfabriken dekontaminieren das in den Tanklagern aufgefangene radioaktive Wasser. Diese Wässer werden noch in großen neuen Tanklagern zwischengelagert, in denen die provisorischen Tanks durch neue, geschweißte Tanks ersetzt wurden. Die Küstenmauer des Kraftwerkeswurde komplett neu wasserdicht erbaut. Große Lager für niedrigradioaktiven Bauschutt wurden eingerichtet.

Japan wird Vorreiter

Wer sehen will, was am 11. März 2011 wirklich in den Reaktoren von Fukushima passierte, sehe sich dieses Videoan. Roboter dringen in das Innerste der kaputten Reaktoren ein und zeigen die teilweise geschmolzenen Reaktor-Bauteile. So schlimm der Gau auch war – Japan erarbeitet sich gerade eine echte Vorreiterrolle im Bauen von Robotern, die schier Unmögliches vollbringen. Und man sieht den Ingenieuren den Stolz auf ihre Geräte an, auch wenn man kein Japanisch kann.

Bis 2011 erzeugte Japan ein Drittel seines Stroms aus Kernenergie. Da Japan kaum über eigene Energieressourcen verfügt, belastet der Import von Energieträgern die Japanische Industrie sehr hoch und gefährdet ihre Wettbewerbsfähigkeit. Anders als in Deutschland neigen die Japaner nicht zur Klima- und Atomhysterie. Deshalb wurde ein Atomausstieg nach Fukushima nicht in Betracht gezogen. Im Gegenteil, die Japaner lernen aus ihren Fehlern. Japan rüstet seine 37 Reaktoren sicherheitstechnisch nach und nimmt sie sukzessive wieder in Betrieb. Die ersten zwei Einheiten wurden bereits 2015 wieder angefahren. Sieben weitere Reaktoren laufen heute wieder. 17 weitere Reaktoren befinden sich gegenwärtig im Prozesse der Wiedererteilung der Betriebsgenehmigung.

Ich habe mir die neuen Sicherheitsmaßnahmen vor Ort in Kashiwazaki Kariwapersönlich angesehen, sie sind durchaus beeindruckend. Gigantische Flutwälle, zusätzliche flutsichere Notstromaggregate, unabhängige Notkühlaggregate, erdbebensichere Notfallgebäude, Vorräte für autarke Langzeitversorgung der Mannschaft, strukturunabhängige Notfallkommunikationsmittel…  Getan wird, was menschenmöglich ist, um ein zweites Fukushima zu verhindern. Getan wird alles, damit die Kernkraftwerke wieder angefahren werden können. Weil sie, so seltsam das klingt, von der Regierung für eine sichere Energieversorgung als notwendig erachtet und von der Bevölkerung akzeptiert werden.

Die deutsche Energiewende scheitert am Atomausstieg

Trotz der gigantischen Geldausgaben von über 500 Milliarden Euro wird Deutschland seine selbstgesteckten Ziele der CO2 Einsparung für das Jahr 2020 völlig verfehlen. Die Energiewende ist gescheitert. Die Hauptursache für dieses Totalversagen ist der überstürzte Atomausstieg. Kernkraftwerke sind nun mal die einzige CO2-freie wetterunabhängige Grundlastquelle. Gerichtet werden soll es jetzt mit einem genauso überstürzten Kohleausstieg. „Aussteigen ohne Einzusteigen“ ist das Motto, oder „Mehr vom Selben“. Wahnsinn ist, wenn man versucht, mit mehr von denselben Mitteln, die vorher schon nichts brachten, ein besseres Ergebnis zu erzielen.

Um das eigene Komplettversagen in der Energiepolitik zu vernebeln, verweist die Politik jetzt auf Zeiträume weit außerhalb ihrer Legislaturperioden-Kompetenz. So werden halt andere Politiker für das Nichterreichen der nächsten Ziele und die Damit verbundene Geldverschwendung verantwortlich sein. Beim Pro-Kopf Ausstoß von CO2rangiert Deutschland derzeit mit ca. 9 Tonnen pro Jahr auf Platz 24. Die Sieger der „Dekarbonisierung“ auf Platz 1 bis 5 heißen Kongo, Niger, Äthiopien, Südsudan und Eritrea mit je weniger als 0,5 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr.

