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Die Verschlimmbesserung der Stromversorgung

 In der Corona-Krise wird halt bis zur letzten Minute durchregiert. In einem 60-Seitigen Machwerk wird der Abstimmmaschine – ja was eigentlich? – vorgesetzt: Entwurf eines Gesetzes zur zügigen und sicheren Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in die Verteilernetze und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften. Der Parlamentarier, der immer noch nicht genug hat, kann noch den ersten Absatz lesen, damit er glaubt er wüßte um was geht und anschließend beruhigt der Empfehlung seines Fraktionsvorsitzenden zur Abstimmung folgen.

Langsam dämmert es auch dem härtesten Energiewender, daß der Zug mit immer höherer Geschwindigkeit dem Abgrund entgegen rast. Plötzlich erkennt man, daß in der schönen, neuen Welt der Elektroautos die elektrische Energie auch noch von den Windmühlen zu den Autobatterien gelangen muß – zum Teufel, daß hätte man nun wirklich auch im Politunterricht erzählt bekommen müssen. Dafür sollen Kabel, Transformatoren und all so’n technisches Zeug nötig sein, damit der Strom aus der Steckdose kommt und die kann man nicht einmal weghüpfen. Man könnte auch sagen, jetzt kommt Klaudia, nachdem Annalena den Strom im Netz gespeichert hat und die Kobolde aus der Batterie vertrieben hat, „digitalisiert“ sie das Netz und macht es so „smart“, daß die „große Transformation“ noch gelingen mag. Betrachtet man diesen Gesetzesentwurf, sieht es allerdings eher danach aus, daß sich die Planwirtschaft wie immer, immer weiter in Details verliert. Es entsteht ein undurchdringliches, widersprüchliches Gestrüpp, in dem sich die Giftschlangen immer öfter in den eigenen Schwanz beißen.

Der notwendige Netzausbau

Langsam, ganz langsam spricht es sich rum: Wenn man alle fossilen Energieträger durch elektrische Energie ersetzen will, muß man alle Tanker, Pipelines, Züge und LKW die Kohle, Öl und Gas verteilt haben, durch Kabel ersetzen. Das ist viel mehr, als die fixe Idee, Windmühlen in die Nordsee zu stellen und damit München usw. (nur) mit Strom zu versorgen. Schon diese relativ kleine Aufgabe des Ausbaues des Hochspannungs-Übertragungsnetzes scheint für das „Land in dem wir (noch) gut und gerne leben“ eine unlösbare Aufgabe zu sein. Wenn wir aber die Elektromobilität – die Betonung liegt hier auf Mobilität – wollen, brauchen wir praktisch vor jedem Haus eine Ladestation. Wer will schon einen Kilometer von und nach einer Ladestation laufen, bevor er fahren kann? Oder ist der Einstieg in die Elektromobilität wirklich nur der Anfang von kein Auto mehr? Wenn wir gleichzeitig auch noch elektrisch heizen müssen (Wärmepumpen etc.), wird das erforderliche Kabel noch dicker. Wohl gemerkt, wir reden hier nicht über drei, vier Hochspannungstrassen in ganz Deutschland, sondern wirklich über jede Straße, die aufgegraben werden muß. Aber unsere Gesetze-Schaffenden glauben für jedes Problem eine Lösung zu besitzen. In diesem Fall heißt der Zauberstab „Digitalisierung“: Man will die Mangelwirtschaft durch Lebensmittelkarten stützen. Was zu wenig ist, wird vielen genommen um es wenigen zu teilen zu können. Im Neusprech: „Energieeffizienz“.

