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Ziel der Bundesregierung: 65 Prozent Ökostrom bis 2030 – Was bedeutet das?

Am 05.10.2019 hat die WELT[1]berichtet:

Altmaier will Naturschutz für mehr Windkraft lockern

„Die Bundesregierung will bis 2030 einen Ökostrom-Anteil von 65 Prozent erreichen. Damit das klappt, treibt Wirtschaftsminister Altmaier den Windkraftausbau voran. …
Innenminister Horst Seehofer (CSU) soll beispielsweise noch in diesem Jahr dafür sorgen, dass Windräder nur noch in einem Abstand von 1000 Metern zur nächsten Wohnsiedlung gebaut werden dürfen.“

Weiterhin wird angegeben, dass für das 1. Quartal 2019 3,23 TWh abgeregelt werden mussten, was 364 Mill.€[2]entspricht.

Offenbar zählt die Bundesregierung Strom aus Kernenergie nicht zum Ökostrom. Das bedeutet, dass die verbleibenden 35% ausschließlich aus Kraftwerken mit fossilen Energieträgern kommen müssen.

Für das Klima ist der Ökostromanteil keine primäre Zielgröße. Vielmehr ist – unterstellt man die AGW-Hypothese – die CO2-Konzentration der Luft die Zielgröße. Der Ökostromanteil ist lediglich ein Mittel und bei weitem nicht das einzige. Damit stellen sich zwei grundsätzliche Fragen:

  • Welche Konsequenzen hat diese Erhöhung des Ökostromanteils?
  • Welche Wirkung hat diese Maßnahme?

Analyse

Wenn es um die Quantifikation solcher Fragen geht, werden oft nur einfache energetische Dreisatzrechnungen vorgenommen. Damit kommt man zwar zu einer Größenordnung, aber eben nicht zu einer ausreichenden Genauigkeit unter Berücksichtigung verschiedener, wichtiger Zusammenhänge.

Aufgrund eines vorhandenen Stromversorgungsmodells, das die Wetterstochastik, alle Stromerzeuger und die schwankende Last berücksichtigt, können die Konsequenzen konkret ermittelt werden. Dieses Modell rechnet mit Wetterdaten, die einen typischen EE-Ertrag repräsentieren. Im Takt von einer Viertelstunde werden die Leistungen aller Stromerzeuger, Speicher und Verbraucher verrechnet, so dass zu jedem Zeitpunkt die Leistungsbilanz ermittelt wird. Diese Vorgehensweise ist weit aussagekräftiger, als Energiebilanzen über ein Jahr aufzustellen, denn es reicht eben nicht, wenn nur verschiedene Mittelwerteberechnet werden. Genauso wenig, wie ein Mieter mit einer mittleren Raumtemperaturzufrieden wäre (im Sommer 35°C im Winter 5°C, macht im Durchschnitt 20°C), ist auch ein Stromversorgungssystem unbrauchbar, wenn nur die mittlerebereitgestellte Leistung dem durchschnittlichenBedarf entspricht.Genau so wird aber meist gerechnet. Der Stromkunde, ob privat oder Industrie, erwartet (weil es bisher selbstverständlich war), dass er zu jedem Zeitpunkt so viel Strom aus dem Netz entnehmen kann, wie er gerade braucht.

Überschussenergie

Wir wissen, dass die Volatilen Erneuerbaren Energien (VEE) mal zu wenig und mal zu viel Strom erzeugen. Der VEE-Strom, der nicht genutzt werden kann, wird als Überschussenergiebezeichnet. Dies ist eine wichtige Größe in einem zu beurteilenden Stromversorgungssystem. Mit steigendem Ausbau der VEE, wird immer weniger Energie aus den konventionellen Kraftwerken benötigt. Eine steigende VEE verdrängt somit zunehmend diesen Kraftwerksanteil. Um diesen Anteil auf das noch zulässige Maß zu reduzieren, muss die VEE soweit gesteigert werden, dass es in Folge immer mehr Zeitbereiche gibt, wo mehr VEE-Leistung zur Verfügung steht, als gebraucht wird. Wegen mangelnder Speicherkapazität, muss man diese Energie „wegwerfen“.

Modellierungsgrundlagen, Annahmen

In guter Näherung kann man bis 2030 von einem unveränderten Strombedarf ausgehen. Das heißt, dass die Sektorkopplung (mit E-Mobilität) noch keinen nennenswerten Einfluss auf den Strombedarf hat. (1 Mill. E-PKW bis 2030 würden rund 3 TWh/a an zusätzlicher Energie erfordern).

  • Angesetzt wird für 2030 der gleiche Stromverbrauch, nämlich 530 TWh[3], was einer Bruttostromerzeugung von 580 TWh entspricht.
  • Biomasse und Wasserkraft hatten einen Anteil von 62 TWh in 2018, davor auch zeitweise etwas mehr. Es ist allgemeiner Konsens, dass dieser Anteil kaum zu steigern ist, sondern langfristig eher eine fallende Tendenz hat (Diskussion um Energiepflanzen, Monokulturen etc.). Daher wird für die Modellierung großzügig 70 TWh angenommen.
  • Wenn der Ökostromanteil 65% betragen soll, so müssen von 580 TWh 377 TWh aus EE kommen. Zieht man 70 TWh ab, verbleiben 307 TWh, die aus Wind und Sonne zu erzeugen sind. Oder anderes: der konventionelle Anteil inkl. Gas-Backup-Kraftwerke, beträgt noch 203 TWh.
  • Als verfügbare Speicher bleiben nur die bestehenden Pumpspeicherkraftwerke (PSPW), mit rund 40 GWh und einer Lade- bzw. Entladeleistung von 10 GW[4]. Batteriespeicher sind dagegen völlig vernachlässigbar. Aber auch die PSKWs spielen nur eine marginale Rolle für das Ergebnis.
  • Andere Speicherkonzepte sind bis 2030 im großtechnischen Maßstab nicht vorhanden.
  • Import oder Export von Strom findet in keinem nennenswerten Umfange statt.
  • Ausbauanteile: Es wird das Verhältnis von Onshore, Offshore und Photovoltaik von 2018 konstant gehalten, d.h. alle drei VEE-Komponenten werden mit dem gleichen Faktor in ihrer Nennleistung erweitert.