Liebe deutsche Landsleute, sollten Gretasund der GrünenForderungen nach „der Änderung von Allem“ umgesetzt werden, dann wisst Ihr jetzt, wo es hingeht. Und vielleicht meinte ja Angela Merkel genau das, als sie davon sprach, dass die deutsche Politik „Fluchtursachen beseitigen“ muss. Nämlich dann, wenn Deutschland es schaffen würde, einen CO2-Ausstoß von kleiner als einer Tonne pro Kopf zu erreichen. Dann bestünden absolut keine Fluchtursachen nach Deutschlandmehr. Die Politik ist auf einem guten Weg dazu.

 

Manfred Haferburg ist Autor des Romans „Wohn-Haft“. Der Roman beschreibt auf spannende Weiseden aussichtslosen Kampf eines Einzelnen gegen ein übermächtiges System. Ein Kampf, der in den Schreckensgefängnissen des sozialistischen Lagers endet. Ein Kampf, in dem am Ende die Liebe siegt. Wolf Biermann schrieb dazu ein ergreifendes Vorwort. Der 524 Seiten Roman ist als Hardcover zum Verschenken für 32€, als E-Book für 23,99€ und als Taschenbuch für 20€ erhältlich. (Amazon 36 Kundenbewertung 4,5 von 5 Sternen)

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT




Fukushima: Schuldige werden gesucht

Als am 11. März 2011, einem Freitag Nachmittag um 14 Uhr 46 (japanischer Zeit), ein Seebeben der Magnitude 9,0 die vier Kernkraftwerke im Ortsteil Daiichi durchrüttelte, war die Welt, vergleichsweise, noch in Ordnung. Drei Reaktoren schalteten sich selbstständig ab, der vierte war wegen Wartungsarbeiten gar nicht in Betrieb. Die elektrische Stromversorgung des umliegenden Netzes war zwar ausgefallen, aber die für solche Fälle bereitstehenden Diesel sprangen automatisch an und sicherten die Kühlung der Reaktorkerne mit Wasser.

Eine Stunde später traf ein Tsunami von 14 Metern Höhe ein und überschwemmte den nur 5,7 Meter hohen Schutzwall sowie alle Dieselaggregate, die im Keller angeordnet waren.. Die Notstromversorgung kam zum Erliegen und die Urankerne der Reaktoren heizten sich wegen der weiterhin generierten Nachwärme stetig auf. Der erzeugte heiße Wasserdampf reagierte chemisch mit dem Zirkonmetall der Brennstabhüllen unter Freisetzung von Wasserstoff. Einen Tag danach kam es beim Reaktor Fukushima 1 (später bei den Reaktoren 2 und 3) zu einer heftigen Knallgasexplosion, welche das Reaktorgebäude massiv beschädigte und undicht machte. Die Urankerne waren inzwischen ganz oder teilweise geschmolzen und führten zur Freilassung der radioaktiven Gase Jod, Cäsium und Strontium in die Umgebung. Hier setzt die Kritik ein, die man unseren japanischen Freunden nicht ersparen kann.