Das Niederspannungsnetz

All unsere Gebäude sind an das Niederspannungsnetz (400V) angeschlossen. Lediglich Großverbraucher (Krankenhäuser, Fabriken usw.) sind direkt mit dem Mittel- oder gar Hochspannungsnetz verbunden. Sie formen mit eigenen Transformatoren die Spannung auf die von ihnen benutzten Spannungsebenen um. Damit nun nicht jedes Haus einen eigenen Trafo braucht, sind die Gebäude wie Perlen auf einer Kette an jeweils ein Kabel des Niederspannungsnetzes angeschlossen. So benötigt man für jeden Ring nur eine Trafo-Station. Es war nun schon immer mit viel Erfahrung verbunden, wie dick das Kabel sein muß. Aus Erfahrung weiß man, daß nie alle in einem Haushalt vorhandenen Elektrogeräte gleichzeitig in Betrieb sind. Es ergibt sich dadurch für jedes Kabel eine „stille Reserve“, die man nun über dieses Gesetz glaubt heben zu können. Der Gedanke ist simpel: Wenn man stets den Verbrauch überwacht, kann man das Kabel bis an seine Grenzen belasten. Nähert man sich der Grenzen, werden einzelne Verbraucher zwangsweise abgeschaltet. Damit nicht einige ganz hinten runter fallen, wird von Zeit zu Zeit gewechselt. Ein Verfahren, das in jedem Entwicklungsland angewendet wird. Man nennt das wechselnde und zeitlich begrenzte Abschalten auch „Brownout“, im Gegensatz zum „Blackout“, dem totalen Ausfall. Nach dem Bekunden der Gesetze-Schaffenden will man damit Zeit gewinnen, bis ein Ausbau erfolgen kann. Will man wirklich nur das oder führt man ganz anderes im Schilde?

Produktion und Verteilung

Auch „Smarte Netze“ ändern nichts an dem Grundproblem des Sozialismus: Was (gütig und gerecht) verteilt werden soll, muß vorher produziert sein. In diesem Gesetzentwurf steht, daß die „Leistungsreduzierung“ nicht mehr als zwei Stunden pro Tag dauern darf. Sie wird euphemistisch als „Spitzenglättung“ verklärt. Ändert dieses Wort irgendetwas an einer tagelangen Dunkelflaute? Natürlich nicht, es ist nur ein Taschenspielertrick. Bei jeder Flaute müssen ausgewählte Verbraucher für die gesamte Dauer abgeschaltet werden, um wenigstens eine eingeschränkte Notversorgung aufrechterhalten zu können. Das ist nun in der Tat „alternativlos“. Die Natur läßt sich durch kein Politbüro täuschen. In dem typischen Volksverdummungsdeutsch unserer Politschranzen wird dies zu: Erst die in dieser Novellierung des §14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) enthaltene Regelungsarchitektur mit der Verbesserung der Netzzustandsüberwachung in den Niederspannungsnetzen und der Schaffung der notwendigen Marktkommunikationsprozesse sowie der wirtschaftlichen, rechtlichen, technischen und der organisatorischen Voraussetzungen machen netz- und marktorientierte Flexibilitätsansätze möglich. Alles klar, ihr Ingenieure und Elektroinstallateure? Ihr müßt halt nur eure Werkzeugkästen um die „Mao-Bibel“ verstärken, dann klappt das auch mit der Stromversorgung bei euren Kunden.

Die Überwachung

Man kann ja Mangel verwalten. Das ging schon mit Bezugsscheinen in der Kriegswirtschaft. Man hat auch schon früher den Einsatz von Kraftwerken durch Rundsteueranlagen (z. B. Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen) optimiert. Dies wird ausdrücklich im Text mehrfach erwähnt. Wahrscheinlich notwendig, weil schon mal elektrische Nachtspeicher und Wärmepumpen ganz oben auf der rot/grünen Verbotsliste standen. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Genosse noch an diese Kampagnen? Jetzt also die Wende: Plötzlich ist das „Einsparen von Primärenergie“ nicht mehr aktuell, sondern nur noch die gewinnbringende Vernichtung der Überproduktion der (befreundeten) Windmüller und Sonnenbarone.

