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Woher kommt der Strom? Schwachwindphase

10. Analysewoche

Am Sonntag wurde beim Stromexport noch richtig Geld mitgegeben; im Verlauf der Woche blieben die Preise positiv, wenn auch allermeistens nicht auskömmlich. Jedenfalls nicht für die deutschen Stromerzeuger. Ein Blick auf die konventionelle Stromerzeugung belegt, wie diese „rotiert“. Kontinuität ist praktisch gleich Null. Lediglich die Stromerzeugung mittels Kernkraft weist kaum Schwankungen auf. Dazu unten mehr.

Hier wie immer die Tabelle mit den Detailzahlen der Energy-Charts und der daraus generierte Chart, die Import-/Exportwerte der Woche und die kumulierten Werte des bisherigen Jahres.

Die Tagesanalysen

Sonntag, 1.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 70,75%, davon Windstrom 57,17%, Sonnenstrom 7,48%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,56%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Bis 15:00 Uhr sind die Strompreise noch negativ. Dann lassen Wind- und Sonnenstromerzeugung rapide nach. Die konventionelle Stromerzeugung zieht an. Der Strompreis wird positiv, ist aber durchaus nicht auskömmlich.

Montag, 2.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 40,28%, davon Windstrom 20,83%, Sonnenstrom 7,64%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,81%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Bedarf steigt, die Windstromerzeugung sinkt, und mit nachlassender Sonnenstromerzeugung ab 14:00 Uhr entsteht eine lang andauernde Stromversorgungslücke, die trotz massiv hochgefahrener konventioneller Stromerzeugung nicht mehr geschlossen werden kann. Bemerkenswerterweise bleiben die Importstrompreise moderat.

Dienstag, 3.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 35,06%, davon Windstrom 18,83%, Sonnenstrom 5,19%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,04%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Um 5:00 Uhr – die Sonne geht auf – endet die Stromunterdeckung. Die Windstromerzeugung verharrt auf recht niedrigem Niveau. Dennoch: Wegen der weiter hohen konventionellen Stromerzeugung – es rechnet sich nicht diese herunterzufahren, weil sie nach Sonnenuntergang vorhersehbar wieder benötigt wird – ist über Tag viel Strom in Markt, der abgegeben werden muss. Zu moderaten Preisen. Dennoch tut sich um 18:00 Uhr eine „Minilücke“ auf. Da springt der Preis schon mal locker auf 55,98 €/MWh für 1,573 GW, die saldiert importiert werden müssen. Eine Stunde später erhält Deutschland 56,90 €/MWh für 0,306 GW, die per Saldo exportiert werden. Auch das gibt es.

Mittwoch, 4.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 32,26%, davon Windstrom 15,48%, Sonnenstrom 5,82%, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,97%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Auch am heutigen Mittwoch bleibt die konventionelle Stromerzeugung auf hohem Niveau, obwohl die Sonnenstromerzeugung befriedigend ist. Überhaupt sind die Verhältnisse den gestrigen sehr ähnlich, wie hier sehr schön beobachtet werden kann.

Donnerstag, 5.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 38,56%, davon Windstrom 21,57%, Sonnenstrom 5,88%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,11%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken

Ab Mittag zieht die Windstromerzeugung massiv an. Musste am Morgen noch eine mehrstündige Stromunterdeckung geschlossen werden, fahren die konventionellen Stromerzeuger nun ihre Stromerzeugung herunter. Das gelingt gut. Dennoch: Je mehr regenerativ erzeugter Strom in den Markt kommt, desto geringer werden die Preise. Um 8:00 Uhr erzielte Deutschland fast 55 €/MWh für knapp 2 GW.

Freitag, 6.3.2020: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 51,32%, davon Windstrom 37,5%, Sonnenstrom 2,63%, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,18%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Der Freitag zeichnet sich durch tendenziell leicht abnehmende Stromerzeugung aus. Deutschland exportiert fast den ganzen Tag per Saldo Strom. Lediglich um 15:00 und 16:00 Uhr muss eine geringe Menge zu höchst moderaten Preisen importiert werden. Die 40-€/MWh-Marke wird den ganzen Tag nicht einmal erreicht.

Samstag, 7.3.2020: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 50,00%, davon Windstrom 31,06% Sonnenstrom 6,06%, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,88%. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.