Chaos bei der Konzernzentrale TEPCO in Tokio

Im Hauptquartier der Betreibergesellschaft TEPCO („The Tokyo Electric Power Company“) in Tokio war man über die bedrohliche Situation im 300 Kilometer entfernten Fukushima sehr wohl unterrichtet. Aber in den wichtigen Stunden nach dem Ausfall der Diesel-Notkühlung wurde dort viel Zeit verschwendet und es wurden eine Reihe falscher Entscheidungen getroffen. Statt mobile Notstromgeneratoren und Pumpen schnellstens per Hubschrauber aus Tokio heranzuschaffen, ließ man die vergleichsweise schwachen betrieblichen Batterien  leerlaufen. Die Manager bei Tepco in Tokio waren nicht in der Lage, die Betriebsleute vor Ort wirkungsvoll zu unterstützen. Zur gleichen Zeit offerierte die US-Regierung – welche die Gefährlichkeit der Lage von Anfang an richtig einschätzte – der japanischen Regierung ihre sofortige Hilfe. Aus militärischen Beständen auf den japanischen Stützpunkten wären Pumpenwägen, unbemannte Drohnen und Messroboter zur Verfügung gestellt worden. Doch der japanische Ministerpräsident Naoto Kan lehnte höflich ab; ein Asiate will eben sein Gesicht nicht verlieren.Auch zwischen Tepco und dem Regierungschef funktionierte die Kommunikation nicht. Als Kan die Konzernmanager am Tag nach dem Störfall zur Berichterstattung empfing, erzählten ihm diese alles Mögliche – nur nicht, dass es wenige Stunden vorher bei Block 1 zu einer Wasserstoffexplosion gekommen war. Der Ministerpräsident erfuhr das erst nach der Sitzung von den Presseleuten und war entsprechend wütend. Beispielhaft für die verspätete und lückenhafte Informationspolitik der Tepco ist weiterhin, dass der Konzern die japanische Öffentlichkeit erst Mitte Mai – also volle zwei Monate nach Beginn des Unglücks – darüber unterrichtete, dass in allen drei Reaktoren die Urankerne zumindest angeschmolzen waren.

Ein Drama für sich war die Entscheidung zum Bespritzen der Reaktorkomponenten mit Meerwasser aus Feuerwehrschläuchen. Der Anlagenleiter Masao Yoshoda forderte die Genehmigung für diese Maßnahme von seinen Chefs in Tokio an, insbesondere um die hochgefährdeten Reaktortanks sowie die innenliegenden Brennelemente abzukühlen. Die Manager bei Tepco sträubten sich längere Zeit dagegen, gaben aber schließlich doch die Zustimmung – um sie 21 Minuten später wieder zurückzuziehen. Angeblich hatte man „aus der Umgebung des Ministerpräsidenten gehört“, dass dieser ebenfalls dagegen sei. Das war jedoch nur vorgeschoben. In Wirklichkeit wusste die Tepco-Zentrale,  dass nach dem Einpumpen des korrosiven Meerwassers die Kernkraftwerke „kaputt“ sein würden. Den Anlagenchef im fernen Fukushima focht dies jedoch nicht an. Geradezu einmalig für japanische Verhältnisse ignorierte er den Stopp-Befehl aus Tokio und besprühte weiterhin seine Reaktoren mit Meerwasser. Auch der Anweisung „zum Verlassen der Anlage“ kam er nicht nach. Dabei hatte er die Unterstützung des Ministerpräsidenten, der darin ein „unheilvolles Fanal“ gesehen hätte. Ein Kapitän verlässt eben nicht seine Brücke.

Späte Anklage

Erst sechs Jahre nach dem Unglück von Fukushima wurde gerichtlich Anklage erhoben. Vorher hatte es die Staatsanwaltschaft von Tokio zwei Mal abgelehnt, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Nach ihrer Argumentation sei es unmöglich gewesen, die katastrophalen Abläufe vorher zu sehen, weshalb es auch keine Schuldigen bei dieser Katastrophe gegeben habe. Der Prozess kam schließlich nur aufgrund des selten angewandten Verfahrens zweier „Bürger-Jurys“ zustande, welche die Regierung zu einer Anklage förmlich zwangen.

Es ist das erste strafrechtliche Verfahren in Japan zur Aufarbeitung eines Atomunfalls. Angeklagt ist der 77 Jahre alte frühere Vorstandsvorsitzende Tsunehisa Katsamuta, sowie seine beiden Vizepräsidenten Sakae Muto (66) und Ichiro Takekura (71), allesamt frühere Manager der Betreiberfirma Tepco. Ihnen wird vorgeworfen, ihre dienstlichen Pflichten vernachlässigt zu haben. Unter anderem lastet die Anklage den Managern den Tod von 44 Patienten bei der überhasteten Evakuierung eines Krankenhauses an. Wie in Japan so üblich, verbeugten sich die Angeklagten tief vor Gericht, plädierten aber im Übrigen auf „unschuldig“.

Klar ist, dass das Risiko einer großen Flutwelle im Nordosten Japans lange vor dem Unglück bekannt war. Schon im Jahr 2002 schätzten Fachleute der Regierung in einem Bericht die Wahrscheinlichkeit auf 20 Prozent, dass in den kommenden 30 Jahren ein Erdbeben der Stärke 8 auftreten und einen großen Tsunami auslösen werde. Die entscheidende Frage ist, wer bei Tepco wann von diesem Bericht Kenntnis hatte und warum danach nicht umgehend die Deiche erhöht wurden.

Ausblick

Den drei Angeklagten droht im Maximum eine Haftstrafe von 5 Jahren oder eine Geldstrafe von (umgerechnet) 7.800 Euro. Mit einem Urteil wird nicht vor dem Jahr 2018 gerechnet. Nach Schätzungen von Tepco wird es 30 bis 40 Jahre dauern, bis die Kraftwerksruinen in Fukushima endgültig rückgebaut sind.Derweil setzt die Regierung darauf, dass die nach dem Unfall stillgelegten Kernkraftwerke Schritt für Schritt wieder ans Netz gehen können. Von den 42 Reaktoren, welche nach dem Unglück abgeschaltet wurden, sind bereits 5 wieder  in Betrieb.

Übernommen von Rentnerblog hier




‚Wasserstandsmeldung‘ aus Japan!

Heute existiert für diese Bekanntgabe im Internet eine Website, auf der sich die Interessierten informieren können (und die seit jeher außerhalb der Gebiete direkt um das vom Tsunami demolierte Kernkraftwerk keine lebensbedrohliche Radioaktivität anzeigt). Dem Konzern TEPCO (Betreiber dieses und weiterer Kraftwerke) wird zwar misstraut, zumal kürzlich wieder direkt aus dem Bereich eines zerstörten Reaktors ein außergewöhnlich hoher Strahlungswert übermittelt wurde – was aber nach einer solchen Katastrophe nichts Ungewöhnliches ist. Die Reaktorblöcke waren zwar schon abgeschaltet, bevor der verheerende Tsunami eintraf, aber die Nachzerfallswärme konnte durch die Verkettung technologischer Mängel und unglücklicher Umstände nicht mehr abgeführt werden. Darauf folgende Gasexplosionen zerstörten Umhüllungen und die Reaktorgebäude, verschiedene Druckbehälter zerbarsten, ohne allerdings die Sicherheitseindämmung völlig zu zerstören.

Den Todesopfern der Naturkatastrophe wird in ihren Familien gedacht, doch das Desaster um die Kernreaktoren ist allgemein im japanischen Alltag kaum mehr präsent. Auf privaten Blogs kursiert die Behauptung, dass die Rate an Früherkennungen von Schilddrüsenkrebs bei Kindern der Präfektur Fukushima und im Großraum Tokio angestiegen sei, doch ein auf dieses Gerücht hin befragtes Komitee vom Fukushima Health Management Survey gab die Antwort, dass dieses Ergebnis auf umstrittene Testreihen zurückzuführen sei. Das Ministry for Health, Labour and Welfare berichtet auf seiner Website über die möglichst lückenlose, gesundheitliche Überwachung der seit der Katastrophe tätigen Arbeiter vor Ort in Fukushima Daiichi – keine Todesopfer zu beklagen soweit. Befragt man die Surfer an der östlichen Küste, in benachbarten Präfekturen (Ibaraki, Chiba, Kanagawa), zucken diese mit den Schultern und schmunzeln eher über die Vorstellung von z.B. verstrahlten Pazifik-Küsten („Oh, mein Guter, halten sie sich mal die Größe des Pazifik vor Augen …“).