Wie gesagt, wenn es nur um die Begrenzung von Spitzenlasten gehen würde, reichen Rundsteueranlagen völlig aus. Der Netzbetreiber sendet Signale über die Stromkabel aus, die von den Empfängern in den einschlägigen Anlagen empfangen werden. Jeder Empfänger entscheidet nun, ob ihn die Nachrichten betreffen und was er abschalten bzw. drosseln soll. In diesem Gesetzesentwurf geht es jedoch um die totale Überwachung: Der aktuelle Verbrauch jedes „Smart-Meter“ – umgangssprachlich Stromzähler – soll permanent an den Netzbetreiber übertragen werden. Selbstverständlich nur für Zwecke des Netzbetriebs und streng „datengeschützt“. Wir kennen solche Versprechungen schon von der Einführung der Mobiltelefone. Vielleicht sollte man „Smart-Meter“ zukünftig verständlicher mit „Stasi-Zähler“ übersetzen. Denn es gibt einen qualitativen Unterschied zum „Smart-Phone“: Auf die Nutzung von Mobiltelefonen kann man verzichten oder sie zumindest stark einschränken. Auf einen Strom-Hausanschluss nicht. Der Rückkanal (praktisch Internet) ist zudem ein sicherheitstechnischer Albtraum. Der als Heizungsmonteur oder Elektroinstallateur getarnte Hacker oder Verfassungsschützer kann jederzeit Schad- und Überwachungssoftware einspielen. Wer das für übertrieben hält, sollte sich mal näher mit Stuxnet beschäftigen. Die militärischen Anlagen im Iran waren sicherlich besser gesichert, als die Heizungskeller und Garagen unserer Häuser. Wie gesagt, auf ein Smartphone läßt sich durchaus verzichten, ein Computer vom Netz trennen, aber die gesamte Wohnung vom Stromnetz abhängen?

Leistung und Energie

Die Leistung (kW) steht für die Investitionen – nicht nur ins Netz – und die verbrauchte elektrische Energie (kWh) für die variablen Kosten (Brennstoffe, Verschleiß etc.). Daher war die Aufteilung in bezogene Leistung und verbrauchte Energie in einem Abrechnungszeitraum bei Großabnehmern schon immer üblich. Betriebsintern ergab sich aus den Kosten für die Leistung üblicherweise eine Spitzenlastoptimierung. Aus dem Verbrauch (kWh) und der Spitzenlast (kW) in einem Abrechnungszeitraum konnte durch einfache Division ein Maßstab für die Gleichmäßigkeit gebildet werden. Mit anderen Worten: Verbrauchte der Kunde vornehmlich billige Kernkraft oder Braunkohle oder teuren Spitzenstrom, spürte er das unmittelbar auf seiner Stromrechnung. Insofern nichts neues.

Bei Kleinverbrauchern (Haushalt und Gewerbe) war es günstiger, auf solche Berechnungen zu verzichten. Aus gutem Grund. Durch die große Stückzahl half die Statistik bei der Vorhersage des Verbrauchs. Einzelne Sonderereignisse (z. B. Fußballübertragung) und außergewöhnliche Wetterereignisse (Gewitter etc.) waren ausreichend im Voraus bekannt. Andererseits hat der Kunde kaum eine sinnvolle Einflussmöglichkeit. Der Braten muß zu gegebener Zeit auf den Tisch (Weihnachtsspitze). Kopfgeburten, wie das Wäsche waschen in der Nacht, sind nicht praktikabel und werden sich deshalb nie durchsetzen. Ist das bei Elektromobilen so viel anders? Auch dort wird man Nachladen, wenn das absehbar nötig wird. Die Vorstellung, tags fahren und nachts aufladen ist schlichtweg weltfremd. Sind doch die Reichweiten (besonders im Winter) im Gegensatz zu Verbrennern viel kleiner und die „Tankzeiten“ unvergleichlich größer, um überhaupt eine Wahlmöglichkeit zu bieten. Wird jetzt durch unvorhergesehene Drosselungen die Ladezeit völlig unkalkulierbar, dürfte das ein weiteres Argument gegen den Kauf eines Elektromobils werden.

Kosten

Jede staatlich erzwungene Investition – egal ob auf der Seite des Netzes oder im eigenen Haus – muß letztendlich von uns bezahlt werden. Hinzu kommen noch die laufenden Wartungs- und Betriebskosten. Erinnert sei nur an die gesetzlich vorgeschriebene Heizkostenabrechnung bei Mietern. Kaum einem Mieter ist bekannt, daß die Kosten für die Abrechnung meist mehr als zehn Prozent der eigentlichen Heizkosten betragen. Auch diese Lizenz zum Geldschein drucken für einschlägige „Serviceunternehmen“ wurde vor Jahrzehnten zum Zwecke der Energieeinsparung und „gerechten“ Aufteilung eingeführt. Durch die flächendeckende Einführung moderner Heizsysteme und Regelungen ist die Einsparung kaum noch möglich – es sei denn, um den Preis eines deutlichen Komfortverzichts. Insofern ist das hier abgegebene Versprechen: Die Kosten für die Herstellung der Steuerbarkeit von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen werden durch Einsparungen in den Netzentgelten und der verbesserten marktlichen Strombeschaffung mehr als kompensiert. (Seite 23) Noch viel unverschämter als die Aussage von dem Genossen Trittin über die oft zitierte Eiskugel. Es soll hier gar nicht über die erforderlichen Investitionen spekuliert werden, fragen sie einfach den Installateur ihres Vertrauens. Ansonsten wird in dem Entwurf nur so mit Milliarden Einsparungen um sich geschmissen. Wieder ein neues Perpetuum Mobile der Energiewende wird geboren.