Auch heute wird die 40-€/MWh-Marke nicht erreicht. Deutschland exportiert bis auf 16:00 bis 19:00 Uhr den ganzen Tag Strom. Um 19:00 Uhr wird denn auch der Tageshöchstpreis aufgerufen: 39,95 €/MWh. Zum Sonntag steigt die Windstromerzeugung wieder an. Was bedeutet, dass die Preise in den Keller gehen. Mehr dazu in der nächsten Woche.

Kernkraftwerke und negative Strompreise

Von einer engagierten Familie aus Ostbayern, der aufgefallen ist, dass insbesondere Kernkraftwerke auch dann nicht heruntergefahren werden, wenn die Strompreise negativ werden, wurde die Frage aufgeworfen, warum dies so sei.

Sehr geehrter Herr Stobbe, 

[…] Bitte beachten Sie bzgl. der Stromerzeugung, aber auch den Anteil, den die sechs verbliebenen Kernreaktoren in Deutschland an zeitweise negativen Strompreisen haben: 

16.Feb. 2020, 14:15 Uhr: Import-Saldo -13 GW; trotzdem liefern die sechs AKW 5,1 GW, was 63% ihrer Nennleistung von nahezu 8.1 GW entspricht. Gemäß Betriebshandbücher der KKW „Auch der UNTERE LASTBEREICH (zwischen 20 UND 50% [DWR] bzw. 60% [SWR]) ist laut Betriebshandbücher möglich, allerdings wurde in Gesprächen mit Kraftwerksbetreibern deutlich, dass dieser bis jetzt (abgesehen von An- und Abfahrvorgängen) nicht im regulären Betrieb eingesetzt wird.“ (Abbildung) Rechnet man also 20% Minimalleistung, so sind das 0,2 x 8,1 GW = 1,6 GW technisch mögliche AKW Minimalleistung –> Der Export hätte somit von 13 GW auf 9,5 GW verringert werden können, wenn die AKW eben nicht mit 5,1 GW sondern mit den doch technisch möglichen 1,6 GW gefahren wären! D.h. der Kernkraftstrom war für 27% der Exportüberschüsse und deren Kosten verantwortlich! 

Dass es andere Nachteile (wie nur noch langsameres Wiederhochfahren der Reaktoren auf z.B. Nennleistung sowie mehr Ermüdung) in dieser Betriebsart gibt, sei unbestritten. Grafisch haben wir das aufgearbeitet. (Abbildung 1) Wenn wir da etwas grob falsch verstehen, würden wir uns über Ihre entsprechende Rückmeldung freuen. Mit freundlichem Gruß Familie NB, Ostbayern 

Die Antwort, die mit der tatkräftigen Unterstützung eines promovierten Physikers, der jahrzehntelang im Kernkraftwerksbereich tätig war, formuliert wurde:

Weshalb bleiben selbst bei hoher Stromproduktion aus Windenergie konventionelle Kraftwerke – insbesondere Kernkraftwerke – am Netz und speisen weiter Strom ein, der dann verschenkt werden muss oder gar zu negativen Strompreisen führt? Dahinter steht der öfter von interessierter Seite geäußerte Vorwurf, die Kernkraftwerke „verstopfen“ die Netze und lassen nur dementsprechend geringere Erzeugung aus regenerativen Erzeugungen zu.

Von „Verstopfen“ im physikalischen Sinne kann natürlich nicht die Rede sein, sondern eine Bevorzugung konventioneller Energie bei der Einspeisung, trotz des Einspeisevorrangs für die regenerative Erzeugung. Sie ist nicht beschränkt auf nukleare Erzeugung, sondern betrifft auch die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Das Thema wird schon lange in verschiedenen Lobbygruppen pro Energiewende, aber auch bei der Regierung diskutiert. Im Kern geht es darum, dass in Phasen mit hohem Angebot an regenerativer Energie, die eigentlich die Nachfrage abdecken könnten, trotzdem konventionelle Erzeugungsleistung ins Netz eingespeist wird und damit regenerativ erzeugter Strom reduziert/verdrängt werden muss. Hier kommt der Begriff der „Mindesterzeugung“ ins Spiel:

Das deutsche Stromversorgungssystem erfährt seit einiger und auf absehbare Zeit eine Strukturveränderung. Sie ist das Resultat politischer Entscheidungen der Bundesregierung. Langfristiger Kern dieser politischen Entscheidungen ist die Umstellung auf eine CO2-freie und nicht-nukleare Erzeugungsstruktur. Gegenwärtig ist das Phänomen zu beobachten, dass ein gewisser Teil der Einspeisung aus konventionellen Kraftwerken nur unflexibel auf Börsenpreise reagiert, also sogar bei negativen Börsenpreisen einspeist. Die Bundesnetzagentur hat dieses Phänomen in ihrem Bericht über die Mindesterzeugung untersucht.

Die Mindesterzeugung entspricht der Einspeiseleistung, die direkt einem netztechnischen Grund bzw. einer Systemdienstleistung zurechenbar ist. Sie kann daher nicht vom Netz genommen werden.

Diese Mindesterzeugung ist vom sogenannten konventionellen Erzeugungssockel zu unterscheiden. Dieser umfasst Kraftwerksleistung, die sich ebenfalls preisunelastisch verhält, also selbst bei negativen Börsenpreisen Strom erzeugt. Die Gründe hierfür können beispielsweise anderweitige Verdienstmöglichkeiten wie Wärmebelieferung und Eigenversorgung sein. Quelle: Abbildung 2

Die unabdingbare „Mindesterzeugung“ konventionellen Stroms mittels großer rotierender Massen wird also im Wesentlichen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität benötigt und ist momentan unvermeidbar, obwohl diverse Versuche unternommen wurden deren Ausmaß zu reduzieren. Hintergründe sind in verschiedenen Veröffentlichungen im Netz detailliert zu finden (Abbildung 3). […]“

Wer weitere Hintergrundinformationen des promovierten Physikers zum Thema lesen möchte, findet diese unter Abbildung 4. Ordnen Sie Deutschlands CO2-Ausstoß in den Weltmaßstab ein. Zum interaktiven CO2-Rechner: Hier klicken. Noch Fragen?

Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.

Zuerst erschienen bei der Achse des Guten; mit freundlicher Genehmigung.

Rüdiger Stobbe betreibt seit vier Jahren den Politikblog  www.mediagnose.de




Die Kraft-Wärme-Kopplung

Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) beruht auf der kombinierten Nutzung der Energie eines Brennstoffs in Form von Strom und Dampf für die Wärmeversorgung oder als Prozesswärme. Reine Kondensationskraftwerke arbeiten den Dampf in der Turbine bis zum Kondensationsniveau im Vakuumbereich bei etwa 36 Grad Celsius ab. Die anfallende Niedertemperaturwärme lässt sich kaum nutzen und muss über Kühltürme oder Durchflusskühlung an die Umwelt abgeführt werden. Je nach Standort können eventuell noch Gewächshäuser beheizt werden.

Entnimmt man der Turbine Dampf mit höheren Parametern, kann mit diesem über Vorwärmer ein Heiznetz versorgt werden, am Ende muss weniger Abwärme an die Umgebung abgegeben werden. Dadurch steigt der Grad der Brennstoffausnutzung, was die Effektivität der Anlage erhöht und preisgünstig und emissionsarm Wärme bereitstellt.

Dieses Prinzip funktioniert unabhängig vom verwendeten Brennstoff. Krönung in der Anwendung sind moderne GuD-Anlagen auf Erdgasbasis, die Verbrennungswärme in einer Gasturbine, Rauchgaswärme über einen Wasser-Dampf-Kreislauf in einer Dampfturbine und Fernwärme über Dampfentnahmen nutzen. Nur über dieses Prinzip sind Gaskraftwerke bei uns derzeit wettbewerbsfähig.

In großen Kondensationskraftwerken auf Kohlebasis bietet es sich an, KWK wenigstens teilweise zu nutzen. Teils wurden die Anlagen dafür ausgelegt, teils erst später nachgerüstet. So werden Cottbus, Spremberg, Senftenberg und Weißwasser in der Lausitz von den Braunkohlekraftwerken Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg mit Fernwärme versorgt oder mitversorgt.

Nun stellen Energieideologen fest, dass es gute und böse Fernwärme gibt. Ein krasses Beispiel dazu liefert die Geschichte des Hamburger Steinkohlekraftwerks in Moorburg. Platzhirsch Vattenfall kündigte 2004 an, einen 700-Megawatt-Steinkohleblock an die Stelle eines alten Ölkraftwerks zu setzen. Die CDU-Alleinregierung der Hansestadt ermutigte Vattenfall, einen Doppelblock zu bauen, was der Norddeutschen Affinerie erspare, in ein eigenes Kraftwerk zu investieren. Es entstand ein Projekt über ein Kraftwerk mit 1.640 Megawatt Leistung. Nach den Wahlen 2008 ging eine CDU-Grünen-Regierung ans Werk. Der Erste Bürgermeister Ole von Beust (nun verächtlich als „Kohle-Ole“ betitelt) hielt am Kraftwerksbau fest. Die Grünen mussten zähneknirschend zustimmen, zu weit war das Projekt schon vorangeschritten. Dafür taten sie dann alles, den Bau zu behindern. Zunächst versuchten die üblichen militanten Fußtruppen die Baustelle zu stürmen, während die grüne Umweltsenatorin Hajduk an weiteren Auflagen bastelte. Vattenfall baute als Ausgleichsmaßnahme unter anderem eine –zig Millionen teure Fischaufstiegstreppe in Geesthacht, weitab vom künftigen Kraftwerk Moorburg.