Japan ist in relativ kurzer Zeit ein gewaltiger Sprung in die Moderne gelungen, doch hält es gern fest an bewährten Traditionen aus der Periode seiner Abgeschlossenheit. Während der Zeit großer Katastrophen erlebt man hier so viel Zusammengehörigkeitsgefühl, wie Hierarchiedenken und Disziplin, doch im Alltag sind die Leute sehr pragmatisch veranlagt. Freaks finden außerhalb diverser Fernsehshows und bestimmter Zentren in den Großstädten kaum eine Bühne und die in Deutschland so lästig gewordene Klein- und Gewaltkriminalität findet hierzulande praktisch nicht statt. Immigration und eine damit einhergehende Integrationsproblematik ist im Gegensatz zu Europa kein Problem, da Zuwanderung nicht geduldet wird. Die Japaner senden gern und schnell ihre Hilfstruppen zum Katastrophenschutz weltweit aus, sie heißen auswärtige Fachleute und Spezialisten zur Lösung wichtiger Fragen unter Zögern willkommen – doch immer nur für eine begrenzte Zeit. Wenn ein Volk für sich geschlossen ein Inseldasein kultiviert hat, dann sind es die Japaner.

Was sie ebenso gut ausbildeten, ist ihr Sinn fürs Praktische, für das, was nötig ist und das, was überflüssig. Wer aus beruflichen oder alltäglichen Gründen ein Auto benötigt, fährt steuerlich gut gestellte Kleinwagen oder als Besserverdienender gerne mal Hybrid, und dass elektrische Energie rund um die Uhr zur Verfügung steht, ist viel wichtiger als die Art und Weise, wie sie erzeugt wird. Wer als Krebskranker zur Strahlentherapie zu den Nuklearmedizinern geht, wird kaum zu hören bekommen, dass die Substanz, mit deren Hilfe sein Krebs bekämpft wird, im Verdacht steht, Krebs zu erzeugen. Anders als in Deutschland, wo die Grünen mit zu den politischen Meinungsführern gehören, spielt die hiesige politische Vereinigung Midori No To, die als die Grünen Japans bezeichnet wird, politisch überhaupt keine Rolle. Die herausragende japanische Ästhetik zeigt sich auch in ihrem Umgang mit der sie umgebenden Sphäre – von der Mülltrennung bis zur Parkpflege. Dass sie zur Regulierung ihres Miteinanders mit der Natur eine spezialisierte Partei bräuchten, wäre den Japanern wohl keine Überlegung wert. WWF und Greenpeace haben zwar Büros in Tokio, doch sind sie für die Mehrheit der Japaner uninteressant und so spielen sich die meisten der auf deren Websites veröffentlichten Projekte mehr im Großraum Asien/Afrika ab, als in Japan selbst. Auch wenn in Kyoto eine wichtige Konferenz zur Klimathematik abgehalten wurde, und selbst wenn ihre Abgesandten artig diverse Vereinbarungen unterzeichnen, so ist den Japanern ihr besonderer Weg, ihre Gemeinsamkeit und das politische Verhältnis zu ihren Nachbarn Korea, China und Russland weitaus wichtiger, als das Verfolgen spekulativer Ziele (Klimaschutz).

Bei ihrer exponierten geologischen Lage ist der Wettstreit gegen die Natur mit jedem schweren Beben tatsächlich ein Kampf ums Überleben. Die Japaner, die über viele Jahrhunderte dieses gewaltige Felsenriff besiedelten, das nach alter Vorstellung regelmäßig durch göttliche Kräfte aus dem Erdinneren erschüttert wird, trotzten diesem mit großer Mühe ihren Lebensraum ab, weil sie es bis heute als ein göttliches Land der aufgehenden Sonne verehren.