Ergebnisse und Bewertung

Hinweis:
Einen detaillierten Bericht über die Analyse und die Ergebnisse finden Sie unten zum Download.

Die Untersuchung zu der Zielsetzung der Bundesregierung bis 2030 65% der Stromerzeugung aus Ökostrom bereitzustellen, hat gezeigt:

  • Wenn man bei den VEE-Anlagen den Ausbau mit dem bestehenden Verhältnis der drei VEE-Erzeuger fortsetzt, müssen alle Arten (Onshore, Offshore und Photovoltaik) auf mehr als das 2,5-fache von 2018 ausgebaut werden, ohne dass neue Stromverbraucher (E-Mobilität) hinzukommen.
  • Die vorhandenen PSKWs sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Tatsächlich stellen sie für die Sektorkopplung nur rund ein Tausendstel der erforderlichen Speicherkapazität.
  • Modelliert wurde die Situation eines durchschnittlichen Es bedeutet, dass in Jahren von geringerem Ertrag, die Backup-Kraftwerke einen größeren Beitrag leisten müssten, der zu mehr CO2 führt.
    In Jahren mit weit überdurchschnittlichem Ertrag können sich die Überschussenergie und die damit verbundenen Kosten mehr als verdoppeln.
  • Es erscheint schon schwer vermittelbar, dass Onshore-Windenergieanlagen um das 2 bis 3-fache auszubauen sind. Dabei ist man mit 65% an der Stromversorgung noch lange nicht am Ziel, das 90%, besser 100% CO2-Reduktion für alle Energiesektoren Modellrechnungen haben mit Sektorkopplung, für alle Szenarien, einen Ausbau aller VEE-Anlagen von mindestens dem 10-fachen ergeben.
  • Angesichts der notwendigen Verdopplungbis Verdreifachungder VEE-Nennleistungen erscheint die CO2-Einsparung von kaum mehr als 7% viel zu gering. Hier fehlt die Verhältnismäßigkeit von Aufwand (Belastungen, Kosten) und Ergebnis.

Das herausgegebene Ziel von 65% Ökostrom lässt den Bürger vermuten, dass damit bereits 2/3 zur völligen Dekarbonisierung erreicht sei, was die Sachlage völlig verkennt. Es erscheint wie eine „Beruhigungspille“, in der Hoffnung, man merke es schon nicht.

Ehrlich wäre gewesen, wenn man mit der Bekanntgabe des 65%-Ökostromziels auch die Verdopplung bis Verdreifachung aller VEE-Anlagen verkündet hätte.

Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob die Bundesregierung und ihre Mitarbeiter und Berater tatsächlich so blauäugig sind, oder ob sie auf Zeit spielen und auf den „Wunderspeicher“ hoffen.

Bereits dieses Zwischenziel, das noch meilenweit vom Endziel der völligen Dekarbonisierung mit Sektorkopplung ist, zeigt deutlich, dass bei weiter steigendem Ökostrom (d.h. ausschließlich VEE), das Stromversorgungssystem ohne ausreichende Speicher technisch nicht realisierbar ist. Da ein Durchbruch (hinsichtlich Kapazität und Kosten) bei der Speichertechnik in den nächsten Jahren ausbleiben wird,

ist das Projekt der Energiewende auf Basis VEE gemäß dem Grundsatz verantwortlichen Handelns sofort abzubrechen.

 

Download der vollständigen Analyse: https://tinyurl.com/yxmpqtm9

oder hier 65 Prozent bis 2030 V1.0

[1]     https://www.welt.de/wirtschaft/article201432724/Windkraft-Peter-Altmaier-will-Ausbau-von-Windraedern-beschleunigen.html

[2]     Die Windenergiebetreiber bekommen 95% der Vergütungen für den Strom den sie hätten produzieren können, der aber wegen Überangebot nicht eingespeist werden konnte.

[3]     wie der Durchschnitt der letzten 15 Jahre;
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164149/umfrage/netto-stromverbrauch-in-deutschland-seit-1999/

[4]     Aufgerundete Werte.