Klimagerechte Baubehinderung

2008 klagte Vattenfall gegen die strikten Einschränkungen der Genehmigung, letztlich sogar gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Weltbank-Schiedsgericht in Washington (ICISD). Man einigte sich. Im November 2011 verhinderte der Erste Scholz („G-20-Gipfel ist wie Hafengeburtstag“) die geplante Fernwärmetrasse von Moorburg nach Altona unter anderem mit dem Argument, es müssten dafür 500 Bäume gefällt werden. Das macht man heute für ein einziges Windrad im Wald, ohne mit der Wimper zu zucken. Scholz blockierte damit auch einen entscheidenden energetischen und umweltfreundlichen Vorteil: Die Kraft-Wärme-Kopplung.

Inzwischen arbeitete der BUND mit aller Kraft daran, die wasserrechtliche Genehmigung zu kippen. Letzten Endes war das erfolgreich, ein teurer Hybrid-Kühlturm musste nachgerüstet werden, der einen erheblichen elektrischen Eigenbedarf erfordert. 2015 verklagte dann sogar die EU Deutschland wegen tierschädlicher Wasserentnahme aus der Elbe. Der Betrieb über Kühlturm und ohne KWK senkt Wirkungsgrad und Brennstoffausnutzungsgrad erheblich – mit entsprechender Steigerung der Emissionen. Die ursprünglich projektierten 46,5 Prozent Wirkungsgrad können nicht mehr erreicht werden. Einige –zig Tonnen Steinkohle müssen nunmehr für die gleiche elektrische Leistung pro Stunde zusätzlich verbrannt werden.

Die Wärmeversorgung Hamburgs läuft zum großen Teil weiter über das Heizkraftwerk in Wedel, einem so genannten „Adenauer-Kraftwerk“ aus den 60er Jahren. Es sollte längst stillgelegt sein, schon 2003 dachte man über Ersatz nach. Mit dem Bau des Kraftwerks Moorburg gab es Hofftnung, den Standort gänzlich überflüssig zu machen. Nun muss in Wedel ein Neubau her, was die zuständige Bürgerinitiative natürlich verhindern will. 2021 droht der jetzigen Anlage das Zwangsaus auf Grund strengerer Emissionsgrenzwerte.

Umweltsenator Kerstan von den Grünen hat inzwischen ein Konzept. Industrielle Abwärme aus Großunternehmen wie der Kupferhütte Aurubis und dem Stahlwerk von Arcelor Mittal soll genutzt werden,  auch mit Hilfe einer Wärmepumpe die Wärme eines Klärwerks inklusive Warmwasserspeicher. Ein Konzept, aber kein Plan und auch keine Klarheit, was es kostet. Zudem gehört das Fernwärmenetz immer noch Vattenfall. Die erklärten das Kraftwerk in Moorburg 2016 offiziell zum Heizkraftwerk und bemühen sich weiter um einen Anschluss ans Fernwärmenetz, was die Anti-Kohle-Initiativen natürlich auf die Palme bringt. Die Konzernspitze in Stockholm ist nun geschwenkt und seit einiger Zeit komplett kohlefeindlich eingestellt. In Schweden stellt sich die Kohlefrage durch ausreichend Wasser- und Kernkraft nicht erst. Für die Betriebe im Ausland sieht man die Kohlenutzung als rufschädigend und zieht nun ein Hybridkraftwerk in Dradenau in Erwägung. Allerdings wird die Zeit knapp, das Planfeststellungsverfahren beginnt gerade erst und die Wahlen 2020 werfen ihre Schatten voraus.