Besonders feinsinnig wird die Verteilung der entstehenden Kosten behandelt. Es wird im Gesetzentwurf akribisch zwischen Netzanschluss und Marktlokationen unterschieden: Netzanschluss ist das Kabel von der Straße ins Haus und die wunderbare Neusprechschöpfung Marktlokationen sind die Zähler für die Wohnungen etc. Damit ist auch klar, aus welcher Ecke dieser Entwurf kommt. Es ist charakteristisch für die Grünen, möglichst oft das Wort „Markt“ in den unmöglichsten Kombinationen zu verwenden, um von ihrer Planwirtschaft abzulenken. Besonders praktisch ist es darüberhinaus, wenn ihre „Ideen“ mal wieder völlig schief gehen, vom „Marktversagen“ faseln zu können. Hier geht es eindeutig überhaupt nicht um Marktwirtschaft: Marktwirtschaft war z. B. die Einführung des Smartphone. Ein bunter Bildschirm beim Telefon war den Menschen soviel Geld wert, daß sich Schlangen vor den Geschäften bildeten. Ein Stromzähler, der nur die eigene Überwachung als Zusatznutzen bietet, wäre unverkäuflich. Jetzt sehen wir uns mal ein typischen Wohngebäude an: Den geringsten Aufwand hat der meist kommunale Betreiber des Niederspannungsnetzes mit dem Umbau des Hausanschlusses. Der Hausbesitzer kommt für die notwendigen Baumaßnahmen im Gebäude auf. Anschließend läßt sich wieder trefflich über Mieterhöhungen jammern und den Löwenanteil zahlt wieder einmal der dumme Stromverbraucher. Das Elektroauto wird damit noch unverkäuflicher – trotz gigantischer Zuschüsse der Steuerzahler – als bisher. Deshalb muß nach dem Erfolgsrezept der staatlich gewollten Unterhaltung und des betreuten Denkens (GEZ-Rundfunk) ganz schnell ein Gesetz her, welches über eine weitere Wohnungssteuer den Bürger schröpft. Wehe, wenn Michel eines Tages die Demokratie versteht und alle Mittäter einfach abwählt.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors hier




Das Smartmeter – Zwangsbeglückung und Visionen

Thomas Alva Edison erfand 1880 das Prinzip des Motorzählers, das Galileo Ferraris am Ende des 19. Jahrhunderts praxisreif machte. Bis heute nutzt man die Bauweise, um die Kilowattstunden abrechnungssicher zu registrieren. Der gute alte Ferraris-Zähler gab mit seiner stoischen, schweigenden und zuverlässigen Tätigkeit mehreren Generationen ein Gefühl von geordneter Welt und Versorgungssicherheit. Geräuschlos in Kellerecken oder anderen tristen Anschlussräumen wartete er geduldig, dass einmal im Jahr jemand durch die Scheibe blinzelte und die Zahlenfolge emotionslos aufschrieb. Nie wurde bekannt, dass einer explodiert wäre, auch Abstürze sind nicht überliefert, weder von der Wand noch die seiner zutiefst elektromechanischen Software.

Nun soll er aufs Altenteil. 2009 fasste die EU den Beschluss 72 zur Einführung digitaler Zähler als wichtigem Bestandteil künftiger intelligenter Netze. Deutschland untersetzte mit dem „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“, dem wiederum das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) im August 2016 folgte. Dieses ist eine Freude für jeden Ministerialbürokraten und ein Graus für die Praktiker. 77 ordentliche Paragrafen schmücken es, dazu eine Anlage und satte 28 Begriffsbestimmungen, damit erst mal klar ist, worum es überhaupt geht.

In diesem Jahr beginnt der zwangsweise Zählertausch, zunächst bei Kunden mit mehr als 10.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch. Ab 2020 sind die Verbraucher ab 6.000 Kilowattstunden dran, die anderen folgen. Meist lässt sich das Gerät nicht einfach tauschen, sondern die Zählerplätze müssen umgebaut und ganze Zählerschränke gewechselt werden. Kosten von mehr als tausend Euro fallen dann an. Eigentümer werden zwangsabkassiert, können sich die Kosten aber über die Mieter wiederholen, wenn vorhanden. Die laufenden Kosten sollen bei Kunden mit mehr als 6.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch nicht mehr als 100 Euro pro Jahr betragen, bei den geizigen Kleinverbrauchern nicht mehr als zwanzig Euro. Bei unseren Haushaltsstrompreisen fällt das nicht mehr ins Gewicht, mag sich die Planbürokratie denken.

Weniger Eigenverbrauch versprechen die neuen digitalen Zähler ELD21 und bringen zunächst keinerlei Nutzwert. Sie schreiben kalte Zahlen aufs Display. Lieferte der Ferraris-Zähler noch ziemlich einheitlich runde zwei Prozent Messfehler mit, gehen die Digitalen beherzter zu Werke. Messfehler von -32 bis zu +582 Prozent können nach einer Studie der Universität Twente schon vorkommen. Zum Beispiel, wenn ein sinusförmiger Verlauf des Verbrauchs durch sprunghafte Änderungen unterbrochen wird – was beim Zuschalten stärkerer Verbraucher eben passiert. Besserung wird versprochen, aber die bisher produzierten Geräte mit mangelhafter Pflichtauffassung baut man schon mal ein.

 

Digitalisierung ohne Nutzen

Bisher gibt es keine informationstechnische Vernetzung, praktische Vorteile für den Kunden sind nicht erkennbar. Wendebegeisterte und manche Stadtwerke versprechen „einen besseren Überblick über Ihren Stromverbrauch“ und schließen daraus auf ein utopisches Einsparpotenzial. Wenn aus dem digitalen Zähler in Verbindung mit einem Gateway ein so genanntes intelligentes Messsystem entsteht, gibt es mehr Möglichkeiten. Über eine Datenschnittstelle gehen Messwerte nach außen und der Kunde hat die Möglichkeit, seinen Verbrauch am heimischen PC oder Smartphone vom Wohnzimmer aus zu verfolgen. Dies eröffnet neue Optionen, etwas Brisanz ins manchmal langweilige Familienleben bringen. Der Sohnemann gab an, um 11 von der Disco zurück gewesen zu sein. Die Kurve zeigt aber erst um zwei einen Ausschlag. Wann ging die Dame des Hauses zu Bett, als der Gatte auf Dienstreise war? Dienstag nach 18 Uhr keine Reaktion mehr an der Verbrauchskurve. War sie überhaupt zu Hause??

Das interessiert den Versorger natürlich nicht. Die Daten, die in die vernetzte Welt hinausposaunt werden, können nach Paragraf 49 des MsbG folgenden Stellen zugänglich gemacht werden: Messstellenbetreiber, Netzbetreiber, Bilanzkoordinatoren, Bilanzkreisverantwortlichen, Direktvermarktungsunternehmen nach EEG, Energielieferanten und jede weitere Stelle, die über eine Einwilligung des Anschlussnutzers verfügt. Diese berechtigten Stellen können die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten auch externen Dienstleistern übertragen. Die Zeiten, als die Wohnung als geschützter, sicherer und anonymer Raum galt, gehen dem Ende entgegen.

Der organisierten Kriminalität dürfte es ein leichtes sein, mit einer angemessenen Menge an Geld über eine dieser Stellen an gut „brauchbare“ Informationen zu kommen. Aber auch der Ehrgeiz der Nutzer selbst dürfte geweckt werden, eine Software zu finden, mit der man vom heimischen PC aus seinen eigenen Stromverbrauch zurücksetzen kann.

Verbraucherschützer laufen Sturm gegen „die Zwangsdigitalisierung durch die Kellertür“. Die smarten Zähler sind ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Wie viel Glättung oder Einsparung die intelligenten Messsysteme tatsächlich bringen werden, ist unklar. Beruhigend ist, dass bisher das Smartgrid fiktiv ist, es also auch noch kein unsicheres Smartgrid geben kann.

Seit mehr als zehn Jahren wird über das intelligente Netz diskutiert, geforscht und manchmal auch fantasiert. Die Idee wurde als Folge des zunehmend volatilen und mit Vorrang zu behandelndem Strom aus Wind und Sonne geboren und entwickelt. Der Gedanke dahinter sagt, dass nicht nur auf der Erzeugerseite auf schwankende Nachfrage reagiert wird, was nur konventionelle Kraftwerke tun, sondern auch auf der Verbrauchsseite eine Glättung des Bedarfs durch Verbrauchersteuerung (demand site management – DSM) erfolgt.

Dafür sind viele Randbedingungen erforderlich. Digitaler Zähler und Gateway sind stockdoofe Drahtaffen wie anderes elektrisches Gerät auch. Erzeuger, Übertragungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber müssen untereinander datentechnisch über alle Spannungsebenen hinweg vernetzt sein und nötig ist ein Lastmanager, ein Zentralrechner, der die Strompreise permanent anpasst. Dieser stellt die „Intelligenz“ dar, die beschworen wird. Er kann aber auch nur auf der Basis entsprechender Programme vorgegebene Routinen erledigen. Die Infrastruktur zum Betrieb des Smartgrid verursacht jedenfalls zusätzliche Kosten.

Sichere Kanäle zu allen Beteiligten und vor allem Tarife mit Vorteilen für die am DSM teilnehmenden Kunden sind zu erstellen. Diese erwarten natürlich Vorteile davon, wenn sie einen Teil ihrer Verbrauchersouveränität, nämlich die Entscheidungshoheit, wann sie welche Haushaltsgeräte betreiben, an eine zentrale Steuerstelle abgeben. Dies funktioniert nur, wenn die Kunden ihren Strom in Summe oder zu bestimmten Zeiten billiger erhalten, das heißt, ihre Änderung im Verbraucherverhalten vergütet bekommen. All dies gibt es bisher nicht, auch belastbare Pläne zur Einführung sind nicht zu sehen. Praktische Vorteile hat zunächst nur der Versorger: Kein Außendienst mehr zum Ablesen, Sperrkassierer sind zumindest teilweise nicht mehr nötig, wenn die schaltbaren Lasten eingeschränkt werden können. Als Warnschuss vor einer Abschaltung sicher hilfreich.

 

Vision und Realität

Dabei wird hier das Rad nicht neu erfunden. In der Praxis gibt es das bereits seit vielen Jahren für Elektro- und Wärmepumpenheizungen. Ein Funksignal des Energieversorgers schaltet die Versorgung einzelner Heizungen auf vertraglicher Basis in Zeiten erfahrungsgemäß hoher Netzlast ab. Dafür ist der Strompreis pro Kilowattstunde geringer. Auch mit Großverbrauchern wie Aluminiumhütten gibt es Vereinbarungen, zeitvariabel abzuschalten und auf diese Weise zur Netzstabilität beizutragen.

Dennoch wird ein Smart Grid in Gänze unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum funktionieren. Knackpunkt ist ein niedrigerer Tarif in Schwachlastzeiten, der Verbrauch anreizt. Bläst also viel Wind den Börsenpreis in den Keller, könnte der Versorger den Preisvorteil an den Endkunden weitergeben. Aber: Die reinen Strombezugskosten machen weniger als zwanzig Prozent am Haushaltsstrompreis aus. Wenn der Spotpreis an der Börse von 4 auf 0 Cent pro Kilowattstunde sinkt, würde der Haushaltsstrompreis auf vielleicht 25 Cent pro Kilowattstunde sinken. Das spart bei einem Waschgang mit 60 Grad und einer normalen 6-Kilogramm-Waschmaschine etwa 5 Cent. Kaum jemand dürfte deshalb in Erwägung ziehen, seine Gewohnheiten zu ändern („Ich wasche immer Samstag vormittags“).

Vielleicht muss man mit dosierten Abschaltungen nachhelfen?

Als Fazit bleibt: Der Einbau elektronischer Zähler ist möglich, aber teuer und für die Kunden auf absehbare Zeit ohne Vorteil respektive aus Kostensicht ein Nachteil. Die Datenschutzprobleme sind nicht hinreichend gelöst. Das Hacker – Szenario im Thriller blackout-das-buch hat genau dies zur Grundidee.

