Im Würgegriff der zirkulationsarmen Wetterlagen – die Augusthitze 2020, deren Besonderheiten und Folgen
Was ist eine zirkulationsarme, unbestimmte Wetterlage?
Im Juni und vor allem im August 2020 hatte man wettermäßig oft das Gefühl, zwischen allen Stühlen zu sitzen: Kaum Wind und drückende Schwüle, auch die Wolken in größerer Höhe bewegten sich kaum. Die vorher eingeflossene Luftmasse „altert“ sozusagen über unseren Köpfen und wird tagelang nicht ausgetauscht. Das ist für unsere wechselhaften, mitteleuropäischen Verhältnisse mit ihrem oft windigen Wetter weniger typisch; zwei Wetterkarten-Beispiele verdeutlichen den Unterschied:
Der Deutschen Wetterdienst (DWD) führt zwei unterschiedliche Klassifikationsverfahren für Wetterlagen; ein großräumiges, bis 1881 zurück verfügbares nach HESS/BREZOWSKY, das den Begriff „unbestimmt“ bis auf ganz wenige Übergangslagen nicht kennt, weil sich großräumig, wenn auch subjektiv, fast immer eine Großwetterlage bestimmen lässt. Genauer, aber auf Deutschland beschränkt und erst seit Juli 1979 verfügbar ist die „Objektive Wetterlagenklassifikation“. Hier wird die mittlere Anströmrichtung in 700hPa (entspricht etwa 3000 Metern Höhe) für eine rechteckige Fläche, welche Deutschland und dessen nähere, benachbarte Umgebung abdeckt, numerisch ermittelt. Ergibt sich keine eindeutige Anströmrichtung, so wird das als „unbestimmt“ (XX-Lage) gewertet – derartige Lagen zeichnen sich stets durch wenig Wind und meist sehr ereignisarme Witterung (oft Nebel, anhaltend dunstig-trübes oder wolkenloses Wetter im Herbst/Winter) aus – mit der Ausnahme der Bildung kräftiger Wärmegewitter im Sommer bei genügender Luftfeuchte, was im Juni und August 2020 eindrucksvoll zutraf. Näheres zur Wetterlagenklassifikation hier.
Werden zirkulationsarme, unbestimmte Wetterlagen häufiger?
Eine Häufung dieser Lagen deutet sich bei freilich großer Streuung an:
Als Ursachen dieser abgeschwächten Zirkulation kann man neben der sehr geringen Sonnenaktivität die momentane AMO-Warmphase vermuten. Diese trägt Wärme in den Nordatlantik, das Nordmeer und den europäischen Sektor der Arktis ein, was als Hauptursache für den starken Rückgang des arktischen Meereises anzusehen ist. Damit vermindern sich die Temperaturgegensätze zwischen Atlantik und dem europäischen Festland, aber auch das Temperaturgefälle zwischen niederen und höheren Breiten nimmt ab. Im Sommer ist der Einfluss der AMO auf die Lufttemperaturen in Deutschland und die Häufigkeit der Großwetterlagen mit südlichem Strömungsanteil signifikant:
Diese Lagen mit südlichem Strömungsanteil häufen sich auch signifikant in Phasen mit geringer Flächenausdehnung des arktischen Meereises im Sommer, und zwar auch dann schon, wenn die Eisbedeckung im Frühling zu gering war. Selbiges gilt, aber in abgeschwächter Form, auch für die Häufigkeit der unbestimmten (XX)-Lagen:
Eine weitere Einflussgröße ist die QBO. Die quasi-zweijährige Schwingung (kurz: QBO vom englischen „quasi-biennial oscillation“), auch quasi-biennale Oszillation, ist eine quasi-periodische atmosphärische Welle des zonalen Windes in der äquatorialen Stratosphäre der Erde. Die QBO-Daten für den Beobachtungsort Singapur liegen seit 1053 vor; sie zeigen einen merklich negativen Sommertrend, was auf schwächere stratosphärische Westwind- und intensivere Ostwindphasen hinweist:
In QBO-Westwindphasen scheint die („normale“) Westwind-Witterung über Mitteleuropa begünstigt zu werden; in den Ostwind-Phasen werden Zirkulationsanomalien häufiger. Der Sommer 2020 fällt nun, so wie der von 2018, in eine (negative) Ostwindphase der QBO. Was die Häufigkeit der unbestimmten XX-Lagen betrifft, so zeigt sich allerdings bloß zum Zonalwind der tieferen Stratosphäre (70 hPa) ein schwacher, nicht signifikanter Zusammenhang:
Besonderheiten der August-Witterung 2020
In der ersten Augustwoche spielte sich ein für heiße Sommer typischer Vorgang ab. Der Azorenhochkeil dehnte sich nach Mitteleuropa aus; und schließlich entstand ein großes Hochdruckgebiet, das am 7. August sein Zentrum über dem Baltikum hatte. An seiner Südwestflanke strömte hochreichende Warmluft nach Deutschland:
Doch anschließend fiel der Luftdruck, auch durch Überhitzung bedingt, in den unteren Luftschichten, und es bildete sich über Deutschland ein flaches, diffuses Hitzetief, während sich nun eine Hochdruckzone von den Azoren über die nördliche Nordsee nach Skandinavien erstreckte:
Außerdem sickerte feuchte Luft ein, in der sich vermehrt Schauer und Gewitter entwickelten, die als typische „Wärmegewitter“ aber keinerlei dauerhafte Abkühlung brachten. Am 13. August war dieses diffuse Hitze-Tief sogar in der Bodenwetterkarte erkennbar:
Diese Wärmegewitter traten dabei jedoch nicht völlig ungeordnet auf; sondern bevorzugt an so genannten Konvergenz-Linien, welche sich durch Vorgänge in höheren Luftschichten bilden und an denen die Luft zum Aufsteigen gezwungen wird:
Während an den gewitterärmeren Tagen dieser vom 9. bis zum 15. August dauernden Wetterlage über Deutschland fast einheitlich hochsommerliche Tagesmaxima zwischen 28 und 38°C erreicht wurden, so zeichneten sich an anderen Tagen die tagsüber von Schauern oder Gewittern betroffenen Gebiete durch etwas niedrigere Maxima ab:
In der vorherrschenden, enorm schwülen Subtropikluft (xS) währten diese Abkühlungsphasen nur so lange, wie die Sonne nicht schien. Dabei wurde vom 9. bis zum 14. August die Großwetterlage XXZAF beobachtet – eine unbestimmte, in den unteren Luftschichten zyklonale, in höheren Schichten antizyklonale Wetterlage mit feuchter Luft. Mit 9 Tagen für den gesamten Sommer, davon allein 7 im August, wurde diese seltene Wetterlage noch nie so oft beobachtet, wie in diesem Sommer 2020. Erst am 16. August milderte eine ganz schwache Wetterfront aus Südwesten die Hitze etwas – die mit ihr einfließende erwärmte Meeresluft (mPs) wandelte sich jedoch rasch in Warmluft (xSp) um. Und auf der Vorderseite eines Tiefs über den Britischen Inseln gab es am 20./21. August eine nochmalige Hitzewelle, doch diese Wetterlage ist für den nun beginnenden Spätsommer/Frühherbst mit seinen häufigen Wärmerückfällen nicht untypisch.
Zirkulationsarme, windschwache Großwetterlagen – ein Menetekel des Scheiterns der Energiewende?
Seit die links-grün motivierte Energiewende mit Beginn der 2000er Jahre so richtig Fahrt aufnahm, verdoppelten sich die Strompreise in Deutschland (Quelle: statista.com), und weite Landstriche wurden mit Wind- und Solarparks verschandelt. Mittlerweile „zieren“ mehr als 30.000 Windkraftanlagen unsere einst so schöne Landschaft. Der Ausbaufortschritt ist also gerade bei der Wind- und Solarenergie enorm. Da sollte doch mittlerweile fast der gesamte erzeugte Strom (der Begriff „Energiewende“ ist in der von Euphemismen geprägten deutschen Politik eine von vielen Mogelpackungen – es ist nur eine Stromwende, denn bei Heizen, Industrie und Verkehr läuft ohne fossile Brennstoffe nach wie vor fast nix) aus „erneuerbaren“ Quellen stammen – doch wie sieht die Realität aus? Der trotz der Hitze windschwache, zeitweise wolkig-gewittrige August 2020 lässt da nichts Gutes erahnen:
Zu den Abbildungen 12a bis 12c: Der Windstrom (graue Farbe) kam trotz des Zubaus an Windkraftanlagen in diesen jeweils knapp drei August-Wochen nie wesentlich über 20 GW hinaus, und trotz der Installation angeblich so leistungsfähiger, riesiger Anlagen auf See („offshore“), welche es 2014 noch gar nicht gab, konnte die Produktion von Windstrom (grau, hellblau für offshore) nicht und die von Solarstrom (gelb-orange) nur unwesentlich gesteigert werden. Und in allen drei ja nun wirklich mit knapp drei Wochen nicht sehr langen Zeitabschnitten gab es stets längere Phasen mit unter 10 GW Windstromerzeugung. In den Sommernächten, in denen auch Strom verbraucht wird, brach die Erzeugung meist auf 5 bis Null GW ein – klassische „Dunkelflauten“. Die meteorologischen Besonderheiten des 2020er Augusts zeigen sich im „Nachhinken“ des Windmaximums um wenige Stunden gegenüber dem Sonnenhöchststand, bei dem die meiste Solarenergie erzeugt wird (besonders vom 7. bis zum 16.08. gut erkennbar). Es handelt sich dabei um nur im Sommerhalbjahr auftretende, von der Sonne angetriebene Lokalwinde, welche nur bei Wetterlagen mit wenig Luftdruckgefälle und wolkenarmem Himmel auftreten – im Winter, wo es mitunter noch viel mehr XX-Lagen geben kann, fehlen diese Lokalwinde und meist auch die Sonne – tagelange Dunkelflauten sind dann die Folge.
So richtig ungemütlich für die Verfechter der Erneuerbaren Energien wird es aber erst dann, wenn man die gesamte Stromproduktion betrachtet. Hier soll ein Vergleich 2014 zu 2020 reichen:
Zu den Abbildungen 13a bis 13c: Die „Energiegewinner“ sind nicht die erneuerbaren Stromquellen. Der Wasserkraft ging wegen der anhaltenden Dürre die Kraft aus – nur etwa halb so viel Erzeugung in 2020 (unteres Bild) wie 2014. Die Biomasse blieb fast unverändert – sie ist ohnehin ein sehr ineffizienter Energieträger. Kernkraft und Kohle nahmen, politisch gewollt, merklich ab – aber Windenergie gar nicht und Solar nur wenig zu. Es konnte nur einen Gewinner geben – das fossile Erdgas! Diese für uns alle teure Mogelpackung verkauft man uns nun als „ökologische“ Energiewende. Die kleinen, hellbläulichen Zacken sind Stromerzeugung aus Pumpspeicherkraftwerken und saisonalen Speichern – diese geringen Mengen können die misslungene deutsche Energiewende nicht mal wesentlich aufhübschen. Bildquellen wie Abb. 12a bis 12c.
Man braucht nun wirklich kein Prophet zu sein, um die Energiewende als Irrweg zu erkennen – zumal, wie bereits dargelegt, die meteorologischen Bedingungen für die Erzeugung erneuerbarer Energie eher schlechter werden – der Wasserkraft könnte bei noch länger anhaltender Dürre ein Totalausfall drohen, die Sonne wird nie Nachts und im Winter kaum scheinen, Wind fehlt bei den häufiger werdenden XX-Lagen, und effiziente, leistungsfähige Stromspeicher sind auf Jahrzehnte nicht in technisch und ökonomisch realisierbarer Reichweite. Und der Stromverbrauch? Steigt eher, anstatt zu sinken.
Trocknet Deutschland im Sommer aus?
KOWATSCH (2020) hat in seinem kürzlich erschienenen EIKE-Beitrag „Wird Deutschland versteppen? Die Deutschen legen ihr Land trocken“ schon die wesentlichsten Ursachen der nicht zu leugnenden Trockenheit beschrieben. Leider lassen auch die Daten zur relativen Feuchte, seit 1948 für den Sektor Deutschland beim NOAA (amerikan. Wetterdienst) verfügbar, wenig Gutes erahnen:
Zu Panikmache besteht allerdings kein Anlass. Erstens ist die für Dürren neben der Regenmenge maßgebliche Verdunstung eine äußerst komplizierte Größe – sie lässt sich nur sehr grob berechnen – ein Grund, warum Klimamodelle wertlos sind. Die Verdunstung hängt unter anderem von der Lufttemperatur, der Sonnenscheindauer (genauer: Der Globalstrahlung), der relativen Feuchte der Luft, der vorhandenen Wassermenge des Bodens, der Windgeschwindigkeit und der Art und Beschaffenheit der Bodenoberfläche und der Vegetation, ab. Niemand weiß, wie sich diese Größen künftig ändern werden. Zweitens steigen die Niederschlagsmengen, zumindest regional, im Winter. Und drittens bleibt Deutschland ein wasserreiches Land – das Wassermanagement muss aber verbessert werden (Renaturierung, Entsiegelung, Bau von mehr Rückhaltebecken zur Wasserspeicherung). Möglicherweise wurde mit dem August 2020 der Zenit der aktuellen Dürre überschritten – mit dem nun beginnenden Sonnenfleckenzyklus Nr. 25 könnten die kommenden Jahre regenreicher verlaufen.