Die bevor­stehende Energie­sicherheits-Krise der NATO

Russlands Politik bzgl. Energiesicherheit

Der Westen hat sich dazu entschlossen, warnende Anzeichen nicht zu beachten, welche vor dem Vorfall in der Kerch Strait auftauchten. Eine grundlegende Warnung erfolgte im Frühjahr 2018, als Russland Teile der Ostsee für eine Feuerprobe der Navy gesperrt hatte. Dies beeinträchtigte den Luft- und Schiffsverkehr im Gebiet der Ostsee. Noch wichtiger aber war, dass die Übung absichtlich auf der geplanten Route von Nord Stream 2 stattfinden sollte. Diese Pipeline, so sie je vollendet wird, würde zu einem Eckpfeiler der Energie-Infrastruktur werden. Hinsichtlich Kapazität würde sie die Nord Stream 1-Pipeline ergänzen. Das Volumen beider Pipelines zusammen würde es Russland ermöglichen, insgesamt 110 Milliarden Kubikmeter Gas unter der Ostsee direkt in das Zentrum des deutschen Gasmarktes zu pumpen. Noch wichtiger ist, dass Nord Stream 2 es Russland gestatten würde, Gaslieferungen für andere europäische Verbraucher umzuleiten, wohin es heute noch durch Pipelines via der Ukraine strömt. Dies hätte nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft der Ukraine. Transit-Gebühren und Abgaben Russlands für die Durchleitung durch das Staatsgebiet der Ukraine verschafften Kiew Einnahmen in Höhe von etwa 3 Milliarden Dollar pro Jahr. Nur zum Vergleich: Die Ausgaben für das Militär in der Ukraine beliefen sich auf insgesamt 3,6 Milliarden Dollar.

Nord Stream 2 würde es Russland auch gestatten, seinen Griff auf den europäischen Gasmarkt neu zu beleben. Zeit ist der Schlüssel in diesem Spiel, durchläuft doch der globale Gasmarkt derzeit strukturelle Änderungen. Dank der Schiefergas-Revolution haben die USA Russland bereits als den weltgrößten Gas-Erzeuger überflügelt. Gas ist ein immer stärker gehandeltes Gut dank der rapiden Entwicklung von Flüssiggas-Terminals (LNG). Im Gegensatz zur allgemeinen Ansicht hat das Jahr 2018 gezeigt, dass amerikanisches Flüssiggas durchaus wettbewerbsmäßig gegen russisches Gas nach Europa bestehen kann. Tatsächlich hat Polen im vorigen Jahr drei langfristige Verträge für die Lieferung amerikanischen Flüssiggases abgeschlossen.

Russland muss seinen Kampf gegen neue Versorger und Infrastruktur-Projekte verstärken, welche dessen Stellung unterminieren könnten. Um dieses Ziel zu erreichen und seine außenpolitische Agenda voranzutreiben, stützt sich Moskau auf drei grundlegende Pfeiler.

Erstens, man muss gegen Propaganda und Falschinformationen vorgehen. Die jüngsten mitteleuropäischen Bemühungen zur Diversifizierung riefen heftige Kritik in Medienportalen und sozialen Medien-Kanälen hervor, welche von Moskau gesponsert werden. Und das, obwohl diese Diversifizierung voll mit den Zielen der Energie-Union der EU vereinbar ist. Man versuchte zu kolportieren, dass LNG-Lieferungen nach Europa sich nicht rechnen würden. Derartige Behauptungen wurden von Vielen verworfen, darunter Piotr Woźniak, Direktor der Polish Oil and Gas Company. In vielen Verlautbarungen unterstrich er, dass Preis-Vereinbarungen von LNG aus den USA dieses Gas um 20 bis 30 Prozent billiger machen als russisches Gas, das via Weißrussland nach Polen strömt.

Zweitens, die Anwendung des „Opera Pricing“-Verfahrens – je näher man sich befindet, desto mehr zahlt man. Tatsächlich ist es so, dass Länder, die traditionell gute politische Beziehungen zu Russland pflegen, relativ niedrige Preise für ihre Gasimporte zahlen, während jene mit anderen politischen Präferenzen höhere Preise zahlen müssen. Heute steht hierbei die Ukraine im Mittelpunkt. Während der Amtszeit von Präsident Janukowitsch, stellte Gazprom 268,5 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter in Rechnung, heute zahlt die Ukraine 485 US-Dollar für die gleiche Menge, das ist eine Steigerung um über 80%.

Und schließlich ist da noch die Einbeziehung der Energiepolitik in Russlands breiter gefasste Hybrid-Kriegführung. Bzgl. Gas verlässt sich Russland darauf, Länder einzuschüchtern, welche übermäßig abhängig sind von russischen Lieferungen, hauptsächlich durch Kürzung der Lieferungen. Russlands Aktivitäten im Energiesektor sind gekennzeichnet durch Cyber-Angriffe. Seit dem Jahr 2014 hat Russland die Ukraine zu einem Testfeld gemacht für offensive Cyber-Aktivitäten. Grundlegende Energie-Infrastrukturen wurden zur primären Zielscheibe. Die Kontrolle über Stromsysteme und Kernkraftwerke erlaubt es Hackern, die Stromversorgung der Ukraine zu kappen. Die in der Ukraine ausprobierten Verfahren werden später auf Einrichtungen der Alliierten übertragen. Anfang 2018 warfen die USA Russland vor, eine Reihe von Cyber-Attacken auf Kraftwerke und Netze auf dem Territorium der Alliierten in Europa und den USA vorgenommen zu haben.

Was kann die internationale Gemeinschaft tun?

Russlands aggressive Energiepolitik stellt ebenso wie die Bereitschaft zum Einsatz militärischer Mittel zum Schutz kritischer Infrastrukturen eine ernste Bedrohung der NATO, deren Alliierten und Partnern dar. Die NATO ist keine Energie-Organisation – und wird es auch nie sein. Aber dennoch können Entwicklungen im Bereich Energie bedeutende politische und Sicherheits-Implikationen aufweisen. Daher sollte man sich bei der NATO und deren engsten Alliierten drei Elemente überlegen.

