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Die Qual der Wahl

Diese Privilegien müssen umso weitreichender sein, je größer die Gemeinschaft ist, die es zu organisieren gilt; das ist insbesondere so, wenn es um ein ganzes Land geht. Da besteht dann das Risiko, dass die Erwählten ihre Privilegien weniger zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen, als zum persönlichen Vorteil.

Um das zu vermeiden müssen die Eliten so ausgewählt werden, dass sie den hohen moralischen und professionellen Anforderungen ihrer Rolle gerecht werden. Mein Eindruck ist nun, dass dies heutzutage immer weniger gelingt. Es kommt mir vor, als wären unsere Eliten weder in sachlicher noch in ethischer Hinsicht ihren Aufgaben gewachsen.

Vielleicht sagen Sie jetzt, meine Forderung sei utopisch und weltfremd; wo Menschen sind, da menschelt es eben. Zugegeben, wir sind noch nicht so weit wie im alten Rom, als Kaiser Caligula sein Pferd zum Konsul machte, aber zwischen Utopia und einem Irrenhaus gibt es doch einen gewissen Spielraum, und der aktuelle Trend geht zu Letzterem.

Selbstverwirklichung

Wenn ein Chirurg oder ein Flugkapitän seiner Aufgabe nicht gewachsen ist, dann akzeptieren wir das nicht, denn seine Untauglichkeit könnte fatale Konsequenzen für uns haben.

Als Bürger sind wir den Politikern in gleichem Masse ausgeliefert. Fakt ist nun leider, dass es hier keinerlei Garantie für deren Qualität gibt; dass die fachliche Untauglichkeit unserer Minister und Ministerinnen immer ungenierter zur Schau gestellt wird; dass man ihnen Milliarden an Steuergeldern zur Verfügung stellt, die dann großzügig für die persönliche Selbstverwirklichung in Form von Lufttaxis oder Genderstudien ausgegeben werden.

Noch schlimmer aber wird es, wenn die politische Macht dem Ausleben von nicht verheilten Ressentiments aus der jugendlichen Entwicklung dient. Wenn etwa höchste deutsche Beamte ihren pubertären Groll gegen die USA dann als Repräsentanten des deutschen Volkes abreagieren. Oder wenn frustrierte Politikerinnen ihre Feindseligkeit gegen Männer zur Staatsraison machen. Oder wenn Neid auf erfolgreiche Unternehmer dazu führt, dass der Industrie immer mehr Steine in den Weg gelegt werden.

Des Pudels Kern

Wie ist solch eine Fehlentwicklung in einer Demokratie denn möglich? Das kann doch von der Allgemeinheit nicht so gewollt sein!

Und voila: hier stoßen wir auf des Pudels Kern: Nicht die Regierungen handeln gemäß unserer Wünsche und Bedürfnisse, sondern sie reden uns ein, welche Wünsche wir haben müssen. Wie soll das gehen? Über die von Steuern und Abgaben finanzierten Medien, welche uns ein Bild der Welt präsentieren, das auf die Absichten der Mächtigen maßgeschneidert ist. Und dieses Bild wird uns so oft gezeigt, bis in der Vorstellung für ein anderes Bild kein Platz mehr ist.

So kommt es dann, dass wir den Klimawandel, den Rassismus und das CO2 allen Ernstes für unsere zentralen Probleme halten, während Erfahrungen, die wir  am eigenen Leibe machen, nicht mehr wahrgenommen werden: extreme Steuern und Abgaben, Verfall des Bildungssystems, Anstieg der Gewaltkriminalität, Verlust an innerer Sicherheit, Verlust an Meinungsvielfalt, Zensur alternativer Medien, Verlust der technisch-industriellen Kompetenz, Angst und Misstrauen in der Bevölkerung: „man kann heute nicht mehr alles sagen“.

Dieser Verfall ist weitestgehend hausgemacht; er hat kaum externe oder globale Ursachen, er ist nicht Folge von „höherer Gewalt“, er ist das – gewollte oder gebilligte – Resultat jahrelanger verfehlter Politik.

Wie kann es sein, dass angesichts dieser desolaten Bilanz die Kanzlerin so hohe Beliebtheit bei den Bürgern genießt?

