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Von der Startrampe zum Bremsklotz — 20 Jahre EEG – ein Fossil hat Geburtstag

Als „Erfolgsgeschichte“, eine „grüne Idee für die Welt“ bezeichnet die Grünen-Bundestagsfraktion das EEG. Nimmt man als einzige Sichtweise den Ausbau ausgesuchter regenerativer Stromeinspeiser, so trifft dies vollumfänglich zu. Um mehr als um das Sechseinhalb fache erhöhte sich die so produzierte Strommenge. Das „PV-Magazin“ jubelt über die „Startrampe des globalen Siegeszugs der Solartechnik“. Auch dies ist nicht falsch, allerdings unvollständig. Sieg klingt nach Krieg, gegen wen? Gegen einen ausgewogenen Energiemix mit verträglichen Kosten? Die Startrampe bewirkt die größte Umverteilung von arm zu reich seit Bestehen der Bundesrepublik, sie beschert uns die europaweit höchsten Strompreise und Zahlungsverpflichtungen für die nächsten Jahre, die wie ein Klotz am Bein hängen. Und sie verhindert sowohl die Marktfähigkeit von Wind- und Sonnenstrom als auch „100-Prozent Erneuerbar“. Ein großer Chor bejubelt das EEG, um im selben Atemzug dringenden Änderungsbedarf anzumelden. Dann kann es so gut doch nicht sein.

Die Ursprungsfassung des EEG enthielt 12 Paragrafen auf 6 Seiten. Über die Novellen in den Jahren 2004, 2009, 2012, 2014 und 2017 (die nächste in 2021) kletterte der Umfang auf 104 Paragrafen und 116 Seiten zuzüglich 4 Anhängen, in denen unter anderem über 5.900 verschiedene Vergütungskategorien und -höhenfür Ökostrom festgelegt sind. Der Inhalt des Gesetzes ist in für Laien unverständlicher Sprache formuliert und durch eine Vielzahl von Verweisen und Bezugnahmen nur noch Experten zugänglich. Den Paragrafenfetischisten unter den Lesern empfehle ich die Lektüre meines Lieblingsparagrafen 36h, einem Hochamt von Juristerei und Bürokratie. Der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Normenklarheit widerspricht das Gesetz in eklatanter Weise. Es steht als Symbol für staatlich gelenkte Energiewirtschaft und bewirkt den gleitenden Übergang vom Markt zum Plan.

Etwa 24,6 Milliarden Euro wird der Ökostrom in diesem Jahr kosten. Das Geld wird via Stromversorger von den Endkunden eingesammelt und an die Betreiber durchgereicht – nachdem es vorher mit der Mehrwertsteuer „veredelt“ wurde. Auch dies ein Grund, weshalb sich das staatliche Interesse an niedrigeren Strompreisen in Grenzen hält. Die 24,6 Milliarden Euro übertreffen übrigens die Etats der Bundesministerien für Umwelt, Ernährung/Landwirtschaft und Wirtschaft von insgesamt 21 Milliarden Euro und auch den des Bundesforschungsministeriums (20,4 Milliarden).

Trotz regelmäßig wiederkehrender Prognosen interessengeleiteter Thinktanks oder auch des DIW von künftig sinkenden Umlagen droht nun für 2021 eine Erhöhung auf über sieben Cent pro Kilowattstunde. Dies wird verursacht durch den Rückgang wirtschaftlicher Aktivitäten während der Pandemie und der Produktion von Ökostrom mit Einspeisegarantie am Bedarf vorbei. Nun greift die richtunggebende Politik ein, um Widerstand vorzubeugen und die Energiewende unverändert weiter als Erfolgsgeschichte verkaufen zu können. Das Einfrieren der EEG-Umlage auf 6,5 Cent für das nächste Jahr wird man sich vermutlich 11 Milliarden Euro aus dem Steuersäckel kosten lassen.

Voraussichtlich wird es 2021 etwa 20 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen geben und die Neuverschuldung wird 96 Milliarden betragen, wovon also 11 nötig werden, dem Weg der kostenmaximierten Energiewende weiter zu folgen. Oder anders gesehen: Um unser heutiges Energiesystem weiter zu finanzieren, müssen wir über Staatsschulden nachfolgende Generationen belasten. Eine Erfolgsgeschichte ist das nur für diejenigen, die von Ökostromanlagen profitieren. Die vorgesehen Deckelung 2022 auf 6 Cent wird den notwendigen staatlichen Zuschuss steigen lassen

Teures Netz

Die EEG-Umlage wird also nicht mehr der Strompreistreiber sein, sondern nur auf hohem Niveau verharren. Der Turbo beim Strompreis wird von den Netzentgelten ausgehen. Aus kosmetischen Gründen wurden bereits die sündhaft teuren Anschlusskosten der Offshore-Windanlagen in die neue Rechnungsposition „Offshore-Umlage“ überführt. Die Netzentgelte werden in den nächsten Jahren von folgenden vier Faktoren getrieben:

– Notwendiger Netzausbau auf allen Spannungsebenen, auch in den Verteilnetzen infolge dezentraler kleinteiliger Einspeisung und Zunahme der Elektromobilität sowie der teuren Erdverkabelung im Hochspannungsbereich über große Distanzen.

– Steigende Systemkosten durch Vorhaltung und Betrieb von Reservekraftwerken (über 10.000 Megawatt sind im Winter 22/23 durch die Bundesnetzagentur vertraglich zu binden). Es handelt sich dabei zumeist um zur Stilllegung angemeldete Altanlagen auf Gasbasis mit schlechten Wirkungsgraden. Ein Teil des entfallenden emissionsarmen Atomstroms wird durch emissionsreichen fossilen Strom ersetzt werden. Damit werden die Emissionsziele konterkariert, der geplante Reduktionspfad wird nicht erreicht werden.

– So genannte Netzstabilitätsanlagen bei den Netzbetreibern (neu zu errichtende Gas- oder Ölkraftwerke), die südlich der Mainlinie, der so genannten Südzone, errichtet werden müssen. Sie sollen nur im Notfall betrieben werden, haben einen schlechten Wirkungsgrad (offene Gasturbinenanlagen, die das heiße Abgas ungenutzt in die Umwelt pusten) und sind auch ohne Chance auf Amortisation durch wirtschaftlichen Betrieb. Sie sollen nur 10 Jahre betriebsfähig sein. Kostenpunkt: 1,2 Milliarden Euro.

– So genannte Netzbooster, die durch die Netzbetreiber an Engstellen in Form von Großbatterien errichtet werden. Ursache dafür ist der nachhängende Netzausbau und die fehlende Synchronisierung des Zubaus volatiler „Erneuerbarer“ mit dem Netzausbau. Regional hätte es Ausbaumoratorien geben müssen, aber die Lobby treibt die Regierung vor sich her. Kostenpunkt: Mehrere hundert Millionen Euro.

Zudem wird die Erweiterung der Gaskraftwerkskapazitäten erforderlich. Der BDEW geht von einem nötigen Zubau von 17 Gigawatt bis 2030 aus, Greenpeace von einer Verdopplung der jetzigen Kapazitäten (28 Gigawatt), eine Studie der Leopoldina und anderer1 geht von einer gesicherten Leistung etwa in der Höhe der 2017 verfügbaren 90 Gigawatt aus. Die Sektorenkopplung werde den Stromverbrauch erhöhen, der entsprechend abgesichert sein muss.

Dies kann man annehmen, fordern oder wünschen – praktisch passiert in dieser Hinsicht so gut wie nichts. Im Gegenteil. Neben den Ausschreitungen am Tagebau Hambach am 26. September (47 Festnahmen) wurde auch das Gaskraftwerk Lausward in Düsseldorf zum Ziel eines (noch friedlichen) Protests. Dies werden gewünschte Investoren in künftige Gaskraftwerke aufmerksam registrieren, wie auch den von den Grünen angedachten Gasausstieg ab 2030. Private Investitionen in fossile Kraftwerke wird es nicht mehr geben, abgesehen von Ersatzbauten für Kohleanlagen im kommunalen Bereich. Zusätzliche große Gaskraftwerke, die Teile der Kernkraft- und Kohlekapazitäten ersetzen für die Sicherung der Versorgung müssen vom Staat initiiert, zumindest aber finanziert werden. Darüber schlummert man im Bundeswirtschaftsministerium noch, obwohl die Zeit knapp wird. Lieber träumt man von breiten Ausbaukorridoren der „Erneuerbaren“, die irgendwie immer genug Strom liefern sollen.

Windstrom im Netz – kann sein, oder auch nicht

Bekanntermaßen tun sie dies nicht. Am 15. September, einem Werktag, lieferten die fast 30.000 Windkraftanlagen zur besten „Sendezeit“, das heißt Produktionszeit in der Wirtschaft zwischen 9 und 20 Uhr weniger als 2.000 Megawatt ins Netz – bei 62.200 Megawatt installierter Leistung. Das entspricht 3,2 Prozent. Am 21. September fächelte der Wind um 16:50 Uhr ganze 400 Megawatt ins Netz, was 0,64 Prozent entspricht. Die Verbraucher im Land zogen zu diesem Zeitpunkt 59.000 Megawatt. Der Strompreis stieg auf 200 Euro pro Megawattstunde, etwa dem achtfachen des Durchschnitts. Zum ohnehin teuren Strom werden sich die Knappheitssignale des Marktes finanziell künftig addieren. Dies trifft vor allem die heute von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen, denen die Umlage nicht gegen gerechnet wird.

Was passiert, wenn Wind- und Solarkapazitäten weiter exzessiv zugebaut werden? Bei Dunkelheit oder Windstille bleibt die Leistung null, bei einer Hellbrise gibt es dann ein Überangebot, was zu negativen Börsenstrompreisen und der Vergütung von Phantomstrom führt (nicht produzierter Strom von zwangsabgeschalteten Anlagen, der nach §15 EEG zu 90 % vergütet werden muss).

Von Marktpreisen könnten die Anlagen nicht leben, denn die Gleichzeitigkeit der Einspeisung sorgt bei entsprechend starkem Wind oder hoher Sonneneinstrahlung für einen Verfall des Börsenpreises. Anstelle die „Erneuerbaren“ marktfähig zu machen, bewirkt das EEG das Gegenteil – die Revolution frisst ihre Kinder durch die schiere Vielzahl der Anlagen.

Von den inzwischen mehr als 120.000 Megawatt installierter Ökostromanlagen gelten nur 7.000 Megawatt als gesicherte Leistung (Wasser, Biomasse, Müll, Geothermie). Genau die wäre aber nötig für ein dekarbonisiertes System. Offensichtlich ist, dass es einer völligen Umsteuerung bedarf. Aber selbst ein Vorschlag2 eines der Autoren des Ur-EEG, Hans-Josef Fell von den Grünen, der in die Richtung der Übernahme von Systemverantwortung durch „Erneuerbare“ geht, wird standhaft ignoriert.

So wird absehbar die EEG-Novelle 2021 die Rückbeschränkung auf alte „Erneuerbare“ zementieren, die technisch ausentwickelt sind. Durch ihre geringe Energiedichte erfordern sie einen riesigen Flächenbedarf, ohne infolge erratischer Stromproduktion Versorgung sicherstellen zu können. Durch die Erweiterung der Förderung von Anlagen an windarmen Standorten, das so genannte Referenzertragsmodell, werden im Zusammenwirken mit dem Infrastrukturbeschleunigungsgesetz mehr Anlagen in Süddeutschland aufgebaut werden. Man wird auf Bergrücken und Bergspitzen in Größenordnungen Wälder einschlagen, um wenig Ertrag zu erzielen. Neue Ideen für neue Technologien gibt es nicht.

Ziel ist die Vollversorgung des Landes mit „100-Prozent-Erneuerbar“. Genau dies verhindert das EEG in der jetzigen Form:

– Die Übernahme von Systemverantwortung wird verhindert durch die Förderung von Zufallsstrom am Bedarf vorbei.

– Der Bau von Stromspeicherkapazitäten wird verhindert (durch die Einordnung der Stromspeicher als Letztverbraucher und die damit verbundene Belastung des Speicherstroms mit der   EEG-Umlage, anderen Umlagen und der Stromsteuer).

– Neue Technologien werden ausgeschlossen.

– Selbstregulierende Kräfte des Marktes wirken nicht mehr.

Ein SPD-Vorschlag, die EEG-Umlage zu streichen und dafür die Stromsteuer entsprechend zu erhöhen, würde dem rechte-Tasche-linke-Tasche-Prinzip folgen. Am Strompreis würde sich nichts ändern, der Vorteil bestünde allerdings in einer erheblichen Bürokratievermeidung. Genau deshalb hat der Vorschlag keine Chance. Rings um das EEG hat sich eine Schicht aus Fördermittel- und anderen Beratern, Anwälten, spezialisierten Steuerexperten sowie einer Fülle von „klimabasierten“ Arbeitsplätzen gebildet, die nicht ohne Widerstand den Entfall eines Teils ihrer Einkünfte hinnehmen wird.

Das alles überragende Argument des Klimaschutzes ist ein Vorgeschobenes. In Wirklichkeit geht es um die Maximierung des Ausbaus ausgewählter EE-Anlagen, an denen eine ausgewählte Industrie verdient. „Agora Energiewende“ formuliert das in seinem Hauptsatz unverblümt:

„Der erste Hauptsatz der Energiewende lautet: Im Mittelpunkt stehen Wind und Solar! Darauf baut alles Weitere auf.“

Selbst wenn über das EEG die Dekarbonisierung des Landes erreichbar wäre, bliebe diese Emissionssenkung auf unser Land beschränkt und könnte nur einmal durchgeführt werden. Was, wenn danach der Klimawandel weitergeht?

Das IPCC präsentiert neben der Empfehlung zu regenerative Energieerzeugung weitere Vorschläge, wie die Emissionsziele erreicht werden könnten. Zum einen über den Weg negativer Emissionen, die über die CCS- oder CCU- Technologien3 erreichbar wären. Mit der  Abscheidung von CO2 aus der Biomasse-Verbrennung ergäben sich unmittelbar negative Emissionen. Deutschland war um 2010 mit der Pilotanlage von Vattenfall in Schwarze Pumpe führend, bis die Politik  den Prellbock aufstellte. Als zweite Option führt das IPCC die Kernenergie an. Auch auf diesem Feld war Deutschland einst führend. Ein deutsches Patent für einen  Dual-Fluid-Reaktor, der maßgeblich zur Dekarbonisierung beitragen und quasi nebenbei das Endlagerproblem lösen würde, bleibt unbeachtet.

Das Pariser Klimaabkommen ermöglicht auch Emissionssenkung durch Aufforstung, ein Konzept dazu stellte unlängst der Energievernunft Mitteldeutschland e.V. vor. Diese anderen, auch global wirkenden Maßnahmen würden die exzessive Verspiegelung und Verspargelung unseres Landes vermeiden. Aber sie werden  verhindert, um die Geldumverteilungsmaschinerie zugunsten alter „Erneuerbarer“ nicht zu gefährden.

Die Deutschen sind bekannt dafür, alles gründlich zu tun. Wir werden den Weg bis zum Ende der Sackgasse gehen müssen. Ab 2023 fehlen uns etwa 20 Gigawatt gesicherte Stromeinspeisung. Die Kanzlerin ist nicht bekannt für die Korrektur ihrer Entscheidungen, auch nicht der ihrer Fehlentscheidungen. Wenn es dann knapp wird, wird sie nicht mehr im Amt sein. Sie gibt dann die Projektionsfläche ab für Schuldzuweisungen aus verschiedensten Richtungen. Auch dann wird man, wie über das heutige EEG, sagen: Keine Fehlerdiskussion, wir müssen nach vorn blicken.

Die Kosten trägt der Steuerzahler.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

 

 

 

 

 

 

Zur Vertiefung:

Am 30. September war das EEG Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung des Landtags NRW.

Zur Meinungsbildung finden sich hier die Stellungnahmen der IHK NRW, des VKU NRW, von „Die Familienunternehmen“ NRW, BDEW Landesgruppe NRW, Landesverband Erneuerbare Energien NRW, sowie von Prof. Dr. Lüdecke (EIKE) und mir. Das Protokoll der Veranstaltung folgt später.

 

 

 

 

 

 

1         –           Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften), acatech

(Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) und

Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

„Sektorkopplung – Optionen für die nächste Phase der

Energiewende“, 2017

2         –           „Eckpunkte für eine Gesetzesinitiative zur Systemintegration

Erneuerbarer Energien“

EnergyWatchGroup, April 2020.

3         –           CCS – Carbon capture and storage – Abtrennung und Speicherung

von CO2

                                       CCU – Carbon capture and utilization – Abtrennung und Nutzung von

CO2




Frank Hennig im Interview mit kernenergie.de über Energiewende

In der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage nach den Kosten der Energiewende vom Dezember 2017 wird ausgeführt, dass diese nicht berechnet werden können. Was ist Ihre Einschätzung hinsichtlich der Kosten?

Die Antwort der Bundesregierung ist ein Eingeständnis der mangelnden Übersicht und Kontrolle über die weltweit einzigartige und nationalstaatlich angelegte Energiewende. Es gibt keinen Masterplan, somit keine Kostenkalkulation und -kontrolle. Professor Fratzscher vom DIW bezeichnete die Energiewende als „Experiment“ und hat damit eine meines Erachtens sehr treffende Bezeichnung gefunden. Nach der Methode des „Trial-and-Error“ tastet sich die Bundesregierung staatsplanerisch voran und hofft auf Erfolg. Experimenten ist allerdings eigen, dass ihr Ausgang offen ist.

Bei der im Grunde nur begonnenen Stromwende dürfte es in der Tat äußerst schwierig sein, alle Kostenbestandteile umfänglich zu erfassen. Neben den vergleichsweise leicht ermittelbaren Posten wie EEG-Umlage und Redispatchaufwand sowie Kosten für Netzstabilitätsanlagen, Reservekraftwerke und Sicherheitsbereitschaften gibt es weitere indirekte Kosten, die schwer zu erfassen sind.

Da ist zunächst die Fülle nicht überschaubarer direkter Subventionen und Förderungen auf allen Ebenen von der EU bis zu den Kommunen, von Förderprogrammen aus Brüssel bis hin zu Agenda-21-Zahlungen in Städten und Gemeinden für den Einsatz regenerativer oder emissionsarmer Energieanlagen. Die Auflistung KfW-geförderter Maßnahmen für den Einsatz von Ökoenergien ist umfangreich. Finanzspritzen für Ökoindustrieanlagen gibt es fast immer.

Die indirekten Kosten der Energiewende sind vielfältig und nicht in ihrer Gesamtheit darstellbar. Die Frage beispielsweise, welcher Netzausbau ohnehin erforderlich gewesen wäre und wie weit der Zubau dezentraler volatiler Erzeugung den Ausbau insbesondere der Mittel- und Niederspannungsebene zusätzlich erforderlich macht, ist nicht seriös zu beantworten. Ebenso die Bewertung der Verluste kommunaler Stadtwerke durch den verfallenen Börsenstrompreis und Investitionen von Kommunen und Bürgerenergiegesellschaften in Windindustrieparks, die in etlichen Fällen defizitär sind. Unterbliebene Investitionen in die konventionelle Energiebranche wie auch in der energieintensiven Industrie (siehe Abwanderung der Karbonfaserproduktion) sind ebenso monetär nicht erfassbar.

Betroffen vom niedrigen Großhandelspreis beim Strom sind die großen Versorger mit noch nicht abgeschriebenen Wärmekraftwerken und insbesondere Gaskraftwerken, die auf Grund des hohen Brennstoffpreises am Markt nicht mehr bestehen können. Dies ist aus Sicht der Emissionen kontraproduktiv, aber durch den Markteingriff des EEG logische Folge. Auch die verminderten Steuereinnahmen von Unternehmen der konventionellen Energiewirtschaft sind indirekte Kosten der Energiewende. Die deutschen Industrie- und Gewerbestrompreise für nicht umlagebefreite Kunden sind die zweithöchsten in Europa und kosten Wachstum und Beschäftigung.

Hinzu kommen die Wertverluste an Immobilien im ländlichen Raum, die nur noch unter Verlust oder gar nicht mehr verkäuflich sind, weil manche Gemeinden von Windkraftanlagen umzingelt sind.

Auch drastische Fehlsteuerungen des EEG, zum Beispiel die nach Überförderung 2012 geplatzte Solarblase, kosten Geld. Nicht zuletzt sind die Kosten des Kernenergieausstiegs für den Steuerzahler durch grobe handwerkliche Fehler der Bundesregierung im Rahmen des Atommoratoriums 2011 auf noch nicht bezifferbare Höhe gestiegen. Desweiteren könnten Kosten für den Steuerzahler daraus entstehen, dass Abschalttermine von Kernkraftwerken nicht mit den im Atomkompromiss 2002 vereinbarten Reststrommengen übereinstimmen.

Zudem gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Bundesregierung bemüht, die Endlagerkosten zu begrenzen.

Absehbar ist, dass im weiteren Verlauf der Energiewende die Kosten, direkte wie indirekte, weiter steigen werden. Wie schnell und wie weit, wird auch die Bundesregierung nicht vorhersagen können. Fakt ist: Wind und Sonne schicken keine Rechnung, sind aber nicht kostenlos – nach deutscher Energiewendemethodik nicht mal kostengünstig.

Für das Jahr 2017 melden deutsche Netzbetreiber zum Teil stark steigende Kosten für Noteingriffe ins Stromnetz. Was sind die primären Ursachen für diese Kosten und wie lassen sie sich aus Ihrer Sicht reduzieren?

Die steigenden Kosten für die Netzeingriffe sind verursacht durch die fehlende Koordinierung des Zubaus volatiler Erzeuger mit dem Netzausbau. Auch hier fehlt der Masterplan, der die 16 Energiestrategien der Länder mit der Bundesstrategie und den Netzausbauplänen zusammenführt.

Die Eigentümer regenerativer Anlagen müssten zeitnah unternehmerische Verantwortung und entsprechendes Risiko übernehmen. Bisher gilt: „Build and forget“, das heißt, nach dem Bau der Anlagen folgt das Kassieren. Um Ableitung, Vermarktung, Verkauf und Abrechnung des Stroms, inklusive der nötigen Netzdienstleistungen müssen sich andere kümmern. Und selbst bei netztechnisch nötigen Außerbetriebnahmen von Anlagen werden Einspeisevergütungen weitergezahlt. Dies ist ein krasser Webfehler im EEG, der dringend behoben werden muss.

Eine sinnvolle Lösung wäre die Abschaffung des EEG und die Verabschiedung eines Folgegesetzes, das Forschung fördert und grund- und regellastfähige Einspeisung anreizt.

Der steigende Anteil der regenerativen Energien an der Stromerzeugung in Deutschland scheint darauf hinzudeuten, dass die Energiewende in ihrer jetzigen Form erfolgreich sein könnte, trotz der voraussichtlichen Zielverfehlung hinsichtlich der Reduktion der Treibhausgase zum Jahr 2020. Würden Sie diese Deutung teilen?

Nein. Ich halte es für einen Trugschluss, auf der Basis zugebauter installierter Leistung den Trend einfach hochzurechnen bis zu 100 Prozent. Es wird vergessen, dass dazwischen ein Systemwechsel liegt. Bisher wird der volatile Strom in ein vorhandenes, durch konventionelle Erzeugung stabilisiertes Netz eingebettet und mit Netzdienstleistungen versehen. Künftig müssen diese Leistungen auch von den Erneuerbaren kommen, wobei weder technisch noch regulativ Entwicklungen in diese Richtung zu beobachten sind.

Der größte Teil erneuerbarer Einspeisung ist volatil und bringt etwa 35 Prozent an elektrischer Arbeit im Jahresdurchschnitt, schwankend zwischen etwa zehn bis fast hundert Prozent. Dies macht ein dauerhaftes Backup-System erforderlich. Der weitere unkoordinierte Ausbau volatiler Einspeiser würde zeitweise zu erheblichem Überangebot führen, das Backup aber nicht überflüssig machen. Bei Windstille ist die Anzahl stehender Windkraftanlagen uninteressant.

Die Finanzierung der Fixkosten beider Systeme ist ein volkswirtschaftlicher Ballast, der auf diese Weise nicht zu vermeiden ist und im Trend weiter steigen wird. Sollten konventionelle Kraftwerke künftig durch riesige Speicherkapazitäten ersetzt werden können, fallen auch für diese erhebliche Kosten an.

In jedem Fall besteht dringend die Aufgabe, die regenerativen Erzeuger an die Regelfähigkeit und die Erbringung von Netzdienstleistungen heranzuführen – schließlich sollen sie dereinst vollversorgen. Wann das soweit sein wird, sollte man nüchtern an Hand der weiteren Entwicklung bewerten und nicht von Wunschdenken geleitete Termine setzen.

Der Beitrag erschien zuerst auf Kernenergie.de