Erstens und am Wichtigsten, man muss der Energiesicherheit bei politischen Konsultationen bei der NATO viel mehr Aufmerksamkeit widmen. Jene Diskussionen sollten dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf Russlands Gebrauch von Energie als ein Druckmittel in dessen Außen- und Sicherheitspolitik zu erhöhen, vor allem an dessen östlicher [westlicher?] und südlicher Flanke. Die Diskussionen sollten auch helfen, Russlands Mythen und Propaganda bzgl. Energiesicherheit zu widerlegen. Eine Visite des Nordatlantischen Rates bei einem LNG-Terminal im Gebiet der Ostsee könnte hilfreich für das Erreichen beider Ziele sein. Außerdem sollte die NATO regelmäßig die Ukraine konsultieren, wenn es um Energiesicherheit geht. Dieses Thema sollte Eingang finden in die Arbeit der NATO-Ukraine-Plattform, um gegen die Hybrid-Kriegführung wirksam vorzugehen.

Julian Wieczorkiewicz is an expert in energy security. He currently works at the Permanent Delegation of the Republic of Poland to NATO. Prior to joining the Ministry of Foreign Affairs, he worked at the Centre for European Policy Studies, a leading Brussels-based think-thank, where he covered energy-related issues.

Dieser Beitrag stammt aus einem Rundbrief der GWPF. Der ganze Beitrag steht hier.

Übersetzt von Chris Frey EIKE




Schiefergas als alternativer Energierohstoff – nur eine goldrauschähnliche Euphorie?

Fast alle hier zu Lande öffentlich zugänglichen Informationen über das „Schiefergas“ stammen aus der Feder von Journalisten unterschiedlichster Bildung und Herangehensweisen. In selteneren Fällen melden sich bzw. kommen hier Fachleute zu Wort. Charakteristisch für die zweifelhafte Qualität der Aussagen zum Thema sind beispielsweise die Beiträge der deutschsprachigen Abteilung von Wikipedia, welche sehr wenig Gehalt aufweisen, z. T. sogar irreführend, unvollständig sind und offensichtlich nicht von Fachleuten stammen. Im positiven krassen Gegensatz dazu stehen analoge Beiträge beispielsweise in den englisch- und russischsprachigen Abteilungen von Wikipedia. Selbstverständlich fühlt sich der Kommentator nicht frei von Subjektivität besonders hinsichtlich weltanschaulicher Gesichtspunkte. Auch ist er kein ausgesprochener Fachmann für Erdöl- und Erdgas, aber durchaus kompetent genug, um fachlich fundierte weitgehend kritikresistente Aussagen aufgrund seines Berufes und dazugehöriger langjähriger Praxis bezüglich Rohstoffexploration, Rohstoffförderung, Bohrtechnik usw. zu treffen.

Zunächst einmal ist vorauszusetzen, dass der interessierte Leser bereits darüber informiert ist, dass Gas aus Schiefern als alternatives Naturgas mit Hilfe „neuer“ Technologien zum jetzigen Zeit­punkt wirtschaftlich gewinnbar zu sein scheint. Weiterhin werden durch Massenmedien wirtschaftli­che und geopolitische Aspekte des Rohstoffmarktes und der Energetik vermittelt. Besonderer Wert wird dabei darauf gelegt, dass die USA endlich unabhängig von Gasimporten werden, was in der Perspektive auch für Europa möglich sei. Auf Gedeih und Verderb ist der Leser diesen Informatio­nen ausgeliefert. So ist es für den durchschnittlichen Bürger von Natur aus sehr schwer, sich ein objektives Bild über die in diesem Zusammenhang behandelten Sachverhalte zu machen.

Deshalb hier einige kurze Begriffserklärungen:

Was sind Schiefer?

Der Begriff Schiefer ist heute in der Geologie ohne weitere zusätzliche Charakterisierung nicht mehr gebräuchlich. Der Terminus Schiefer steht für Gesteine, die eine deutliche Spaltbarkeit auf­weisen. Das heißt, dass sie sich unter mechanischer Einwirkung in mehr oder weniger dünne Ta­feln zerlegen lassen. Man unterscheidet Tonschiefer und kristalline Schiefer.

Tonschiefer sind feinkörnige Gesteine mit sehr hohem Tonmineralanteil, die aufgrund der Wirkung gerichteter Drücke (tektonisch bedingt) eine Schieferung aufweisen. Tonschiefer haben einen ge­ringen Metamorphosegrad. Sie entstanden aus feinkörnigen Lockersedimenten, welche sich im Resultat der Diagenese (physikalisch, physikochemischer Prozess der Gesteinsbildung bzw. Ver­festigung und Umbildung in Raum und Zeit) verfestigten. Diese feinkörnigen z. T. schlammartigen Sedimente bildeten sich unter relativ ungestörten Ablagerungsbedingungen in meist tiefen stehen­den Gewässern. Dort dominierten in der Regel anoxische Bedingungen bzw. ein reduzierendes Mi­lieu, was zur Zerlegung (Fäulnis) organischer Substanz (z. B. abgestorbenes Plankton) unter der Mitwirkung entsprechender Bakterienarten führte. Die neben verschiedensten Farbtönen auftreten­de dunkle Färbung dieser Schiefer ist ein Hinweis auf die  Anwesenheit organischer Substanz. Die­se Schiefer sind potentiell gasführend (meist Methan) und kommen deshalb als Arsenal alternati­ven Naturgases in Frage. Das Gas befindet sich meistens in geschlossenen Klüften und auch in Mikroporen. Dieses Gas kann durch Aufbrechen („hydrofracing“ oder „fracing“) der inneren Ge­steinsstruktur zur Förderung mobilisiert werden kann.

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Schiefern stehen die hochmetamorphen kristallinen Schiefer, die sich infolge der Langzeitwirkung hoher Drücke, Wärme und auch harter Strahlung herausbildeten. Das Ausgangsgestein für die Bildung kristalliner Schiefer waren Tonschiefer und auch andere Gesteine (z.B. auch nichtsedimentäre). In diesen Schiefern sind mineralogische Re­likte als direkter Hinweis auf einen sedimentären Ursprung nicht mehr vorhanden. Das Mineralin­ventar besteht hier aus sekundären silikatische Bildungen. Eine nennenswerte Gasführung ist für kristalline Schiefer untypisch.

Weshalb erfolgte in Europa bisher keine Gewinnung von Naturgas aus Schiefern?

In den traditionellen Erdgasförderländern konnte bei zuverlässigen Förderraten und deren ständi­ger Erhöhung niemand ernsthaft auf die Idee kommen; Naturgas aus weniger wirtschaftlichen La­gerstätten zu gewinnen. Die erdgasimportierenden Länder andererseits gaben sich bei zuverlässi­ger Lieferung mit dem traditionellen Erdgas und den entsprechenden Preisen ab.

In der nachfolgenden Abbildung ist aus geologischer Sicht dargestellt, welche Position „Schiefer­gas“ unter den anderen Naturgasvorkommen einnimmt.

Abb. 1: Vorkommen von Naturgas

Ebenfalls der Fachbegriff „hydrofracing“ oder „fracing“ als „neues“ Verfahren zur Gewinnung von Fluiden (Naturgas, Erdöl) soll an dieser Stelle kompetent erklärt werden:

„Hydrofracing“ ist eine unter mehreren möglichen Methoden, die bei der Intensivierung der Förder­tätigkeit von Produktionsbohrungen für Erdöl und Erdgas angewendet werden. Die Anwendung dieser Methode zielt auf die Herstellung einer hohen Leitfähigkeit innerhalb der auszubeutenden Schicht zur Gewährleistung eines höheren Zuflusses des zu fördernden Fluids (Gas, Wasser, Kon­densat, Erdöl oder deren Gemische) in Richtung der mit Filter ausgebauten Strecke einer Produkti­onsbohrung. Dazu wird ein flüssiges Mittel (Gel, Wasser, Säure) unter Anwendung von Hochleis­tungspumptechnik in das Bohrloch bis zum Erreichen eines für den konkreten Förderhorizont spe­zifischen Drucks gepumpt. Mit dem Erreichen dieses Drucks wird die innere Struktur des Förderho­rizontes gestört, so dass bisher geschlossene Klüfte und Poren geöffnet werden. Zur Aufrechter­haltung dieses geöffneten Zustandes der Klüfte wird in Kollektoren, die aus terrigenem Material (tonige, sandige Sedimentgesteine) bestehen, ein spezieller Quarzsand quasi als Keil verwendet. Im Fall von kalkigen bzw. kalkhaltigen Kollektoren kann Säure zur Anwendung kommen. Im Resul­tat der Nutzung dieser Methode erhöht sich das Fördervolumen einer Bohrung in der Regel erheb­lich. Diese Methode erlaubt es alte Bohrungen, die nicht mehr rentabel fördern, wiederzubeleben.

Die Entwicklung dieser Methode wird der Firma Halliburton zugeschrieben (1947). Diese nutzte in den USA das Verfahren erstmals kommerziell im Jahr 1949. Damals wurde Wasser und als „prop­ping agent“ (aufspaltendes Mittel) einfacher Flusssand verwendet. Das Verfahren wird auch zur Förderung von Methan aus Kohlenflözen angewendet. Sehr schnell nach seiner Einführung fand diese Methode weltweit Eingang in die Praxis der Erdöl- und Erdgasförderung.

Weltweit werden Arbeiten nach dieser Methode von Serviceunternehmen der Erdöl und Erdgasin­dustrie wie Halliburton, Schlumberger, BJ Services u. a. angeboten.

Für eine Übersetzung des Fachterminus ins Deutsche erscheint dem Berichterstatter der Begriff „hydraulische Schichtbrechung“ als günstig.

In unten folgender Abbildung ist das technische Prinzip des Hydrofracings schematisch dargestellt.

 

Abb. 2: Prinzip des Hydrofracings (nach „Bergenzyklopädie“ V2, S. 36 – Kozlowski et. al (Red.), Moskau 1986)

Für den Leser liegt es nun auf der Hand, dass es sich beim „fracing“ durchaus nicht um ein neues Verfahren als solches handelt. Das „Neue“ besteht darin, dass Gasvorkommen in entsprechenden Schiefern wirtschaftlich nutzbar sind mit Hilfe eines Förderverfahrens unter Anwendung einer spe­ziell dafür angepassten Variante der hydraulischen Schichtsprengung (fracing).

Ähnlich verhält es sich mit dem Neuheitsgrad von Technologien gerichteter einschließlich horizon­taler Bohrungen. In Industrie, Bergbau, Erdöl-/Erdgasförderung und geologischer Erkundung ist die Anwendung solcher Technologien schon über viele Jahrzehnte lang geübte Praxis. In letzter Zeit hat das technologische Grundprinzip der verschiedenen Bohrtechnologien keine revolutionäre Er­neuerung erfahren. Andererseits ist es selbstverständlich, dass neuartige Materialien, Elektronik (Mess- und Steuertechnik), EDV- Anwendungen (Steuerung, GPS u. a.) und neu entwickelte leis­tungsfähigere Aggregate zeitgemäß Eingang in die Praxis finden und somit die bestehenden Bohr­technologien ständig verfeinert und verbessert werden.

Das Neue an der Fördertechnologie für Schiefergas besteht in der Anwendung einer prinzipiell be­kannten Bohrtechnologie, die speziell auf diese Art von Naturgasvorkommen eingestellt und dafür entsprechend verfeinert wurde.

Abb. 3 veranschaulicht das Grundprinzip gerichteten Bohrens bei der Förderung von Erdöl und Erdgas.

 

Abb. 3: Beispiel für gerichtetes Bohren („Nestbohren“) von einem Punkt aus (nach „Bergenzyklopädie“ V3, S. 137 – Kozlowski et. al (Red.), Moskau 1987)

Nach dieser „Einleitung“ wird nun dem Leser vorgeschlagen, sich zum Thema „Schiefergas“ mit einer Stellungnahme von russischer exponierter Stelle bekannt zu machen.

„Ein Zuwachs der Gewinnung von Schiefergas in Europa ist nicht zu erwarten“; (Transkript: OSHIDAT´  ROSTA DOBYTSCHI GAZA IZ SLANTSEW HJE PRICHODITSJA Übersetzung ins Deutsche B. Hartmann) Von Sergej Prawosudow – Generaldirektor des Instituts für Nationale Energetik über Zuwachsperspektiven der Förderung von Schiefergas (aus  http://tinyurl.com/2vfn9ma, erschienen am 13.04.2010 in „Neft` Rossii“ (Erdöl Russlands) und „Russische Business-Zeitung“ Nr. 745 (12))

„In letzter Zeit wird in der Welt eine aktive Kampagne zur Propagierung von Schiefergas geführt. All dies begann, als gemäß den Bilanzen des vergangenen Jahres die USA Russland in den För­dermengen von Erdgas überholten (624 Mrd. m³ gegenüber 596 Mrd. m³).

Dieser Sachverhalt ist durch den Zuwachs der Förderung eben dieses Schiefergases begründet. Sogleich wurde vielfach prognostiziert, dass nun in der ganzen Welt diese Art von Erdgas aktiv ge­fördert werden und damit der russische „blaue Treibstoff“ nicht mehr gefragt sein wird. Jedoch teil­te anschließend die amerikanische Zeitung „The Wall Street Journal“ mit, dass das US-Ministerium für Energetik allzu optimistisch das Fördervolumen des Erdgases im Lande einschätzte. Im besag­ten Artikel wird mitgeteilt, dass die Angaben für das Jahr 2009 noch um 10-12% nach unten korri­giert werden könnten. Wahr ist auch, dass dies noch bis zum Herbst des laufenden Jahres dauern könnte. Dabei hat sich in Russland die gesamte Gasfördermenge bereits im ersten Quartal 2010 gegenüber dem Vorjahr um 18,3% erhöht. Auf diese Weise könnte sich herausstellen, dass sich in Amerika keinesfalls ein „Gaswunder“ ereignet hätte.

In letzter Zeit propagieren amerikanische Firmen verstärkt die Förderung von Schiefergas. Die Selbstkosten für Schiefergas betragen im Mittel 150 $ pro 1000 m³ (d.h., 10 mal höher als für tradi­tionelles Gas in Russland). Deshalb ist es sinnvoll, dieses Gas in unmittelbarer Nähe des Konsu­menten zu fördern. Im Unterschied zu den USA wird Schiefergas in Europa bisher nicht gefördert.

Ein stetiges Wachstum der Förderung von Schiefergas in Europa ist nicht zu erwarten. Dafür gibt es einige Gründe: Erstens, die Schichten gasführender Schiefer sind in den Ländern der Europäi­schen Union gänzlich ununtersucht. Zweitens, ist die Bevölkerungsdichte in Europa weitaus höher als in den USA. Folglich würde die Gasförderung aus Schiefern ständig von Protesten aktiver Bür­ger und ökologischer Organisationen begleitet sein. Die Fördertechnologie bedingt im großen Maßstab die Anwendung des „fracings“ (dafür gibt es im Russischen schon von Anfang an über viele Jahrzehnte einen russischen Fachterminus, der in wörtlicher Übersetzung etwa „Hydrospren­gung“ heißen würde – Anm. d. Übers.), bei dem 900 bis 1000 m³ Wasser in das Gestein gepumpt werden müsste, um damit das dort befindliche Gas zu verdrängen. Man könnte sich damit abfin­den, falls dabei nur Wasser verwendet werden würde – es müssen aber immer diverse chemische

Reagenzien hinzugefügt werde (z. B. Tenside zur Verringerung der Oberflächenspannung des Wassers – Anm. d. Übers.), was zu einer Verschmutzung des Grundwassers bzw. von Süßwasser­quellen führen würde. Sogar in den USA, wo es hinsichtlich ökologischer Fragen nicht so genau genommen wird wie in Europa, wurde die Förderung von Schiefergas im Raum von New York un­tersagt.

Es ist zu erwarten, dass in nächster Zeit die europäischen Länder einem Druck der USA ausge­setzt sein werden, der durch die hinter ihnen stehenden Service-Unternehmen der Erdölindustrie (z. B. Halliburton – Anm. d. Übers.) verursacht wird. Könnte ihnen doch eine großangelegte Förde­rung von Schiefergas in Europa milliardenschwere Gewinne bringen. Solche Unternehmen wie die bekannte Halliburton beschäftigen sich ständig eben mit dem Niederbringen von Bohrungen und dem „fracing“ von Schieferschichten. Ist eine Exploitationsbohrung auf traditionellen Erdgasfeldern in der Größenordnung von insgesamt 30 Jahren funktionsfähig, so sinkt die Ergiebigkeit analoger Bohrungen auf Gasschieferfeldern gegen Ende des ersten Jahres ihrer Nutzung um 70 bis 90%. Deshalb ist man zur Aufrechterhaltung der Gasförderung gezwungen, ständig neue Bohrungen zu teufen und die Aufsprengung der Schichtklüfte (fracing) zu gewährleisten.

In den USA sind ständig etwa 2000 Bohranlagen in Betrieb – in Europa sind es 50. Dies steht da­mit im Zusammenhang, dass in den USA traditionsgemäß die überwiegende Menge von Erdöl und Gas auf dem Festland gewonnen wird. In Europa sind dagegen (gemeint ist Westeuropa; nicht ganz untypische Ausdrucks- und Denkweise vieler Russen – man spricht von Europa und vergisst dabei, dass Russland selbst einen großen Teil Europas bis zum Ural belegt ist und Russen Euro­päer sind. – Anm. d. Übers.) Festlandslagerstätten (gemeint sind Lagerstätten im Teufenbereich bis 5000 m, tiefer gelegene sind höchstwahrscheinlich vorhanden, aber nicht erkundet – Anm. d. Übers.) fast vollständig erschöpft. Die Ölförderung erfolgt fast ausschließlich auf dem Schelf der Nordsee. Bei der Gewinnung von Schiefergas müssten die Europäer amerikanische Bohrfirmen heranziehen.

Es ist sinnvoll daran zu erinnern, dass sich die Förderung von Schiefergas in den USA aktiv in­nerhalb der letzten fünf Jahre entwickelte, was auf die hohen Gaspreise auf dem amerikanischen Markt zurückzuführen ist. Angesichts dessen, dass der „blaue Treibstoff“ 500-600 $/1000 m³ koste­te und die Selbstkosten für dieses Volumen 150 $ betrugen, erscheint dies vollkommen akzepta­bel. Gegenwärtig bei Preisen von weniger als 130 $ / 1000 m³ auf dem US-Markt werden sich wohl wenige Investoren für solche Projekte finden. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich der Still­stand von Bohranlagen stark erhöhte und sich bei mehr als 700 Stück beläuft. Gleichzeitig startete irgend jemand eine große PR-Kampagne zur Propagierung von Schiefergas.

Mit dem Wissen über das Umweltbewusstsein der Europäer verbreitete Anfang März das Unter­nehmen Halliburton eine Meldung, in der mitgeteilt wird, dass seine Spezialisten an einer ökolo­gisch sauberen Technologie der hydraulischen Aufsprengung von Gesteinsschichten arbeite. Im Speziellen wird über die Behandlung der einzupumpenden Wässer mit UV-Strahlung zur Abtötung von Bakterien berichtet, womit sich erweist, dass die Wasserzusätze auch noch gefährliche Bakte­rien enthalten. Außerdem wurden hinsichtlich schädlicher Austräge in die Atmosphäre während der Gasförderung bisher keinerlei seriöse Untersuchungen durchgeführt.

Man kann erwarten, dass in nächster Zeit in der EU eine seriöse Diskussion über die Perspektiven einer Gasförderung aus Schiefern geführt werden wird. Führende Rollen dabei werden aller Vor­aussicht nach solche Länder übernehmen, deren Außenpolitik im großen Maß auf die USA orien­tiert ist wie beispielsweise Polen.

Kommentar der Newchemistry (NC, Russland) (ein Verband der chem. Industrie – Anm. d. Übers.)

Nach Angaben der britischen The Times beginnt in Polen die amerikanische Firma ConocoPhillips ab Mai 2010 mit der Realisierung eines Programms zur Gasförderung aus tiefliegenden Schiefern. Die ersten „high-tec-Schächte“ (Schächte, aus denen Bohrungen in alle Himmelsrichtungen geteuft werden können – Anm. d. Übers.) werden für diesen Zweck in Gda?sk am Ufer der Ostsee errich­tet. Ähnliche Projekte werden in den nächsten Monaten zwei weitere amerikanische Unternehmen sowie ein kanadisches (Exxon-Mobile, Marathon und entsprechend Talisman Energy) in Angriff nehmen.

Es ist zu erwarten, dass diese Projekte einen Sprung in der polnischen wie auch in der amerikani­schen Wirtschaft verursachen werden. Mit Beginn der 2000-er Jahre, als die Technologie des ge­richteten Bohrens im Bereich der Gasförderung aus Schiefern in den USA eingeführt wurde, erwies sich die Gewinnung diese Rohstofftyps als rentabel. Ausgehend von den 1990-er Jahren bis heute haben sich die Fördermengen in den USA vervierfacht, was den Rohstoffpreis wesentlich senkte. Gegenwärtig beträgt der Anteil der Förderung von Schiefergas am Gesamtvolumen der Gasförde­rung in den USA 20 %. Es wird erwartet, dass der Anteil bis zum Jahr 2020 auf 50 % ansteigt.

Gas aus Schiefern unterscheidet sich von Naturgas, welches aus traditionellen Speichern gewon­nen wird, durch sein Vorkommen in Mikroklüften fester brennbarer Schiefer (nicht ganz exakt, sonst wären es Ölschiefer, die eigtl. keine echten Schiefer sind: gemeint sind Schiefer, die natürlich immer Festgesteine sind, organikführend sein können und gasführend in Mikroklüften und Mikro­poren sind, müssen auch nicht brennbar sein – Anm. d. Übers.), die in größeren Tiefen als ge­wöhnliche Erdgaslager vorkommen (muss auch nicht unbedingt sein – Anm. d. Übers.) und einen niedrigen Filtrationskoeffizienten (Maß für die Durchlässigkeit von Poren und Klüften-Maßeinheit – m/d; m/s – Anm. d. Übers.). Vom Standpunkt der bisherigen Gasförderung erscheint das Schiefer­gas aufgrund der besonderen Schwierigkeiten seiner Förderung und der damit verbundenen auf­wendigen Fördertechnologie als nicht traditioneller Rohstoff.“

(Ende der Übersetzung)

Prawosudow führt einige Fakten an, die so in der euphorischen Presse bisher wohl kaum behan­delt wurden. Andererseits ist, zwischen den Zeilen lesend, durchaus erkennbar, dass in Russland hinsichtlich der Rolle des Schiefergases große Aufruhr entstand. Klar ist auch, dass die Medien­welt beispielsweise in Fragen Schiefergas, unabhängig von der Objektivität der Informationen dar­über und von welcher Seite sie kommen, eine neue Qualität des immer noch nicht vergangenen kalten Krieges widerspiegelt. Das Thema Schiefergas ist in diesem Kontext ein Nebenschauplatz des internationalen Gerangels um Rohstoffe, wirtschaftlichen und politischen Einfluss, welches sich nun aktuell u. a. auf dem europäischen Kontinent abspielt.

Die Vorteile des Schiefergases bestehen vor allem darin, dass es praktisch überall in der Welt in insgesamt großen Mengen vorkommt. Glücklicherweise aus Sicht der USA lagern diese gasführen­den Schiefer in Nordamerika relativ oberflächennah (weniger als 1500 m). Für die USA besteht das wirtschaftlich Wesentliche darin, dass das einheimische nicht teurer als das importierte Gas ist. So betrug der Preis für Importgas im Jahr 2009 im Mittel 115 $ pro 10000 m³. Dabei ist es wichtig, dass der Gaspreis bei der Einleitung ins Verteilungsnetz ein Niveau von 180 $/1000 m³ nicht über­steigt. Für den Endverbraucher sind dann 330 $/1000 m³ zu entrichten.

In den EU-Ländern ist die Situation schon eine andere – bei einem Importpreis aus Russland von 300 $ für 1000 m³ Gas muss der Endverbraucher hier 650 $ bezahlen. Angesichts solcher Preise und einer entsprechenden staatlichen Förderung erscheint eine wirtschaftliche Gewinnung von Schiefergas künftig als durchaus gestaltbar. Genau davor müsste man in Russland Angst haben.

Es ist außerdem aber ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass auch Russland gemäß seines natürli­chen Potentials wie auch aufgrund seiner fachlichen, technischen und materiellen Möglichkeiten in der Lage wäre, den Weg der verstärkten Ausbeutung von Schiefergas zu begehen.

Dem steht in Europa der EU-Länder folgendes entgegen:

1. Die potentiellen Schiefergaslager sind aus lagerstättengeologischer Sicht praktisch nicht untersucht. Dementsprechend sind die Fragen nach Vorräten, Stabilität der Förderung und der Zuverlässigkeit der Versorgung der Wirtschaft nicht im Geringsten geklärt.

2. In keinem EU-Land besteht ein leistungsfähiger Sektor zur Erkundung und Gewinnung des besagten Rohstoffs. Wollte man aus eigener Kraft diese Aufgabe bewältigen, müsste dem ein entsprechender politischer Beschluss vorausgehen. Der schnellere Weg wäre mit der Inanspruchnahme ausländischer Hilfe gangbar. Hier bestünde aber die Gefahr der Erhöhung des Potentials der äußeren wirtschaftlichen und politischen Einflussnahme.

3. Zur Gewinnung des Schiefergases ist das Niederbringen vieler Produktionsbohrungen unumgänglich, da ihre Funktionsfähigkeit auf ca. 1 Jahr begrenzt ist (im Vergleich dazu funktionieren Produktionsbohrungen für die Erdgasgewinnung ohne zusätzliche Intensivierungsmaßnahmen in Westsibirien 10-15 Jahre). Damit macht sich die Inanspruchnahme großer Flächen einhergehend mit ihrer Verwüstung erforderlich. Das steht im Missverhältnis zur verhältnismäßig hohen Bevölkerungsdichte und der damit verbundenen engmaschigen Infrastruktur. Hinzukommt die restriktive Wirkung komplizierter Eigentumsverhältnisse, die Existenz verschiedenartiger großflächiger gesetzlich festgeschriebener Schutzgebiete und nicht zuletzt eventuell fehlender Akzeptanz in der Bevölkerung.

So ließen sich noch einige Aspekte aus dem Für und Wider zum Thema Schiefergas anführen. Auf jeden Fall ist die Lage zu Gunsten des Schiefergases bei Weitem nicht so eindeutig und rosig, wie es zum Beispiel von namhaften Wirtschaftszeitschriften versucht wird, zu suggerieren. Der Bericht­erstatter hofft, dass er dem Leser das Verständnis dafür vermitteln konnte.

Kurzfristig wird Schiefergas als Energierohstoff auf keinen Fall eine wichtige Rolle in der Wirtschaft Europas übernehmen können. Trotzdem wird es interessant und bleibt abzuwarten, wie die weitere Entwicklung in Sachen Schiefergas verlaufen wird. 

Gastautor Dipl. Geologe Dr. B. Hartmann Halle (S.), 14. Mai 2010 für EIKE