Zweimal dasselbe Kleid

Vor einiger Zeit fragte ich eine Bekannte, warum sie Angela Merkel so gut fände. „Weil sie zwei Jahre hintereinander dasselbe Kleid bei den Bayreuther Festspiele anhatte; das ist doch sympathisch“. Ich erklärte besagter Bekannten, immerhin eine Ärztin, dass das vielleicht nicht das richtige Kriterium für die Beurteilung der Regierungschefin sei. Man würde doch den Chirurgen für seine Knieoperation auch nicht danach aussuchen, was er für ein Auto  fährt.

Und hier liegt das Dilemma: Wir sind mit zwei unabhängigen, manchmal sich widersprechenden Navigationssystemen ausgestattet: Vernunft und Gefühl. Je nach Situation ist das eine nützlicher als das andere. Und es kann sehr teuer werden, wenn wir dem falschen Kompass folgen. Das ist dann die „Anna Karenina Falle“.

Die wunderhübsche Anna war eine Frau nach dem Geschmack der Männer. Sie hatte die Wahl, wem sie einmal ihre Hand fürs Leben reichen würde. Nach gründlicher Überlegung traf es dann Graf Karenin, der ihr ein Dasein in Luxus und Sicherheit bieten würde.

Sie hatte ihre Schönheit zu angemessenem Preis verkauft, doch sie war unglücklich, denn sie liebte den Gatten nicht. Schließlich begann sie eine amouröse Beziehung zu dem jungen Alexej Bronski. Ihr Ehemann erfuhr von der Liaison und bereitete ihr die Hölle auf Erden, bis sie schließlich ihrem Leben ein Ende setzte. Was hatte sie falsch gemacht?

Sie hatte eine Todsünde begangen, die das Leben nicht verzeiht: In einer Situation, wo das Gefühl hätte entscheiden müssen, da hatte sie ihrem berechnenden Verstand nachgegeben und den Grafen geheiratet. Und in einer Situation, wo der Verstand sie dringend warnte, da hörte sie auf ihr Herz und ließ sich mit Bronski ein.

Unermessliches menschliches Leid entsteht, weil Fragen, die nur das Herz beantworten kann, vom Verstand entschieden werden; und umgekehrt, dass dann, wenn der Verstand die Lösung hätte, die Gefühle dominieren. Politische Ansichten wachsen bei vielen Menschen auf der Gefühlsebene, und das ist nicht gut so.

Das Herz folgt nicht der Logik

Entscheidungen des Herzens werden noch gefährlicher, wenn sich Gruppen bilden, in der alle das Gleiche empfinden. In solchen Massen wird der Verstand total ausgeschaltet und man genießt das „Wir-Gefühl“. Die Menschen werden für die primitivsten Lügen empfänglich. Sie erliegen der Magie der Vereinfachung, welche jeglichen logischen Widerspruch platt macht.  Im Extremfall sind sie dann bereit, ihrem Anführer ins eigene Unheil zu folgen.

An Beispielen dafür mangelt es in der deutschen Geschichte nicht. Und auch wenn wir daraus vielleicht gelernt haben, die menschliche Psyche ist dieselbe geblieben.

So feiern die Deutschen heute die wunderbare Einigkeit darüber, dass Donald Trump ein Gangster ist, oder ein Idiot, oder beides. 90% sind dieser Ansicht, obwohl nur wenige genug Englisch können, um seine Reden zu verstehen. Von ihrem Urteil lassen sich die 90% auch nicht abbringen, wenn sie hören, dass die Hälfte der Amerikaner ihn gewählt haben. Nein, Logik wäre hier fehl am Platz. Dann sind die Amis eben auch alle Idioten.

Aber Vorsicht, was auch immer wir von den Amis halten, eines haben die uns in Sachen Demokratie voraus: Ihre Regenten sind maximal acht Jahre an der Macht*; schlimmstenfalls gibt es dann ein Ende mit Schrecken. Wir aber haben die Option auf einen Schrecken ohne Ende.

Unsere Kanzlerin genießt heute das Vertrauen von 81% der Bevölkerung, trotz der oben erwähnten Unannehmlichkeiten, die wir ihr zu verdanken haben. Dieses Votum kann kaum das logische Resultat kritischer Beobachtung sein. Es kommt aus dem unbestimmten Gefühl, dass „Sie eine kluge Frau ist, die ihre Sache doch gut macht“.

Die Klugheit des Fuchses wird oft überschätzt, weil man ihm auch noch die Dummheit der Hühner als Verdienst anrechnet (Hans Kasper). Wenn es ein Gebiet gibt, wo da Herz schweigen muss, dann ist es die Politik, denn das Herz hört lieber eine sanfte Stimme die lügt, als eine kalte, welche die Wahrheit sagt.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ und anderes ist bei Amazon erhältlich.

*Ein schönes Zitat von Samuel Clemens alias Mark Twain:

Politiker und Windeln sollte man möglichst häufig wechseln. Aus demselben Grund.

 




Abschied von der Vernunft – die Psychologie irrwitziger Entscheidungen

Zu warm

Stellen Sie sich vor, Sie wären Manager eines Supermarkts. Am Wochenende fällt die Kühlung im Warenlager aus, und die empfindlichen Lebensmittel, die konstant auf 4°C gehalten werden müssen, fangen an zu verderben. Ein enormer Schaden steht ins Haus, und Sie sind verantwortlich. Dummerweise können die Kältetechniker frühestens morgen kommen, um die Sache zu reparieren.

Sie entdecken jetzt an einem Schaltpult ein Stellrad mit einer Skalierung von 0 bis 200, sowie eine Anzeige der Temperatur, die im Lager herrscht. Sie vermuten, dass die Maschinerie für die Kühlung noch funktioniert, die elektronische Regelung zur Einhaltung der Temperatur aber – der Thermostat – kaputt ist.  Vielleicht kann man die 4°C ja manuell per Stellrad halten?

Dies war die Aufgabe, mit der die Psychologen Dörner und Reichert ihre Versuchspersonen vor Computer setzten, auf denen die beschriebene Situation simuliert wurde: auf dem Bildschirm ein Thermometer und ein Stellrad, das per Tastatur bedient wurde. Der zeitliche Ablauf der Temperatur wurde vom Computer aufgezeichnet, ebenso der Input durch die Probanden und deren Selbstgespräche.

Probieren geht über studieren

So versuchte nun jeder, so gut er konnte, die 4°C einzustellen, um die kostbaren Lebensmittel im Kühlhaus zu retten. Wer je an solchen Spielen beteiligt war der weiß, wie leicht daraus Ernst wird, und wie schon bald dieselben Verhaltensmuster auftauchen, die wir auch in der rauen Wirklichkeit beobachten können.

Es wurde den Kandidaten schnell klar, dass es beim Drehen des Rades zu höheren Zahlen irgendwie wärmer wurde, allerdings nicht sofort. Der Computer reagierte ähnlich wie die Temperatur im echten Kühlhaus mit einer gewissen Trägheit. Was sollte man nur machen?

Um es vorwegzunehmen, man hätte nichts anderes tun müssen, als das Rad auf „80“ zu stellen und zu warten. Dann hätte sich nach einigem Hin und Her das System spontan auf konstante 4°C eingependelt. Darauf musste man aber erst kommen.

Um das zu erkennen musste man die Änderung der Temperatur bei kleinen Drehungen am Rad beobachten und sich immer wieder die Fragen beantworten: was habe ich da gerade gemacht und welche Folgen hat das. So hätte man bald den Mechanismus durchschaut und wäre auf die Lösung gekommen.

Komplexe Systeme brauchen kleine Eingriffe

20% der Teilnehmer machten das so. Die übrigen handelten situativ, intuitiv oder irrational. Wenn es zu warm wurde dann stellten sie das Rad auf Null, also voll kalt. Wenn die Temperatur dann unter 4° sank wurde auf 200 hoch gedreht. So gab es wilde Schwankungen, die immer weniger beherrschbar wurden.

Oft stellten sich gegen Ende der Sitzung fast abergläubische Reaktionen ein. Es gab Kandidaten, die versuchten dass Stellrad über die 200 hinaus zu drehen, indem sie die entsprechende Taste immer wieder drückten, obwohl das Rad schon am Anschlag war. Andere vertrauten in Magie: „Nur gerade Zahlen sind gut“ oder „Versuchen wir mal die 25, das ist mein Geburtstag“. Das waren natürlich interessante Fälle für die Psychologen.

Die Lehre aus diesem Spiel: Als intelligenter, verantwortungsvoller Mensch nähert man sich einem undurchschaubaren, komplexen System mit vorsichtigen, kleinen Eingriffen und beobachtet genau, was passiert.

Von der Simulation zur Realität

Ohne Frage war und ist das Management der Corona Pandemie eine komplexe Aufgabe. Kamen hier die Lektionen aus dem Kühlhaus zum Einsatz? Wurden Entscheidungen mit angemessener Sorgfalt und Verantwortung getroffen?

Das „Stellrad“ ist in diesem Fall der Eingriff in die individuelle Freiheit der Bevölkerung.  Die „Temperatur“ ist die Lebensqualität, die aus dem Erhalt der Gesundheit, aber auch einer Reihe anderer Faktoren besteht. Es ist also ein echt „komplexes System“. Mein Eindruck ist, dass die Entscheidungsträger ausschließlich das Virus im Auge hatten, nicht aber die Gesundheit insgesamt und schon gar nicht die Lebensqualität, zu der ja auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte zählen. Mit Formeln wie „Menschenleben sind wichtiger als Profit“ wird man solch einem komplexen System nicht gerecht.

Schließlich wurde für fast jeden sichtbar, dass die „Medizin“ insgesamt schädlicher war als die Krankheit, und die Verantwortlichen drehten wie wild am Stellrad, damit vertuscht würde, dass sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. Das war sicherlich nicht der kluge, behutsame Weg, der beim Eingriff in komplexe Systeme angebracht ist.

Ein Gedankenexperiment

Ich möchte aber noch eine Hypothese untersuchen, ein Gedankenexperiment, welches Sie vielleicht als unrealistisch vom Tisch wischen werden. Ich erlaube mir dennoch „außerhalb der Box“ zudenken.

Nehmen wir an, in der Psyche des Geschäftsführers unseres Supermarktes gäbe es eine dunkle Seite und er hätte eine „geheime Agenda“. Er wäre gar nicht ehrlich daran interessiert, die Waren in der Kühlhalle zu retten. Er denkt daran, mit der Versicherungsgesellschaft einen für beide Seiten profitablen Deal zu schließen, falls es soweit käme, dass die verdorbenen Lebensmittel ersetzt werden müssten.

Mit dieser geheimen Absicht wird er das Stellrad ganz anders bedienen, als wenn sein wahres Streben den 4°C gelten würde.

Um solch eine Situation auf die Politik zu übertragen, machen wir den Sprung in ein hypothetisches Land. Mit dem Stellrad wird dort in Wahrheit nicht der Kampf gegen das Virus, sondern die Unterdrückung der Bevölkerung betrieben; das Thermometer zeigt an, wie weit das Volk noch von einer offenen Revolte entfernt ist.

Die Temperatur eines Volkes

Mit seiner geheimen Zielsetzung nähert sich der Machthaber dem undurchschaubaren, komplexen System namens Volk so, wie die erfolgreichen 20% der Teilnehmer vom Kühlhaus-Experiment. Er macht kleine Eingriffe und beobachtet genau, was passiert. Mit dem Stellrad dreht er die Freiheit millimeterweise herunter und beobachtet, dass es zwar Murren, aber keinen Aufstand gibt. Vor ein paar Jahren noch hätte das Volk bei so viel Unterdrückung aufbegehrt und ihn aus dem Amt gejagt.

Mit dieser Erkenntnis und mit viel Geduld schraubt er das Rad jetzt immer weiter zu, er nimmt die Zügel immer kürzer. Dabei versichert er dem Volke ständig, dass er nur das Beste für die Menschen im Sinn hat. Als Thermometer dienen ihm laufende Umfragen unter der Bevölkerung hinsichtlich seiner Beliebtheit und der Zustimmung zu seinen Entscheidungen.

Auch in diesem System gab es vormals einen „Thermostat“, eine Vorrichtung, die das Gleichgewicht zwischen maximal möglicher Freiheit der Bürger und minimal notwendiger Führung durch den Staat automatisch regelte. Diese Vorrichtung war vor einigen tausend Jahren erfunden worden und ging unter dem Namen Demokratie = „Herrschaft des Volkes“ in die Geschichte ein.

Wenn dieser Thermostat kaputt geht, dann werden ihn nicht die Machthaber reparieren, sondern es liegt am Volk, sich seiner Verantwortung bewusst zu werden und einzugreifen. Denn so, wie es immer korrupte Geschäftsführer von Supermärkten geben wird, so hat es auch immer Politiker mit fragwürdiger Moral und Hunger nach grenzenloser Macht gegeben. Von denen zu erwarteten, dass sie den Thermostat reparieren, das wäre mehr als naiv, das wäre dann „Die Logik des Misslingens“ einer Demokratie.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again und im Buch „Grün und Dumm“ bei Amazon