Solange es absehbar kein Tarifsystem mit deutlichen Anreizen für das Verbraucherverhalten gibt, bleibt das Smartgrid Vision. Die offene Frage bleibt auch: Wie wird gesichert, dass das DSM nicht zur Rationierung verkommt oder Bestandteil einer Kaskadierung wird?

Die zwangsweise Einführung digitaler Zähler bei Haushaltskunden ist ungefähr so sinnvoll, wie einem Bauherrn vorzuschreiben, Blumen ins Fenster zu stellen, obwohl das Dach noch nicht fertig ist.

Zurück zum modernen Zähler. Stadtwerke stellen heraus, dass der Kunde ohne Gateway den Digitalzähler auch vor Ort ablesen kann (!). Sogar mehr Werte als bisher, wenn man eine Taschenlampe zur Hand hat (nicht im Lieferumfang). Aber die gehört ohnehin zur im Zivilschutzkonzept empfohlenen Ausrüstung in jedem Haushalt.

Durch zyklisches Anleuchten eines Fotoelements, ähnlich der Übertragung von Morsezeichen mit Signallampen, kann durch ein- bis neunfaches Blinken die Anzeige vom Verbrauch über verschiedene Zeiträume bis hin zur PIN-Eingabe getätigt werden. Zu langes Anleuchten löst allerdings eine Nullstellung aus, der richtige Rhythmus ist wichtig. Zu beachten ist auch, dass man eine Punktlichtquelle verwenden muss. Die Raumbeleuchtung ein- und ausschalten hilft nicht, ebenso wenig ein Kerzenlicht, dass man mit der Hand abdeckt.

Sollten Sie am Monatsende, wie ich, Ihren Ferraris-Zähler im Keller ablesen, vergessen Sie die Taschenlampe nicht. Sie müssen nicht blinken, nur leuchten.




Intelligente Stromzähler für Dummerchen jetzt Pflicht

Sie machen einfach weiter. Jetzt kommt die nächste grünkarierte Volkserziehungsmaßnahme: Dem Bundesbürger werden sogenannte „intelligente“ Stromzähler verordnet. Die Verbraucher gucken dabei allerdings dumm in die Wäsche: Die ohnehin längst grenzwertige Stromrechung wird noch einmal um rund 100 Euro teurer, der Einbau kann je nach Umständen mehrere tausend Euro kosten. „Vermutlich zahlt der Verbraucher in der Regel selbst bei einer Verminderung des Stromverbrauchs und einem bestmöglichen variablen Stromtarif beim Betrieb eines Smart Meter unter dem Strich drauf“, sagt Bettina Cebulla von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Die „Smart-Meter“ sparen keinerlei Strom, überwachen aber alle Verbrauchs-Daten und schicken sie direkt an den Stromversorger. Das eignet sich hervorragend als Grundlage für Erziehungsmassnahmen, die selbsredend freiwillig ergriffen werden, beispielsweise, weil ein Verbraucher aufgrund des Smart-Meters feststellt, dass seine Waschmaschine schon zehn Jahre alt ist. Zu dieser Einsicht war das Dummerchen bisher nicht in der Lage.

Jetzt wird diese hilflose Person auf Rat seines intelligenten Stromzählers eine neue Waschmaschine kaufen, die nur noch halb soviel Strom braucht, doppelt so lang wäscht, wahlweise halb so gut. Er kann sich auch einen intelligenten flexiblen Stromtarif besorgen und nachts billiger waschen, was die Nachbarn entzücken dürfte. Und wenn er schon mal dabei ist, kann er natürlich auch Staubsaugen, die Putzfrau freut sich schon auf die neuen Dienstzeiten.  Außerdem bekommt sie einen neuen Staubsauger, der sich mit 900 Watt zufrieden gibt, mit dem sie aber ein Stündchen länger nachts unterwegs ist. Super-Rechnung, aber die Putzfrau arbeitet ja eh schwarz.

Angesichts dieser Meisterleistung an Arbeitsbeschaffung hat der Gesetzgeber intelligent vorgesorgt, weiß Corinna Kodim vom Eigentümerschutzverband Haus & Grund Deutschland: „Sie können die Installation der intelligenten Zähler nicht ablehnen – obwohl ihnen zusätzliche Kosten entstehen“.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT