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Woher kommt der Strom? Schwachwindphase

10. Analysewoche

Am Sonntag wurde beim Stromexport noch richtig Geld mitgegeben; im Verlauf der Woche blieben die Preise positiv, wenn auch allermeistens nicht auskömmlich. Jedenfalls nicht für die deutschen Stromerzeuger. Ein Blick auf die konventionelle Stromerzeugung belegt, wie diese „rotiert“. Kontinuität ist praktisch gleich Null. Lediglich die Stromerzeugung mittels Kernkraft weist kaum Schwankungen auf. Dazu unten mehr.

Hier wie immer die Tabelle mit den Detailzahlen der Energy-Charts und der daraus generierte Chart, die Import-/Exportwerte der Woche und die kumulierten Werte des bisherigen Jahres.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 1.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 70,75%, davon Windstrom 57,17%, Sonnenstrom 7,48%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,56%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Bis 15:00 Uhr sind die Strompreise noch negativ. Dann lassen Wind- und Sonnenstromerzeugung rapide nach. Die konventionelle Stromerzeugung zieht an. Der Strompreis wird positiv, ist aber durchaus nicht auskömmlich.

Montag, 2.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 40,28%, davon Windstrom 20,83%, Sonnenstrom 7,64%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,81%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Bedarf steigt, die Windstromerzeugung sinkt, und mit nachlassender Sonnenstromerzeugung ab 14:00 Uhr entsteht eine lang andauernde Stromversorgungslücke, die trotz massiv hochgefahrener konventioneller Stromerzeugung nicht mehr geschlossen werden kann. Bemerkenswerterweise bleiben die Importstrompreise moderat.

Dienstag, 3.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 35,06%, davon Windstrom 18,83%, Sonnenstrom 5,19%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,04%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Um 5:00 Uhr – die Sonne geht auf – endet die Stromunterdeckung. Die Windstromerzeugung verharrt auf recht niedrigem Niveau. Dennoch: Wegen der weiter hohen konventionellen Stromerzeugung – es rechnet sich nicht diese herunterzufahren, weil sie nach Sonnenuntergang vorhersehbar wieder benötigt wird – ist über Tag viel Strom in Markt, der abgegeben werden muss. Zu moderaten Preisen. Dennoch tut sich um 18:00 Uhr eine „Minilücke“ auf. Da springt der Preis schon mal locker auf 55,98 €/MWh für 1,573 GW, die saldiert importiert werden müssen. Eine Stunde später erhält Deutschland 56,90 €/MWh für 0,306 GW, die per Saldo exportiert werden. Auch das gibt es.

Mittwoch, 4.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 32,26%, davon Windstrom 15,48%, Sonnenstrom 5,82%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,97%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Auch am heutigen Mittwoch bleibt die konventionelle Stromerzeugung auf hohem Niveau, obwohl die Sonnenstromerzeugung befriedigend ist. Überhaupt sind die Verhältnisse den gestrigen sehr ähnlich, wie hier sehr schön beobachtet werden kann.

Donnerstag, 5.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 38,56%, davon Windstrom 21,57%, Sonnenstrom 5,88%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,11%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Ab Mittag zieht die Windstromerzeugung massiv an. Musste am Morgen noch eine mehrstündige Stromunterdeckung geschlossen werden, fahren die konventionellen Stromerzeuger nun ihre Stromerzeugung herunter. Das gelingt gut. Dennoch: Je mehr regenerativ erzeugter Strom in den Markt kommt, desto geringer werden die Preise. Um 8:00 Uhr erzielte Deutschland fast 55 €/MWh für knapp 2 GW.

Freitag, 6.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 51,32%, davon Windstrom 37,5%, Sonnenstrom 2,63%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,18%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Freitag zeichnet sich durch tendenziell leicht abnehmende Stromerzeugung aus. Deutschland exportiert fast den ganzen Tag per Saldo Strom. Lediglich um 15:00 und 16:00 Uhr muss eine geringe Menge zu höchst moderaten Preisen importiert werden. Die 40-€/MWh-Marke wird den ganzen Tag nicht einmal erreicht.

Samstag, 7.3.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 50,00%, davon Windstrom 31,06% Sonnenstrom 6,06%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,88%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Auch heute wird die 40-€/MWh-Marke nicht erreicht. Deutschland exportiert bis auf 16:00 bis 19:00 Uhr den ganzen Tag Strom. Um 19:00 Uhr wird denn auch der Tageshöchstpreis aufgerufen: 39,95 €/MWh. Zum Sonntag steigt die Windstromerzeugung wieder an. Was bedeutet, dass die Preise in den Keller gehen. Mehr dazu in der nächsten Woche.

Kernkraftwerke und negative Strompreise

Von einer engagierten Familie aus Ostbayern, der aufgefallen ist, dass insbesondere Kernkraftwerke auch dann nicht heruntergefahren werden, wenn die Strompreise negativ werden, wurde die Frage aufgeworfen, warum dies so sei.

Sehr geehrter Herr Stobbe, 

[…] Bitte beachten Sie bzgl. der Stromerzeugung, aber auch den Anteil, den die sechs verbliebenen Kernreaktoren in Deutschland an zeitweise negativen Strompreisen haben: 

16.Feb. 2020, 14:15 Uhr: Import-Saldo -13 GW; trotzdem liefern die sechs AKW 5,1 GW, was 63% ihrer Nennleistung von nahezu 8.1 GW entspricht. Gemäß Betriebshandbücher der KKW „Auch der UNTERE LASTBEREICH (zwischen 20 UND 50% [DWR] bzw. 60% [SWR]) ist laut Betriebshandbücher möglich, allerdings wurde in Gesprächen mit Kraftwerksbetreibern deutlich, dass dieser bis jetzt (abgesehen von An- und Abfahrvorgängen) nicht im regulären Betrieb eingesetzt wird.“ (Abbildung) Rechnet man also 20% Minimalleistung, so sind das 0,2 x 8,1 GW = 1,6 GW technisch mögliche AKW Minimalleistung –> Der Export hätte somit von 13 GW auf 9,5 GW verringert werden können, wenn die AKW eben nicht mit 5,1 GW sondern mit den doch technisch möglichen 1,6 GW gefahren wären! D.h. der Kernkraftstrom war für 27% der Exportüberschüsse und deren Kosten verantwortlich! 

Dass es andere Nachteile (wie nur noch langsameres Wiederhochfahren der Reaktoren auf z.B. Nennleistung sowie mehr Ermüdung) in dieser Betriebsart gibt, sei unbestritten. Grafisch haben wir das aufgearbeitet. (Abbildung 1) Wenn wir da etwas grob falsch verstehen, würden wir uns über Ihre entsprechende Rückmeldung freuen. Mit freundlichem Gruß Familie NB, Ostbayern 

Die Antwort, die mit der tatkräftigen Unterstützung eines promovierten Physikers, der jahrzehntelang im Kernkraftwerksbereich tätig war, formuliert wurde:

Weshalb bleiben selbst bei hoher Stromproduktion aus Windenergie konventionelle Kraftwerke – insbesondere Kernkraftwerke – am Netz und speisen weiter Strom ein, der dann verschenkt werden muss oder gar zu negativen Strompreisen führt? Dahinter steht der öfter von interessierter Seite geäußerte Vorwurf, die Kernkraftwerke „verstopfen“ die Netze und lassen nur dementsprechend geringere Erzeugung aus regenerativen Erzeugungen zu.

Von „Verstopfen“ im physikalischen Sinne kann natürlich nicht die Rede sein, sondern eine Bevorzugung konventioneller Energie bei der Einspeisung, trotz des Einspeisevorrangs für die regenerative Erzeugung. Sie ist nicht beschränkt auf nukleare Erzeugung, sondern betrifft auch die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Das Thema wird schon lange in verschiedenen Lobbygruppen pro Energiewende, aber auch bei der Regierung diskutiert. Im Kern geht es darum, dass in Phasen mit hohem Angebot an regenerativer Energie, die eigentlich die Nachfrage abdecken könnten, trotzdem konventionelle Erzeugungsleistung ins Netz eingespeist wird und damit regenerativ erzeugter Strom reduziert/verdrängt werden muss. Hier kommt der Begriff der „Mindesterzeugung“ ins Spiel:

Das deutsche Stromversorgungssystem erfährt seit einiger und auf absehbare Zeit eine Strukturveränderung. Sie ist das Resultat politischer Entscheidungen der Bundesregierung. Langfristiger Kern dieser politischen Entscheidungen ist die Umstellung auf eine CO2-freie und nicht-nukleare Erzeugungsstruktur. Gegenwärtig ist das Phänomen zu beobachten, dass ein gewisser Teil der Einspeisung aus konventionellen Kraftwerken nur unflexibel auf Börsenpreise reagiert, also sogar bei negativen Börsenpreisen einspeist. Die Bundesnetzagentur hat dieses Phänomen in ihrem Bericht über die Mindesterzeugung untersucht.

Die Mindesterzeugung entspricht der Einspeiseleistung, die direkt einem netztechnischen Grund bzw. einer Systemdienstleistung zurechenbar ist. Sie kann daher nicht vom Netz genommen werden.

Diese Mindesterzeugung ist vom sogenannten konventionellen Erzeugungssockel zu unterscheiden. Dieser umfasst Kraftwerksleistung, die sich ebenfalls preisunelastisch verhält, also selbst bei negativen Börsenpreisen Strom erzeugt. Die Gründe hierfür können beispielsweise anderweitige Verdienstmöglichkeiten wie Wärmebelieferung und Eigenversorgung sein. Quelle: Abbildung 2

Die unabdingbare „Mindesterzeugung“ konventionellen Stroms mittels großer rotierender Massen wird also im Wesentlichen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität benötigt und ist momentan unvermeidbar, obwohl diverse Versuche unternommen wurden deren Ausmaß zu reduzieren. Hintergründe sind in verschiedenen Veröffentlichungen im Netz detailliert zu finden (Abbildung 3). […]“

Wer weitere Hintergrundinformationen des promovierten Physikers zum Thema lesen möchte, findet diese unter Abbildung 4. Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen?

Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.

Rüdiger Stobbe betreibt seit vier Jahren den Politikblog  www.mediagnose.de




Woher kommt der Strom? Das komplette Dilemma einer stark schwankenden Wind- und Sonnenstromerzeugung

Deshalb wird die Vorwoche in den Charts der Woche 5 diesmal mit berücksichtigt. Damit wird das Problem veranschaulicht, das sich ergibt, wenn der erneuerbare Energieträger Wind mal sehr wenig, mal sehr umfangreich zwecks Stromerzeugung zur Verfügung steht und vorrangig in das Stromnetz eingespeist werden muss.

Während in Woche 4 der erzeugte Wind- und Sonnenstrom an 5 Tagen auch dann nicht ausgereicht hätte, wenn die installierte Leistung Wind- und Sonnenkraft mal 5 zur Verfügung gestanden hätte, um Deutschland komplett mit Strom zu versorgen, hätte genau diese Verfünffachung in Woche 5 zu erheblichen Stromüberschüssen geführt. Dies mal als eine theoretische Annahme, die ja mitunter von Windkraftbefürwortern als Ziel angeführt wird.

Mittwoch und Donnerstag wären es dann mit jeweils 3 TWh das Doppelte des Stroms gewesen, den Deutschland im Durchschnitt pro Tag benötigt. Freitag hätte der Stromüberschuss 3,31 TWh betragen, Samstag wären es sogar 3,53 TWh gewesen.

Da Stromversorgung praktisch ein Gleichzeitigkeitsgeschäft ist und für diese Überschussmengen kaum eine Verwendung bestanden hätte, hätte man schon irgendwie „zaubern“, sprich Windkraftanlagen in erheblichem Maße abregeln müssen.  Bleibt nur zu hoffen, dass das rechtzeitig gelingen würde, sonst ist der Blackout da. Nicht wegen zu wenig, nein, wegen zu viel Strom.

Weg von der Theorie „Verfünffachung“. Selbstverständlich war mit dem massiven Anstieg der Windstromerzeugung auch ohne Verfünffachung zu viel Strom im Markt, der exportiert werden musste. Was den Verfall der Strompreise zu Folge hatte. Das, obwohl die konventionellen Stromerzeuger ihre Produktion erheblich heruntergefahren haben. Man bedenke: In der Vorwoche wurden sie noch dringend benötigt. In der 5. Woche zwar auch. Aber eben nicht mehr in dem Umfang wie zuvor. Und weil die Flexibilität konventioneller Stromerzeugung insgesamt recht gering ist, bleibt es bemerkenswert, wie schnell die konventionellen Stromerzeuger reagiert und den wirtschaftlichen Schaden begrenzt haben. Danke!

Den einen oder anderen Leser wird es vielleicht noch wundern, dass trotz des Stromüberschusses in der 5. Woche noch Strom von Deutschland importiert werden musste. Vor allem aus Frankreich. Aber auch aus Dänemark, Schweden und den Niederlanden.

Hier noch der Stromimport/Stromexport-Chart seit Beginn des Jahres, der belegt, dass Frankreich wieder eine Strommenge noch Deutschland exportieren wird, die, wie 2019, der Erzeugung eines großen Kernkraftwerks entspricht. Bleibt die Frage, wodurch der Strom des zu Jahresbeginn abgeschalteten Kernkraftwerks Philippsburg 2 herkommen wird. Eine Frage, die uns im Lauf des Jahres noch beschäftigen wird.

Die Tabelle mit den Detailzahlen zur Woche 5 unserer Analyse, die wie immer von den Energy-Charts geliefert werden, und der daraus generierte Chart.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 26.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 34,92%, davon Windstrom 19,05%, Sonnenstrom 3,17%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,70 %. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der heutige Sonntag verbindet zu Beginn noch schwache Windstromerzeugung mit geringem Bedarf. Die konventionellen Stromerzeuger gleichen den fehlenden Strom aus erneuerbaren Energieträgern nahezu komplett aus. Es wird Strom im- und exportiert. Die erzielten Preise sind unter dem Strich nicht wirklich auskömmlich, wenn man 40 €/MWh zugrunde legt. Und es wird nicht besser. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Immer dann, wenn die Erneuerbaren „auftrumpfen“, sinken die Preise. In den nächsten Tagen zieht Windstromerzeugung an. Und wie.

Montag, 27.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 47,24%, davon Windstrom 34,97%, Sonnenstrom 2,14%, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,82%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Montag scheint meine Prognose Lügen zu strafen. Eine gleichmäßige, eben noch immer mäßige Windstromerzeugung ermöglichen eine ausgewogene Versorgung Deutschlands mit Strom. Es wird vor allem nach Österreich, der Schweiz und Frankreich exportiert. Im Chart oben werden die Mengen, weil insgesamt zu gering (<0,01 TWh) nicht erfasst. Bevor es am morgigen Dienstag mit fast 50% Anteil richtig losgeht mit der Windstromerzeugung, gibt es noch eine kleine Winddelle.

Dienstag, 28.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 61,31%, davon Windstrom 49,40%, Sonnenstrom 1,79%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,12%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung zieht an. Über Tag eine kleine Delle, welche durch Sonnenstrom nahezu ausgeglichen wird. Den größten Teil des Tages erzielt Deutschland Strompreise, die unter 40 €/MWh liegen.

Mittwoch, 29.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 62,07%, davon Windstrom 50,57%, Sonnenstrom 1,72%, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,77%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Auch heute wieder 50% Anteil der Windstromerzeugung in Deutschland. Auch heute liegen die Strompreise fast den ganzen Tag unter 40€/MWh. Bemerkenswerterweise importiert Deutschland heute fast ausschließlich Strom aus Dänemark und Schweden. Aufgemerkt: In der Nacht nennenswerter Import aus Polen. Um 23:00 Uhr sind es 0,042 GW.

Donnerstag, 30.1.2020:  Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 63,16%, davon Windstrom 50,29%, Sonnenstrom 2,92%, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,94%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Heute zum dritten Mal nacheinander 50% Windstromanteil. Zum dritten Mal ist der erzielte Strompreis über den gesamten Tag nicht auskömmlich für die Stromerzeuger. Und wieder wird aus Dänemark und Schweden praktisch den ganzen Tag Strom importiert.

Freitag, 31.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 68,07%, davon Windstrom 55,42%, Sonnenstrom 2,41%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,24%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die Windstromerzeugung nimmt nochmal zu. Die konventionellen Stromerzeuger reduzieren nochmals, so dass der Strom im Markt nicht noch preismindernder als ohnehin wirkt. 40 €/MWh werden allerdings den ganzen Tag nicht erreicht.

Samstag, 1.2.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 74,51%, davon Windstrom 61,44%, Sonnenstrom 2,61%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,46%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Der nochmalige Anstieg der Windstromerzeugung mit dem verringerten Bedarf zum Samstag/Wochenende lässt die Preisdämme brechen. Nicht mal 17 €/MWh werden auch nur einmal erreicht. Dafür wird der Strom teilweise verschenkt. Viel Wind, wenig Ertrag: Energiewende pur, oder? Leider hat der Stromkunde nichts davon. Mit Dänemark, welches ebenfalls stark auf Windkraft setzt, hat Deutschland die höchsten Endverbraucherpreise für Strom in Europa. Was an den Subventionen liegt, die das EEG bereitstellt. Ohne diese wäre kaum ein Windrad in Deutschland gebaut worden.

Die Bruttostromerzeugung Jahres 2019 (607 TWh) ist in Deutschland gegenüber dem Jahr 2018 (649 TWh) um 42 TWh zurückgegangen (Abbildung, bitte unbedingt anklicken. Es öffnen sich alle Abbildungen und Mehr). Macht 6,47 Prozent weniger Strom. Das ist ganz sicher auch der Tatsache geschuldet, dass Deutschland im Sommer 2019 regelmäßig Strom aus dem benachbarten Ausland importiert hat, statt ihn selber zu produzieren (Abbildung 1). Wirtschaftliche Erwägungen sowie politisch gewollte CO2-Spargründe waren die Motivation. CO2, welches bei der Stromerzeugung im Ausland anfällt, wird Deutschland nicht angerechnet. Auch wenn es solchen Strom importiert.

Nachtrag/ Wichtige Korrektur 12.02.2020, 10.01 Uhr:

Bereits kurz nach dem Erscheinen dieses Artikels machte mich Fabian Hein – Agora-Energiewende – per E-Mail darauf aufmerksam, dass meine in der Ursprungsfassung enthaltene Kalkulation von 20 Millionen Tonnen CO2 fehlerhaft sei. Nach ausführlicher Prüfung und der Erkenntnis, dass ich einem Denkfehler aufgesessen bin, muss ich erklären, dass Herr Hein vollkommen Recht hat. Eine Terawattstunde Strom ist nicht identisch mit einer TWh Energie aus Braunkohle. Vielmehr werden gut 3 TWh Energie aus Braunkohle benötigt, um eine TWh Strom zu erzeugen. Strom ist ein sekundärer Energieträger. Der Sachverhalt trifft – mit anderen Faktoren – ebenso auf Verstromung der Primärenergieträger Steinkohle und Gas zu. Deshalb liegt der CO2-Ausstoß, wenn die korrekten Faktoren – unter Abbildung 7 abgelegt – der Berechnung zugrunde gelegt werden, bei gut 50 Millionen Tonnen. Meine  Berechnung in dieser Sache war falsch.

Eine aufmerksame Leserin machte mich ferner darauf aufmerksam, dass das Klimamanifest der Werteunion Bayern nicht mehr aufrufbar ist. Zum Glück gibt es noch ausführliche Hinweise und Erläuterungen zum Klimamanifest der Werteunion Bayern bei EIKE und der Kalten Sonne (mehr).

Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit vier Jahren den Politikblog www.mediagnose.de

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.




Woher kommt der Strom? Sehr wenig Windstromerzeugung in der 4. Woche…

Woche vom 20. bis 26.1.2019

Diesmal war es nicht ganz so arg. Dennoch hätte auch eine theoretisch angenommene Verfünffachung der installierten Leistung Wind- und Sonnenkraft an fünf von sieben Tagen der 4. Woche nicht ausgereicht, um Deutschland mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern komplett zu versorgen. 0,75 TWh – immerhin mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Strombedarfs eines Tages in Deutschland – hätten Backup-Kraftwerke zum Beispiel am 25.1.2020 zusätzlich erzeugen müssen, um die Stromversorgung sicherzustellen. Nun gibt es realiter keine Verfünffachung installierter Leistung von Wind- und Sonnenkraft, dafür gibt es zur Zeit noch eine auskömmliche konventionelle Stromerzeugung.

In einem hochinteressanten Gespräch mit einem Energie-Experten habe ich erfahren, dass die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Deutschland praktisch nicht mehr ohne weiteres aufgehalten werden kann. Die entsprechenden Vorbereitungen, vor allem auch bürokratisch-juristischer Natur, seien so weit fortgeschritten, dass ein gewünschter Weiterbetrieb ein neues Genehmigungsverfahren für jedes Kernkraftwerk erfordern würde. Das würde dauern. Klimawandel hin, Weltklimauntergang her.

Die Detailtabelle mit den Werten der Energy-Charts, sowie der daraus generierte Chart, und der Im-/Exportchart mit den saldierten Werten seit Jahresbeginn. Grundlage hierfür sind ebenfalls die Werte der Energy-Charts des Fraunhofer ISE. Der Im-/Exportchart belegt: Ohne Frankreichs Strom aus Kernkraft hätte Baden-Württemberg enorme Versorgungsprobleme. Mal schauen, was wird, wenn das Kernkraftwerk Fessenheim/Frankreich abgeschaltet wird. Im Sommer dieses Jahres ist es soweit.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 19.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 38,10%, davon Windstrom 23,02%, Sonnenstrom 2,38%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,70 %. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Gleichmäßig wenig Wind, die Sonne scheint schwach. Nach Sonnenuntergang geht die Windstromerzeugung weiter zurück. Die Stromversorgung Deutschlands ist auf Kante genäht. Aufgemerkt: Nicht, weil die konventionellen Stromerzeuger nicht könnten. Sie wollen nicht. Die Strompreise, die bisher erzielt wurden. lagen immer unter 40 €/MWh. Da lohnt das Hochfahren eines Kohlekraftwerks nicht. Auch gibt es da noch den Strom aus dem Ausland. Zur Not. Doch wehe, die Abschaltorgie Kernkraft plus Ausstieg Kohle in Deutschland greift. Das ist nicht mehr lange hin. Dann ist Holland in Not. Nicht Holland, nein: Deutschland. Wetten? Weil Holland seinen Strom selbst benötigt. Und Frankreich, und, und, und. Wenn es kalt und dunkel, wenn es windstill ist.

Montag, 20.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 27,85%, davon Windstrom 13,92%, Sonnenstrom 3,16%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,76%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Heute zeigt sich die Windstromerzeugung von der anderen Seite. Morgens wenig, nach Sonnenuntergang dann der Anstieg. Am frühen Morgen ist sie so gering, dass kurzzeitig Strom importiert werden muss. Der Preis ist niedrig. Nachts ist die Nachfrage, ist der Bedarf nicht groß. Über Tag steigert sich die Windstromerzeugung zum „Wochenbuckel“, der morgen seinen Höhepunkt erreichen wird.

Dienstag, 21.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 35,23%, davon Windstrom 21,59%, Sonnenstrom 3,98%, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,66%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Um 7:00 Uhr erreicht der Windstrombuckel mit insgesamt gut 20 GW seinen Höhepunkt. 20 GW von um 7:00 Uhr benötigten knapp 78 GW. Nach Sonnenuntergang verharrt die Windstromerzeugung um die 15 GW. Zuviel erzeugter konventioneller Strom wird bei stark schwankenden Preisen exportiert. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nein, es ist umgekehrt. Die Windstromerzeugung sinkt …

Mittwoch, 22.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 26,63, davon Windstrom 14,79%, Sonnenstrom 1,78%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,06%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Die bundesdeutsche Windstromerzeugung steuert auf einen Tiefpunkt, wenn nicht auf den Tiefpunkt des Jahres zu. In der Nacht zum Donnerstag wird es soweit sein. Bemerkenswert ist der Strompreis, der heute um 18.00 Uhr erzielt wurde. Deutschland exportierte im Saldo 3,463 GW für 65,09 €/MWh. Ist doch was, oder?

Donnerstag, 23.1.2020: Der Tiefpunkt der Wind- und Sonnenstromerzeugung 2020. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 19,14%, davon Windstrom 6,79%, Sonnenstrom 1,85%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,89%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Um 1:00 Uhr lag die Windstromerzeugung bei gerade mal 2,21 GW. Still ruhte die See. An Land wehte kaum ein Lüftchen. Es war ein windstiller Tag. Auch die Sonne konnte nichts rausreißen. Tut sie im Winter ohnehin nicht. Das liegt an der Erdachse. Die konventionellen Kraftwerke bollern, was das Zeug hält. Noch. Als ich das schreibe, wird mir irgendwie ganz flau. Ich frage mich, ob unsere Politik- und Medieneliten noch ganz bei Trost sind. Ob die sogenannte Zivilgesellschaft einschließlich Friday für Alles weiß, was sie will, was sie fordert, welche Konsequenzen das hat? Es steht zu befürchten: Diese Leute haben keinen Schimmer. Oder sie wollen den Agrarstaat Deutschland. Vorbild: Das zentrale Afrika mit etlichen Ländern nahe Null CO2-Erzeugung.

Stopp, es gibt auch Ausnahmen: Lesen Sie den neuesten Artikel von Stefan Aust zur Energiewende. Der bringt in aller Kürze das, was ich seit Jahr und Tag schreibe und mit dieser Kolumne detailliert belege.

Freitag, 24.1.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 25,29%, davon Windstrom 12,35%, Sonnenstrom 2,94%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,00%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Heute sieht es etwas besser aus mit der Windstromerzeugung. Heute werden über Tag auskömmliche Preise beim Export es zu viel erzeugten konventionellen Strom erzielt. Die Stromversorgung Deutschlands ist zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Nicht wegen der erneuerbaren Energieträger. Wegen der Zuverlässigkeit der konventionellen Stromerzeugung.

Samstag, 25.1.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 26,57%, davon Windstrom 12,59%,Sonnenstrom 2,10%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,89%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Der Windfehlalbtraum geht weiter. Dieser Samstag ist bereits der vierte aufeinander folgende Tag, an dem eine Verfünffachung der installierten Leistung Wind- und Sonnenkraft nicht ausgereicht hätte, um den Strombedarf Deutschlands zu decken. Glauben Sie bitte nicht, dass man nur den Strom aus irgendwelchen Speichern hätte nehmen müssen. Die gibt es nicht. Die wird es nicht geben. Mehr dazu ganz unten. Wieder mal. Denn die Mär von den Stromspeichern, welche die Energiewende retten, hält sich hartnäckig.

Erst ab dem 26.1.2020 nach Sonnenuntergang wird die Flaute nachlassen. Zum Glück ist es Wochenende. Der Strombedarf ist gering. Zum Glück? Die Strompreise fallen wieder. In der nächsten Woche liegen sie teilweise unter 20,- €/MWh. Immerhin besser, als Strom zu verschenken. Womöglich mit Bonus! Keine Bange. Kommt bestimmt noch.

Stromimport, Stromexport Deutschland 2019

In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich bei meinen Analysen immer wieder geschrieben, dass Deutschland in aller Regel höhere Preise zahlt, wenn es Strom importiert, als es beim Export von Strom erzielt. Umso erstaunter war ich, dass die Stromaußenhandelsstatistik, die Energy-Charts liefert, auf den ersten Blick das Gegenteil belegt (Abbildung, bitte unbedingt anklicken, es werden alle Abbildungen und Mehr geöffnet).

Eine weitergehende Analyse ergab, dass meine Aussage im Hinblick auf die meisten Länder korrekt war. Lediglich Frankreich und die Niederlande fielen aus dem Rahmen und – man lese und staune – Polen.

Deutschland exportiert praktisch jeden Tag Strom nach Polen (Abbildung 1). Das Narrativ, Deutschland importiere bei Bedarf „dreckigen“ Kohlestrom aus Polen, bewahrheitet sich 2019 nicht. Stromimport aus Polen fand praktisch nicht statt. Während bei Frankreich und den Niederlanden die Exporterlöse lediglich geringfügig über den Kosten lagen, die für Stromimporte aus diesen Ländern gezahlt werden musste, fiel der Erlös mit 62,16 €/MWh für Strom-Exporte nach Polen erheblich aus dem Rahmen. Ich habe Professor Burger, der die Energy-Charts des Fraunhofer ISE betreut, eine Mail zugesandt, der ich dieses Schaubild (Abbildung 2) beigefügt habe. Die schwarze Linie habe ich bei 62,5 €/MWh gezogen. Es ist offensichtlich, dass der Preis, den Polen an Deutschland gezahlt hat, nicht mit den Börsenpreisen korreliert. Leider verwies mich Burger lediglich an das Statistische Bundesamt, von dem die Zahlen, die er verwertet habe, stammten.

Parallel zur Mail an den Professor der Energy-Charts habe ich bei der Bundesnetzagentur nachgefragt, warum diese im Datenportal www.smard.de überhaupt keine Preise zu Polen auswirft. Die wesentlichen Teile der Antwort:

[…] Die Plattform SMARD bezieht ihre Daten im Bereich „Marktdaten visualisieren“ direkt vom Verband der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) und fragt sie von dort automatisch ab. ENTSO-E bekommt die Daten gemäß der europäischen Transparenzverordnung (Verordnung (EU) Nr. 543/2013) gemeldet. Die gelieferten Daten von ENTSO-E werden von uns zunächst geprüft, anschließend weiterverarbeitet und auf SMARD übersichtlich aufbereitet und zum Download bereitgestellt. Polnische Großhandelspreise wurden für den Zeitraum vom 02.03.2017 bis 19.11.2019 in der Währung PLN/MWh veröffentlicht. Leider ist es uns aus technischen Gründen nicht möglich auf SMARD einen flexiblen Wechselkurs zu konfigurieren, um die Preise durchgehend in EUR/MWh anzeigen zu lassen. Sie können daher die polnischen Großhandelspreise für den fehlenden Zeitraum nur direkt auf der ENTSO-E Transparenzplattform einsehen: Hier klicken. […] (Abbildung 3)

Einen Schritt weiter ging die Antwort von Fabian Hein, Analyst und verantwortlich für das Agorameter bei Agora-Energiewende, der mir die polnische Webseite nannte, die Agora zur Datenermittlung verwendet. Abbildung 4 wirft für den Zeitraum von 2009 bis 2019 die Preise pro MWh Strom in polnischen Złoty aus. Tatsächlich sind in den vergangenen 1 1/2 Jahren die Importstrompreise angezogen. Der polnische Złoty hat einen Wert von aktuell etwa 0,23 Euro. Weshalb nun aber Polen so viel mehr Stromimportkosten als unsere übrigen Nachbarn an Deutschland zahlt, konnte mir niemand erklären. Und dies, obwohl ich konkret nach Sondereinflüssen gefragt habe.

Frankreich Stütze der bundesdeutschen Stromversorgung

Wie auch immer. Ich habe bei meiner Analyse  des bundesdeutschen Stromaußenhandels 2019 Polen einmal komplett außen vor gelassen (Abbildung 5). Damit stimmt meine Aussage für das Jahr 2019 auch im Mittel. Der Durchschnittspreis, den Deutschland für Stromimporte zahlen musste, lag bei 45,08 €/MWh. Beim Stromexport erlöste Deutschland pro MWh 44,42 €.

Wenn die Erlöse durch den Stromexport nach Polen berücksichtigt werden, dreht sich das Bild. Nun werden für Importe wiederum die 45,08 €/MWh bezahlt, Exporte hingegen bringen 46,89 €/MWh. Polen sei Dank. (Abbildung 6)

Wenn Sie sich den Chart unter Abbildung 6 genauer anschauen, erkennen Sie, dass Deutschland besonders viel Strom nach Österreich und in die Schweiz exportiert hat. Von dort wurde auch eine Menge Strom importiert. Für beide Länder ein gutes Geschäft, wenn man die Im-/Exportpreise jeweils vergleicht. Sie differieren wesentlich stärker als die oben genannten Durchschnittspreise.

Frankreich und die Niederlande exportieren ebenfalls Strom nach Deutschland. Wobei Frankreich praktisch eine der Stützen der bundesdeutschen Stromversorgung, vor allem Baden-Württembergs ist. Strom in einer Menge, welche praktisch von 1 1/2 Kernkraftwerken produziert wird, wurde aus Frankreich importiert. Deutschland zahlte dafür etwas weniger, als es für den – verhältnismäßig geringen – Export nach Frankreich erzielte. Aus den Niederlanden wurde mit über 5 TWh ebenfalls eine große Menge Strom importiert. Deutschland exportierte gleichwohl viel mehr Strom in die Niederlande. Und machte unter dem Strich damit Gewinn.

Abbildung 7 weist die Kosten und die Erträge aus, die im Jahr 2019 für die Stromerzeuger Deutschlands anfielen. Saldiert wurden 27,251 TWh Strom exportiert. Deutschland hat 49,37 €/MWh erhalten, wenn man die polnischen Importe und dessen Ertrag für Deutschland berücksichtigt. Rechnet man Polen heraus, sind es 42,80 €/MWh. Was bemerkenswerterweise annähernd dem Preis entspricht, den Abbildung 3 zum Ende des Jahres 2019 in Polen hergibt.

An dieser Stelle möchte ich noch mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass Stromversorgung ein Gleichzeitigkeitsgeschäft (Abbildung 8) ist. Strom muss genau dann produziert werden, wenn er, wenn die zu transportierende Energie benötigt wird. Was in der einen Sekunde noch genau passend war, kann in der nächsten schon zu wenig oder zu viel sein. Deshalb kommt es bei einem Industrieland wie Deutschland mit hoher schwankender Stromerzeugung (Wind- und Sonnenkraft, Abbildung 9). Genau deshalb finden permanente Stromimporte, Stromexporte statt. Das Stromnetz muss zu jeder Zeit austariert, „ausgeregelt“ werden, damit die Netzfrequenz 50 Hertz exakt eingehalten wird. Zuviel Strom ist genauso gefährlich für die Versorgungssicherheit wie zu wenig Strom. Ein höchst komplexer, permanenter Vorgang, der den Ingenieuren und Mitarbeitern der Stromerzeuger und Netzübertragungsbetreiber höchste Konzentration und Unmengen Know-how abverlangt sowie eine Menge Erfahrung erfordert.

Stromspeicher

Nun meinen manche Zeitgenossen, die sich in aller Regel recht wenig mit der Materie beschäftigt haben, dass das Problem doch mit genügend Stromspeichern gelöst werden könne. Und in der Tat. Immer wieder wird von neuen Speichermöglichkeiten berichtet, die suggerieren, jetzt sei der „Durchbruch“ gelungen, die Energiewende, die faktisch nur eine Stromerzeugungswende ist, sei gerettet.

Aktuell wird über die Möglichkeit berichtet, mittels Luftverflüssigung, das Problem zu lösen. Lassen Sie sich nicht täuschen. Eine Pilotanlage ist „schnell“ aufgebaut. Funktionieren tut das Konzept auch. Was aber immer wieder vollkommen falsch eingeschätzt wird, sind die Strommengen, die im Falle eines Falles (Wind und Sonnenkraftwerke liefern viel zu wenig Strom wie zum Beispiel diese Woche) bereitgestellt werden müssten. Abbildung 10 stellt die neuartige Anlage aus England vor. Dort gibt es auch einen Link zu einem Artikel mit meiner Einschätzung und realistischen Zahlen.

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Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit 4 Jahren den Politikblog  www.mediagnose.de.

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.




Woher kommt der Strom? – Der schwarze Mittwoch

(Abbildung, bitte unbedingt anklicken, Sie öffnen damit alle Abbildungen)

Ohne die Option konventioneller Stromversorgung zumindest in Form von Gaskraftwerken als Back-up – mindestens 80 GW installierte Leistung inkl. Reserve / aktuell 30 GW – zu den Erneuerbaren kann eine Energiewende auch nur im Bereich Strom – Bedarfsstand heute – nicht gelingen. Ob solch ein Unterfangen angesichts der exorbitanten Kosten, der vielfältigen Schäden, die bei Menschen und Umwelt angerichtet werden, noch im Verhältnis zum erhofften Nutzen steht, ist mehr als fraglich. So wird kein Klima gerettet, so wird der Industriestandort Deutschland sukzessive platt gemacht.

Da sollte die momentan noch verantwortliche Politkaste in Deutschland doch mal darüber nachdenken, ob sie nicht die Möglichkeiten der Stromversorgung mittels CO2-freier Kernenergie wieder in die aktuelle Diskussion einbringt. Wie es das EU-Parlament bereits macht. In der Entschließung vom 28.11.2019 zur UN-Klimakonferenz COP 25 in Madrid heißt es:

Das Europäische Parlament (59.) ist der Ansicht, dass die Kernenergie zur Verwirklichung der Klimaschutzziele beitragen kann, da bei ihrer Erzeugung keine Treibhausgase emittiert werden und dabei auch ein erheblicher Teil der Stromerzeugung in der EU sichergestellt werden kann; vertritt jedoch die Auffassung, dass für diese Energie aufgrund der bei ihrer Erzeugung anfallenden Abfälle eine mittel- und langfristige Strategie erforderlich ist, in der dem technischen Fortschritt (Laser- und Fusionstechnik usw.) Rechnung getragen wird, um die Nachhaltigkeit des gesamten Wirtschaftszweigs zu verbessern; (60.) […] Quelle: Hier klicken.

Die 47. Woche war im Bereich erneuerbare Stromversorgung stark volatil. Neben dem bereits erwähnten 20.11. war der 21.11.2019 ebenfalls sehr arm an Wind- und Sonnenstromerzeugung. Am 19.11. hingegen erzeugten Windkraftwerke on- und offshore um 2:00 Uhr fast 32 GWh in der Stunde. Zum Vergleich: 24 Stunden später war es nicht mal mehr eine GWh in der Stunde!

Hier der Im-/Exportchart, die Tabelle mit den Detailzahlen der Energy-Charts und der daraus generierte Chart.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 17.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 35,77 Prozent

Wenig Bedarf, kaum schwankende Wind- und Sonnenstromerzeugung. Es ist Sonntag. Keine besonderen Vorkommnisse. Alles im grünen Bereich. Klar, die konventionellen Kraftwerke müssen die Differenz Erneuerbarer Strom zum Strombedarf dazu erzeugen. Doch das müssen sie schließlich immer. Also kaum der Erwähnung wert. Hier die Strompreise mit den Im-/Exportdaten

Montag, 18.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 38,13 Prozent und Dienstag, 19.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 35,71 Prozent

Bis 11:00 Uhr fällt die Windstromerzeugung ab, was aber durch die Herbstsonne strommäßig ausgeglichen wird. Ab Mittag steigt die Windstromerzeugung dann kontinuierlich an. Sie erreicht, wie bereits oben erwähnt, in der Nacht um 2:00 Uhr am 19.11. ihren Höhepunkt. Um dann den ganzen Tag über abzufallen. Um 23:00 Uhr am 19.11.2019 beläuft sich die Windstromerzeugung nur noch auf etwas über 2 GWh in der Stunde. Die konventionelle Stromerzeugung passt sich der Lage an. Eine feine Leistung der Ingenieure und Experten in den (vor allem Kohle-)Kraftwerken, bei den Netzbetreibern. Es wird Strom exportiert.

Mittwoch, 20.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 15,75 Prozent (Wind/Sonne = 0,06 TWh / Biomasse Wasserkraft = 0,17 TWh / Gesamtbedarf 1,5 TWh)

Der Schwarze Mittwoch der Wind- und Sonnenstromerzeugung. Die findet heute fast gar nicht statt. Eine Verzehn-, eine Verzwanzigfachung der bestehenden installierten Leistung Sonnen- und Windkraft hätte heute nicht ausgereicht. Es muss ab 13:00 Uhr Strom importiert werden. Die konventionellen Stromerzeuger kommen trotz aller Reserven nicht nach. Dieser Mittwoch ist unter dem Strich ein Desaster für die Machbarkeitswahrscheinlichkeit der Energiewende Strom; ein Desaster für Menschen, die glauben, dabei ohne konventionelle Stromerzeugung auskommen zu können.

Donnerstag, 21.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 21,05 Prozent

Heute ist es zwar nicht ganz so duster wie am gestrigen Mittwoch. Was Sonnen- und Windstrom anbelangt. Dennoch, auch der Donnerstag ist ein eindeutiges Signal an die Freunde der Energiewende Strom: Mann kann glauben, Frau kann hoffen: Wenn der Wind wenig weht, die Sonne kaum scheint, dann ist Schluss mit lustig. Dann muss der Strom woanders herkommen. Oder er wird zugeteilt (siehe unten). Oder die Lichter gehen aus. Hier der Im-/Exportchart.

Freitag, 22.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 30,92 Prozent und Samstag, 23.11.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 56,29 Prozent

Der Wind berappelt sich, die Herbstsonne scheint wieder etwas kräftiger. Was sich am Freitag andeutet, kommt am Samstag zum Tragen. Wind-/Sonnenstromerzeugung ziehen massiv an. Der Bedarf sinkt, und schwupp-di-wupp ist alles wieder in einem Bereich, bei dem unsere Wendefreunde sagen: Über 50% des benötigten Stroms werden von Wind und Sonne produziert. Super! Nein, nicht super. Das sage ich! Der Im-/ Exportchart belegt, dass zu viel Strom im Markt ist, der unter Gestehungskosten abgegeben werden muss. Auf der anderen Seite kann Deutschland froh sin, dass es noch über einen großen konventionellen Kraftwerkspark verfügt, der einigermaßen flexibel auf die massiven Schwankungen in der Stromerzeugung reagiert. Denn noch ist die Stromversorgung Deutschlands am Bedarf orientiert. Was sich, wenn es nach den Vorstellungen rot-grüner Zeitgenossen ginge, jedoch ändern soll.

An den Rand eines Herzkaschperls

Am 25.11.2019 gab es einen bemerkenswerten Talk bei Phoenix. Im Rahmen des Formats „Unter den Linden“ sprachen, diskutierten Ingrid Nestle, ihres Zeichens energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, und Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Vorab: Für Sinn war es eine Veranstaltung, die ihn an den Rand eines Herzkaschperls (Abbildung 1) gebracht hat. Die Sendung war höchst aufschlussreich, was die Vorstellung der Grünen in Sachen Energiewende, in Sachen „Woher soll der Strom denn kommen?", anbelangt. Deshalb werden die wichtigsten Aspekte und die nicht mehr für die Öffentlichkeit bestimmte Schlussbemerkung von Hans-Werner Sinn Thema dieses Artikels sein.

Am Anfang ist alles noch recht entspannt. Sinn stellt die Kernfrage bei einer Stromversorgung durch stark schwankende Energieträger Wind und Sonne: Woher soll der Strom kommen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? (Abbildung 2) Es kommt eben doch vor, Wind und Sonne gleichzeitig nur geringe Mengen Strom erzeugen, wie der 20.11.2019 eindrucksvoll beweist. Doch Dr. Ingrid Nestle hat die Antwort, die das Problem löst, parat: Speicher. Eine Antwort, die mittlerweile jeder bringt, der meint, die Energiewende am Stammtisch retten zu müssen. Nun weiß Frau Dr. Nestle selbstverständlich, dass physikalische echte Speicher jetzt und in Zukunft durchaus nicht so viel Strom bevorraten können, um den Strombedarf auch nur eines Tages in Deutschland zu decken. Deshalb bringt sie neue Speicher ins Spiel:

Vorher singt sie allerdings noch ein Loblied auf Pumpspeicherkraftwerke, die ohnehin nie ausgelastet seien, mit denen man praktisch kein Geld mehr verdienen könne. Frau Nestle weiß offensichtlich nicht, dass Pumpspeicher zu den konventionellen Kraftwerken zählen, die immer mit überschüssigem, konventionell erzeugtem Strom gefüllt werden. Wie auch immer: Frau Dr. Nestle nimmt also die „Flexibilitäten“ und benennt diese in „virtuelle Speicher“ um. Weil sie halt nicht Speicher heißen und deshalb in der öffentlichen Debatte vergessen würden, sei eine solche Umbenennung sinnvoll, so Frau Nestle. Als Beispiel nennt sie Trimet in Essen, die schon eine ganze Produktionslinie entsprechend umgestellt habe. Faktisch glaubt Frau Nestle, dass vor allem in der energieintensiven Industrie mögliche Lastverschiebungen Speicher seien. Was Unfug ist. Es sind faktisch Lastabwürfe = Stromabschaltungen, die bereits heute bei Strommangel möglich und (finanziell & gesetzlich) geregelt sind. Das verschweigt Frau Nestle. Sie meint im Gegenteil, dass momentan Kohlekraftwerke zwischen dem Markt und den Speichern stünden wie eine dicke Wand, denn die Kohlekraftwerke seien billiger als der Strom aus den Speichern. Das sei gewollt. Von der Bundesregierung. Meint Frau Nestle.

Wenn denn nun endlich Kohlekraftwerke abgeschaltet würden, dann könnte die Nachfrage nach den Speichern aufgebaut werden. Frau Nestle erwähnt ganz kurz den Begriff „Demand Side Management“:

Als Demand Side Management (DSM), auch Lastmanagement genannt, bezeichnet man die Steuerung der Stromnachfrage vor allem in der Industrie durch das gezielte Ab- und Zuschalten von Lasten aufgrund von Marktsignalen. Dies kann geschehen, indem Prozesse gelenkt werden, für die sich der Stromeinsatz variieren lässt – zum Beispiel in Mühlen, Öfen oder Pumpen. Unternehmen können mithilfe flexibler Prozesse dazu beitragen, Schwankungen der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszugleichen, indem sie die flexible Leistung vermarkten, unter anderem als Regelleistung. Auch die Preismechanismen an der Strombörse lassen sich für DSM nutzen. Wenn Unternehmen kurz- und mittelfristig auf prognostizierte Preissignale reagieren, können sie so ihre Strombezugskosten senken. (Quelle mit weiteren Erläuterungen: Abbildung 3)

Lastverschiebung ist kein Speichern

Das Ab- und Zuschalten von Lasten ist kein Speichern von Strom, sondern die Anpassung der Nachfrage an das Stromangebot. Ähnliches soll auch mittels der Smart-Meter in Haushalten realisiert werden. Entscheidend in den Bereichen Industrie, Haushalte, Verkehr (Strom tanken, wenn verfügbar), ist, dass ein Paradigmenwechsel weg von der „Stromerzeugung nach Bedarf“, hin zur „Steuerung des Bedarfs je nach Stromverfügbarkeit“ stattfindet, stattfinden soll. Was faktisch die Zuteilung von Strom bedeutet. Es ist ein Schritt Richtung Mangelwirtschaft. Was in der Industrie vielleicht noch in eingeschränkten Rahmen machbar ist, wird beim Abschalten der Wohnungsheizung wegen Strommangels, das Verschieben des Kochens am Abend womöglich auf Brunch am anderen Morgen schon ärgerlicher. Hans-Werner Sinn schaut denn auch während der Ausführungen von Frau Nestle immer unmutiger drein. Die nicht müde wird, viele kleine angebliche „Speichermöglichkeiten“ aufzuzählen, die einen Strommangel aus Erneuerbaren wie am 20.11.2019, 24.1.2019 und an etlichen weiteren Tagen allein im Jahr 2019 nicht nur annähernd ausgleichen können. Auch wenn sie behauptet, dass dies alles „durchgerechnet` sei. Es ist Unfug, zu glauben, dass mit allen diesen Maßnahmen eine bedarfsorientierte Stromversorgung möglich sei. Mangelwirtschaft wird das Ergebnis sein. Und genau diese Mangelwirtschaft wird offenbar gewünscht.

Wenn man Strommangelwirtschaft nicht möchte – ich bin sicher, dass 95 Prozent der Bevölkerung das nicht möchte – ist das notwendig, was Sinn im Talk-Ausschnitt Abbildung 4 erklärt. Frau Dr. Nestle schüttelt permanent den Kopf. Sie will das nicht wahrhaben. Oder sie will eine andere Art der Versorgung der Bevölkerung mit Strom. Die der Zuteilung. Je nachdem, wie der Wind weht, die Sonne scheint.

Im dritten Ausschnitt (Abbildung 5) erläutert Ökonom Sinn die Sinnlosigkeit des deutschen Sonderwegs in Sachen Energiewende. Frau Nestle sieht das – erkennt man am Kopfschütteln zum Schluss – selbstverständlich vollkommen anders. Sie schlägt vor, dass Emissionszertifikate gelöscht, nicht verkauft werden. Warum sollte das der Besitzer dieser Zertifikate das tun? Geld in die Tonne kloppen? Oder entschädigt der Steuerzahler?

Im Zusammenhang mit dem Verkauf oder der Löschung von Emissionszertifikaten ein Einschub: Die Kohlekraftwerke, die hier in Deutschland abgeschaltet wurden/werden, was geschieht mit denen? Verschrotten? Warum? Andere Länder brauchen Strom, haben Kohle, also verkauft man diesen Ländern doch sinnvollerweise die hier nicht mehr benötigten Kraftwerke (Abbildung 6). Das spart zwar überhaupt kein CO2 ein. Doch Deutschland wendet die Energie. Schaltet ab. Baut um. Die Energieversorgung. Von einem der besten, zuverlässigsten und sichersten Energieversorgungssysteme der Welt in ein zukünftiges System der Mangelversorgung mit Strom. Mit weitreichenden Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftssystem der Bundesrepublik. Welches mit diesen Ideen Zug um Zug vernichtet wird. Stattdessen wird es so etwas geben wie anno dazumal in der DDR und anderen sozialistischen Staaten. Mangelwirtschaft. Mittels Energiewende statt Revolution. Das Ergebnis ist das gleiche. Nur dass der Bürger das Ganze ohne Murren über sich ergehen lässt. Und zahlt.

Die Faxen dicke

Hans-Werner Sinn jedenfalls hat zum Schluss des Talks die Faxen echt dicke (Abbildung 7). Hatte er noch während der Sendung eine physische Abwehrhaltung angesichts der „Erklärungen“ von Frau Dr. Nestle, fuchtelt er am Ende im Stil eines verzweifelten Boxers Richtung Nestle. Denn die warf dem Mann „Spaltung“ vor und brachte dann auch noch das Schauerbild von den „Kindern, denen wir eine Müllhalde“ hinterlassen. Dann redet die gute Frau davon, dass Oman jetzt bereits Sonnenstrom exportiert. Damit bringt sie wieder einen Punkt ins Spiel, der mit verantwortungsbewusster Energiepolitik nichts, aber auch gar nichts zu tun hat, weil es einfach nur eine unwahre Geschichte ist (Abbildung 8). Dann kommen noch mal „unsere Kinder“ dran. Prof. Sinn versucht zu erklären, dass eins plus ein gleich zwei seien. Es nutzt nichts. Ganz am Ende – als er bereits glaubt, nicht mehr auf Sendung zu sein – ließ der Professor den Begriff  „primitiv“ fallen, wobei er fest mit der Faust auf den Tisch klopft. (Abbildung 9). Hören Sie mal genau hin. Abbildung 10 bringt den gesamten Talk ohne Unterbrechung in voller Länge.

Sinn glaubte, dass Frau Dr. Nestle eine bedarfsorientierte Stromversorgung nach der Energiewende aufrechterhalten will. In diesem Glauben argumentierte er. Faktisch aber will Frau Nestle den Umstieg in eine angebotsorientierte Stromzuteilung. Wenn Strom vorhanden ist, wird er an die Industrie, das Gewerbe, den Bürger „verteilt“. Wenn nicht, dann eben nicht. Das ist der Grund, weswegen die Diskutanten fast immer aneinander vorbeireden. Hans-Werner Sinn schafft es nicht, von der physikalischen auf die politische Ebene zu schwenken und diesen Paradigmenwechsel – „Stromversorgung nach Bedarf“ in „Stromzuteilung von erzeugtem Strom, wenn vorhanden“ – herauszuarbeiten. Schade.

Eine Korrektur

Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass mir im Artikel vergangener Woche ein Fehler unterlaufen ist: Bis 2023 sollten 30 GW installierte Leistung Kohle wegfallen. Richtig ist, dass der Kohleausstieg mit dem Wegfall von 12,5 GW installierter Leistung bis 2023 eingeläutet werden soll. Aktuell sind 43,87 GW Kohleleistung (Abbildung 11) insgesamt installiert. Ab 2023 stehen dann noch gut 30 GW zur Verfügung. Diese installierte Leistung Kohlekraftwerke allerdings reicht vollkommen aus, um den aktuell produzierten Kohlestrom auch weiterhin herzustellen. 203,82 TWh waren es 2018. Dafür ist eine installierte Leistung von gut 23 GW notwendig. Die angekündigte Abschaltung von 30 GW installierte Leistung im Artikel bis 2023 war nicht korrekt. Es werden 12,5 GW abgeschaltet und gut 30 GW verbleiben. Bis zum endgültigen Kohleausstieg in Deutschland. Ein Ausstieg, der bezogen auf den CO2-Ausstoß der Welt keinen Einfluss haben wird, wie Prof. Sinn erläutert hat.

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Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Rüdiger Stobbe betreibt seit über 3 Jahren den Politikblog  www.mediagnose.de.

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.