Das Heizkraftwerk Wedel räuchert inzwischen weiter. Es liegt in Schleswig-Holstein, belastet also nicht die Hamburger „Klimabilanz“. Sollte es mit Ausnahmegenehmigung über 2021 hinaus weiterlaufen müssen, würden die dann nötigen „lebensverlängernden Maßnahmen“ nochmals bis zu 70 Millionen Euro erfordern – ohne Aussicht auf Amortisation.

Dass Hamburgs Energiepolitik nicht optimal und immer korrekt verläuft, zeigt auch die Geschichte der Rekommunalisierung und „Hamburg Energie“.

 

Gute Wärme – böse Wärme

Ähnlich ideologisiert geht das SPD-regierte Leipzig vor. Oberbürgermeister Jung will ab 2023 keine Fernwärme mehr aus dem südlich der Stadt gelegenen Braunkohlekraftwerk Lippendorf, das die Wärme bisher zuverlässig, preiswert und ökologisch sinnvoll liefert. Stattdessen will er auf städtischem Gebiet ein Gaskraftwerk bauen lassen. Das soll sich dann preislich für die Wärmekunden nicht auswirken, meint er als von jeglichem ökonomischen Sachverstand befreiter Sozialdemokrat. Vermutlich nährt die Hoffnung auf ausreichende Subventionierung seine Vision. Ein weiteres Hilfsargument liefert die „Endlichkeit“ der Braunkohle. Dieses Argument greift gerade angesichts des Kraftwerks Lippendorf nicht, das zu den modernsten Europas und zur Hälfte der EnBW gehört. Es liefert über die neue Südost-Link-Trasse den Strom zum großen Teil nach Süddeutschland, der neuen „Zone“, wo die Lieferungen absehbar dringend gebraucht werden.

Der Entfall der KWK ist ökologischer Unfug. Der Anteil nicht mehr ausgekoppelter Wärme wird noch ein stückweit in Strom umgewandelt, der Rest als Kondensationsabwärme über die Kühltürme an die Umgebung abgegeben. Diese Wärme wird dann über die Verbrennung eines nur vermeintlich emissionsärmeren BrennstoffsErdgas in Leipzig mit entsprechenden Emissionen, auch an anderen Rauchgasbestandteilen, erzeugt.

300 Millionen Euro will die Stadt für dieses Vorhaben ausgeben und auch Biogas nutzen, das etwa dreimal so teuer wie Erdgas ist und nur in geringen Mengen verfügbar.

Was bisher in allen Kohleausstiegsdiskussionen untergeht, ist die Frage, wie viele neue Heiz(kraft)werke als Ersatz für die jetzt liefernden Anlagen deutschlandweit gebaut werden müssten, was das kostet, wer das überhaupt tut (private Investoren werden sehr vorsichtig sein) und wie lange es dauert. Eine weitere offene Flanke ist der Entfall vieler Kohlekraftwerke in ihrer Eigenschaft als Abfallentsorgungsbetriebe. Die RWE verwertet über 1,6 Millionen Tonnen Abfälle pro Jahr thermisch, vor allem Klärschlämme (die nicht mehr auf den Acker dürfen) sowie Haushalts-und Gewerbemüll. In der Lausitz entsorgt allein das Kraftwerk Jänschwalde pro Jahr 450.000 Tonnen aufbereiteten Müll als Ersatzbrennstoff und hilft damit Berlin, nicht im Müll zu ersticken. Im Kraftwerk Lippendorf wird Klärschlamm entsorgt. Galten früher Anlagen zur Müllverbrennung und Mischverbrennung als „Dioxinschleudern“ und wurden erbittert bekämpft, zählt man heute die Stromproduktion aus diesen Brennstoffen wie selbstverständlich zur „erneuerbaren“ Energiegewinnung, denn Klärschlamm ist organisch und der Müll enthält auch biogene Anteile. Es heißt auch nicht mehr „Müll“, sondern freundlicher „Siedlungsabfälle“.

Sowohl die Energiepolitik in Hamburg wie auch die in Leipzig zeigt, wie rot-grüne Ideologie zu wirtschaftlich unsinnigen und aus Sicht der Emissionen kontraproduktiven Bestrebungen und Entscheidungen führt. Im Hinterkopf der Entscheider geht es auch nicht um praktisch vorteilhafte Lösungen, auch nicht um geringere Emissionen, sondern um „Zeichensetzen“. Die Abkehr von der verhassten Kohle soll den nachwachsenden und zunehmend geringer gebildeten aber früh indoktrinierten Gretas zeigen, wer hier vermeintlich politisch zukunftsfähig und einzig wählbar ist.

 

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier