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Im Takt der AMO und der NAO (2):Das Häufigkeitsverhalten der Großwetterlagenund dessen Auswirkungen auf die Deutschland- Temperaturen

Bild rechts: Mehr Südwestlagen durch höhere Wassertemperaturen? Quelle: WERNER/GERSTENGARBE  (2010)

Im Teil 1 hatten wir gesehen, dass die Häufigkeit südwestlicher und südlicher Wetterlagen mit Ausnahme des Winters deutlich zunahm und es gerade diese Wetterlagen waren, welche am stärksten erwärmend wirkten. Als eine mögliche Ursache für deren gehäuftes Auftreten (und dem gleichzeitigen Rückgang nördlicher Strömungskomponenten)kommt unter anderem die AMO in Betracht. Diese schwankte zumindest seit Beginn ihrer Erfassung in einem etwa 50- bis 70-jährigen Zyklus, und insgesamt sind die Wassertemperaturen momentan noch etwas höher, als im späten 19. Jahrhundert. Für die folgende Grafik (und alle weiteren im Teil 2) wurden 11- jährige Gleitmittel verwendet, um die stark schwankende Häufigkeiten der Großwetterlagen, Großwettertypen und Clusterzu glätten, so dass die Darstellungen jeweils 1886 beginnen und 2007 enden:

Abb. 1: AMO (Grün) sowie die Häufigkeit der Großwettertypen Süd (Dunkelrot) und Südwest (Orange) im Vergleich. Man beachte, dass die Südwestlagen (SWA und SWZ) als eigenständiger Großwettertyp nicht im Großwettertyp Süd enthalten sind. Beide Großwettertypen, vor allem aber die Südwestlagen, wurden deutlich häufiger und folgen außerdem- wenngleich mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung und nur undeutlich- den Schwankungen der AMO.

Und bei den nördlichen bis östlichen Wetterlagen zeigen sich genau umgekehrte Verhältnisse:

Abb. 2: AMO (Grün) sowie die Häufigkeit der Großwettertypen Nord (Hellblau)und Ost (Hellgrün) im Vergleich. Auch hier gibt es bei den jeweils enthaltenen Großwetterlagen keine Überschneidungen. Beide Großwettertypen, vor allem aber die Ostlagen, wurden seltener.Die Häufigkeit der Nördlichen Lagen folgt fast exakt den Schwankungen der AMO, während die Ostlagen diesen mit deutlicher Zeitverzögerung folgen.

Aufgrund der hier gewonnenen Erkenntnisse bietet sich eine Auflistung aller Lagen und Cluster an, die von der AMO (jeweils Jahresmittel) wenigstensandeutungsweise (Betrag der Korrelationskoeffizienten >0,2) beeinflusst wurden:

Abb. 3 (Tabelle): Lagen mit AMO- Korrelationskoeffizienten, deren Betrag mindestens 0,2 erreichte (Gesamtjahr) im Vergleich. Man beachte, dass aufgrund der sehr unterschiedlichen Häufigkeitsverhältnisse sowie der mehrfachen Präsenz einzelner Lagen in verschiedenen Clustern ein quantitativer Vergleich über die Zusammenhänge nicht möglich ist! Trotzdem kann man unschwer erkennen, dass besonders „wärmende“ Lagen mit “positiver“ Reaktion auf erhöhte AMO- Werte zu- und viele kühlenden Lagen mit negativer Reaktion auf hohe AMO- Werte abgenommen haben. So sind, rein statistisch betrachtet, gegenwärtig pro Jahr fast 44 Tage mehr mit Südanteil zu erwarten, als im späten 19. Jahrhundert, während besonders östliche, nördliche und antizyklonale Lagen abnahmen. Bemerkenswert ist auch die starke Zunahme der (insgesamt im Jahresmittel) leicht erwärmend wirkenden zyklonalen Lagen auf Kosten der antizyklonalen.

Auch hier muss davon ausgegangen werden, dass die Jahresmittelung jahreszeitliche, deutlichere Unterschiede, auf die später noch eingegangen wird, verwischt. Außerdem werden hier mögliche übergeordnete Antriebsmechanismen für AMO, Wetterlagenverhalten und Deutschlandtemperaturen nicht untersucht.  Die folgenden Grafiken veranschaulichen weitere interessante Zusammenhänge zwischen AMO und Wetterlagen:

Abb. 4: Zyklonale Lagen (Mintgrün) nahmen deutlich zu und schwingen- wenn auch zeitverzögert- deutlich im Takt der AMO; bei Antizyklonalen Lagen (Orangerosa) ist es umgekehrt; auch ist der (hier negative) Zusammenhang zur AMO weniger deutlich.

Abb 5: Hier zeigt sich die deutliche Zunahme der Lagen mit südlicher Strömungskomponente (Südanteil) sowie der zwei Troglagen(von denen TRM kühlend, aber TRW erwärmend wirkt), beide mehr oder weniger zeitverzögert etwas von der AMO beeinflusst. TRW ist im Cluster Südanteil enthalten.

Abb. 6: Man erkennt sehr schön, dass „normale“ Westlagen (WA und WZ, Dunkelviolett) erstens viel häufiger als die „gestörten“ Westlagen (Hell Blauviolett)auftreten, beide konträr schwingen und von der AMO in umgekehrter Weise beeinflusst werden. Das rhythmische Verhalten der Westlagen wird noch zu diskutieren sein.

Bei solchen, auf das Gesamtjahr bezogenen Betrachtungen verschwinden allerdings jahreszeitliche Besonderheiten, welche nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Die folgenden Tabellen fassen daher alle Großwetterlagen (GWL) und Großwettertypen sowie weitere Cluster zusammen, welche sich in den einzelnen Meteorologischen Jahreszeiten durch die jeweils stärkste Zu- oder –Abnahme der Häufigkeit, die stärkste positive/ negative Beeinflussung des Deutschlandmittels (°C Jahreszeiten) auszeichneten und deren Häufigkeit am stärksten positiv/negativ von der AMO und der NAO (jeweilige Jahreszeit, letztere nur im Winter) beeinflusst wurde:

Abb. 7 bis 10 (4 Jahreszeittabellen): Zusammenfassung der in den einzelnen Jahreszeiten auffälligsten Lagen. Nur im Winter zeigten 2 Cluster, nämlich alle Lagen mit Westlichem Strömungsanteil und der Großwettertyp Ost, einen deutlichen Einfluss auf die zugehörigen Wintermitteltemperaturen in Deutschland. In einzelnen Monaten, die aus Gründen des Umfangs hier nicht behandelt werden konnten, sind noch einige wenige ähnlich enge Zusammenhänge ermittelt worden, siehe Abb. 5 im Teil 1. Außerdem muss betont werden, dass die linearen Zu- und Abnahmen als Rechengrößen nicht überbewertet werden dürfen, denn bei Betrachtung kürzerer Zeiten zeigen sich bemerkenswerte Einzelheiten und oft auch periodische Verhaltensweisen der Häufigkeiten, auf welche im Teil 3 näher eingegangen wird.

Man kann vermuten, dass die Sonnenscheindauer, welche besonders zwischen etwa Ende März und Anfang Oktober einen deutlichen Einfluss auf die Lufttemperaturen in Deutschland hat (KÄMPFE, LEISTENSCHNEIDER, KOWATSCH, 2013; WEHRY, 2009) die durch die Großwetterlagen bedingten Temperaturunterschiede (Luftmassen!) verringert und nivelliert (in trockener Subpolarluft führt der lange und intensive Sonnenschein zur raschen Erwärmung der Kaltluft, beispielsweise im Juli 2013, als es trotz häufiger nördlicher Windkomponente recht warm war und sich nur in den kurzen, sehr kühlen Sommernächten die meist subpolare Herkunft der Luftmassen zeigte, während sich subtropische, aber wolkenreichere Luftmassen tagsüber im Sommeroft weniger erwärmen). Dem entsprechen auch die Untersuchungsergebnisse, nach denen Südwestlagen im Juli als einzigem Monat nicht erwärmend wirkten. Im Winter, wenn der Einfluss der Sonnenscheindauer gering ist, können sich hingegen die Unterschiede zwischen trocken- kalter Nordostluft und feucht- milder Atlantikluft über Deutschland halten oder sogar verschärfen, weil in der Atlantikluft die Wolken die Auskühlung bremsen, während die klare, wasserdampfarme Nordostluft weiter auskühlt. Die nächste Abbildung zeigt zur Verdeutlichung, wie schwierig die Interpretation und die Bewertung der Folgen der Häufigkeitsschwankungen der Großwetterlagen und deren Cluster ist, das Verhalten von 3 insgesamt deutlich erwärmend wirkenden Clustern im Herbst:

Abb. 11: Drei Cluster mit deutlicher linearer Zunahme im Herbst. Aber nur beim Cluster Südanteil hielt diese Zunahme tatsächlich bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes an, während besonders das Cluster Westanteil etwa ab der Jahrtausendwende wieder seltener wurde.

In diesem zweiten Teil wurde verdeutlicht, dass die AMO das Häufigkeitsverhalten zahlreicher Wetterlagencluster, Großwettertypen und sogar einzelner Großwetterlagen, im Jahresmittel zumindest andeutungsweise mit beeinflusst. Dabei ist außerdem nicht ausgeschlossen, dass übergeordnete Antriebe wie etwa die Variabilität der Sonnenaktivität oder der großräumigen (planetarischen) Zirkulation, als übergeordnete Treiber fungieren. Die Zusammenhänge sind nur schwach bis mäßig (Korrelationskoeffizienten zwischen +0,46 und -0,31); aufgrund des großen Stichprobenumfangs dürfen diese jedoch nicht unterschätzt werden. Dabei zeichnet sich ab, dass für Deutschland erwärmend wirkende Lagen, besonders Südwestlagen, in positiven AMO- Phasen häufiger auftreten und insgesamt mit den leicht steigenden Wassertemperaturen stark zunahmen; bei den meisten kühlenden Lagen herrschten umgekehrte Verhältnisse. In den einzelnen Jahreszeiten zeigte sich, dass mit Ausnahme des Winters südliche und südwestliche Lagen deutlich häufiger wurden. Außerdem war im Winter als einziger Jahreszeit und in einzelnen Sommermonaten ein deutlicher Einfluss der Häufigkeiten bestimmter Cluster auf die Lufttemperaturen zu verzeichnen (Cluster Westanteil- stark erwärmend, GWT E- stark kühlend; Kontinentale Hochdrucklagen- vor allem im Juli stark wärmend). Besonders in den Übergangsjahreszeiten werden die meisten Zusammenhänge undeutlicher; und oft nivelliert in der strahlungsreicheren Jahreszeit die Sonnenscheindauer viele luftmassenbedingte Unterschiede.

Verfasst und zusammengestellt von Stefan Kämpfe, Weimar, 2012/2013.

Eine ausführliche Zusammenstellung der verwendeten Literatur und Informationsquellen finden Sie am Ende des 3. Teiles




Im Takt der AMO und der NAO (1):Das Häufigkeitsverhalten der Großwetterlagenund dessen Auswirkungen auf die Deutschland- Temperaturen

Bild rechts: Harmlose Schönwetterwolken oder Unwettervorboten- je nach Wetterlage! Fotos: Stefan Kämpfe

Einführung und Teil 1

Für diese Untersuchung wurden die Großwetterlagen für Mitteleuropa nach HESS/BREZOWSKY verwendet. Sie sind ab dem Jahr 1881 im „Katalog der Grosswetterlagen“ bis 2009 erfasst (WERNER/GERSTENGARBE, 2010) sowie bis 2013 beim Deutschen Wetterdienst (DWD.DE) verfügbar, so dass die Untersuchung 1881 (für den ersten Winter 1881/82) beginnt und 2012 (für den letzten Winter 2012/13) endet. Die vom Deutschen Wetterdienst (DWD) außerdem verwendete „Objektive Wetterlagenklassifikation“ (BISSOLLI/DITTMANN, 1998 bis 2005) steht für einen derart langen Untersuchungszeitraum nicht zur Verfügung. Um diesen Beitrag knapp zu halten, wird auf ausführliche Erläuterungen der Fachbegriffe verzichtet und empfohlen, diese bei Wikipedia abzufragen. Die Großwetterlagen wurden und werden von erfahrenen Meteorologen anhand der täglichen Boden- und Höhenwetterkarten analysiert, wobei die Regel gilt, dass eine im Großwetterlagenkatalog aufgeführte Wetterlage mindestens 3 Tage ohne Unterbrechung anhalten muss; Monats- und Jahresübergreifende Fälle sind dabei möglich. Die AMO (Atlantische Mehrzehnjährige beziehungsweise Multidekaden- Oszillation, eine zyklisch auftretende Zirkulationsschwankung der Ozeanströmungen, einhergehend mit Schwankungen deroberflächennahen Wassertemperatur im nordatlantischen Becken) wird seit 1856erfasst (Quelle: WIKIPEDIA). Und weil besonders die Wintertemperaturen in Europa von einer weiteren wesentlichen Größe, nämlich der NAO (Nordatlantische Oszillation, ein Maß für das Luftdruckgefälle zwischen Azoren und Island) beeinflusst werden (TINZ 2002), wurden nur für den Winter die Saisonalen NAO- Indizes (Dez. bis Feb.) nach HURRELL in die Untersuchung einbezogen. Die folgenden 5 Abbildungen zeigen zunächst den Verlauf der AMO (dunkelgrün) sowie des Deutschland- Mittels im Untersuchungszeitraum:

Abb.1 : Die AMO (jeweils oberer dunkelgrüner Graph, Quelle http://www.esrl.noaa.gov/psd/data/timeseriesimeseries/AMO/) und die Deutschlandmittel des Jahres (oben, grau, Quelle: WIKIPEDIA) und der 4 Jahreszeiten. AMO mit Linear- , Deutschlandmittel mit Linear- und Polynom- Trend. Um beide Werte in jeweils einem Diagramm leichter darstellen zu können, wurden, mit Ausnahme des Sommers, die Deutschlandmittel durch Addition „angehoben“.

Hinweis:Es werden für alle Darstellungen der Größen, auch für die Großwetterlagen und die Großwetterlagencluster, immer wieder dieselben oder ähnliche Farben benutzt, um das Erfassen der Grafiken und das Erkennen einander ähnlicher Wetterlagen und deren Cluster zu erleichtern. Die Schwankungen der AMO, auf die gleich noch näher eingegangenwird, sind, da sie viel geringer als die der Lufttemperaturen in Deutschland ausfallen, nur andeutungsweise sichtbar. Um sie besser sichtbar zu machen, wird in allen folgenden Grafiken eine überhöhte Amplitudendarstellung der AMO benutzt, die Frequenz, also die Länge und Häufigkeit der Schwingungen, auf die es letztendlich ankommt, ändert sich dabei nicht.

Berechnet man die linearen Korrelationskoeffizienten zwischen den AMO- Werten und dem Deutschlandmittel der Lufttemperatur (jeweils auch für die Meteorologischen Jahreszeiten), so ergeben sich im Untersuchungszeitraum Werte zwischen annähernd Null für den Winter, 0,17 für den Frühling, 0,44 für den Sommer und 0,36 für den Herbst sowie 0,37 für das Jahr. Das entspricht Bestimmtheitsmaßen von Null im Winter und 19% für den Sommer. Der Einfluss ist somit auf den ersten Blick nur gering; trotzdem ist bei der hohen Zahl an Einzelwerten (n = 132) von einer gewissen Beeinflussung auszugehen, zumal der schwache, positive Zusammenhang im Großen und Ganzen bestätigt wird, wenn man bis zum frühesten Erfassungsjahr der AMO, dem Jahr 1856, zurückgeht (Winter Null, Frühling 0,17, Sommer0,38 und Herbst 0,35).Man erkennt in der obigen Abbildung sowohl im Jahres- wie im jahreszeitlichen Verlauf ähnliche Steigungen, wobei die mittleren Lufttemperaturen in Deutschland schneller steigen, als die der AMO. Anhand der Polynom- Trends der Deutschlandmittel erkennt man deren rhythmische Schwankungen, die sich bei den einzelnen Jahreszeiten beträchtlich unterscheiden,aber am Ende, ab etwa dem Beginn der 2000er Jahre, in einen Abschwung übergehen, der am längsten und am deutlichsten im Winter sichtbar wird.In dem Beitrag „Die Winter werden in Deutschland seit einem Vierteljahrhundert deutlich kälter“ hatten KÄMPFE/LEISTENSCHNEIDER/KOWATSCH (2013) dieses Phänomen des Vorlaufs der Wintertemperaturen bereits erklärt. Aber warum sind die Lufttemperaturen in Deutschland deutlich schneller gestiegen, als die Wassertemperaturen im Nordatlantik? Dafür gibt es 3 wesentliche mögliche Erklärungen:

1. Hauptantrieb der Erwärmung, die sich nur im 20. Jahrhundert vollzog, was vom „Lineartrend“ verschleiert wird, ist die ansteigende Sonnenaktivität(BORCHERT, 2013; MALBERG, 2002 bis 2013). Diese wirkt auf dem infolge seiner hohen Wärmekapazität trägen Meer viel langsamer und geringer, als an Land.Seit dem Ende des etwa 208-jährigen Hauptsonnenzyklus im Jahre 2003 ging die solare Aktivität deutlich zurück, was sich im Deutschland- Mittel bereits seit den frühen 2000er Jahren in leicht fallenden Temperaturen äußert. Der aktuelle Sonnenfleckenzyklus Nr. 24 ist der schwächste seit etwa 200 Jahren.

2. Hinzu kommt der in den Weiten des Atlantiks fehlende Wärmeinsel- Effekt, welcherin Deutschland durch geänderte Landnutzung (unter anderem Entwässerung) sowie die Verstädterung beträchtlich erwärmend wirkte und im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts und dem frühen 21. Jahrhundert noch zusätzlich durch eine wegen der Luftreinhaltemaßnahmen zunehmende Sonnenscheindauer und –Intensität unterstützt wurde. Diese Wärmeinsel- Effekte im weitesten Sinneoder die verlängerte Sonnenscheindauer wurden in früheren, zahlreichen Beiträgen (LEISTENSCHNEIDER/KOWATSCH, 2010, 2012; KÄMPFE/LEISTENSCHNEIDER/KOWATSCH, 2012, 2013; MALBERG, 2009; WEHRY, 2009; WEHRY/MYRCIK, 2006) ausführlich untersucht und erläutert; sie bewirkten einen wesentlichen Anteil der Erwärmung in Deutschland.

3. Die geänderten Häufigkeitsverhältnisse der Großwetterlagen. Nach WERNER/GERSTENGARBE/RÜGE (1999) lässt sich jede Großwetterlage zumindest grob nach ihrem thermischen Verhalten saisonal und im Jahresmittel charakterisieren. Wie wir gleich noch sehen werden, nahmen viele, die Erwärmung in Deutschland fördernde Wetterlagen zu.

Zunächst sehen wir aber anhand einer überhöhten Darstellung, welche die AMO- Schwankungen deutlicher sichtbar macht, dass die Deutschland- Temperaturen den AMO- Werten quasi vorweglaufen:

Abb 2: In der stark überhöhten Darstellung wird deutlich, dass die Deutschland- Werte die AMO- Schwankungen vorwegnehmen, woraus man aber nicht schließen darf, dass die Deutschland- Werte die AMO treiben!

Dass der umgekehrte Schluss richtig ist (AMO beeinflusst Deutschland- Werte) werden wir, auch anhand des Verhaltens der Großwetterlagen, noch erkennen. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass AMO und Deutschlandtemperaturen zugleich von übergeordneten Mechanismen getrieben werden, was im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden kann. Dabei reagiert die AMO jedoch wesentlich verzögerter.Im folgenden Abschnitt wird zunächst der Einfluss der Großwetterlagen auf die Temperaturverhältnisse in Deutschland erörtert.

Beeinflussen die Großwetterlagen die Temperaturen in Deutschland?

Lange Eiseskälte oder zeitiges Frühlingserwachen durch kühlende oder erwärmende Großwetterlagen? Fotos: Stefan Kämpfe

Um sich der Bedeutung der Großwetterlagen für unsere Temperaturverhältnisse bewusst zu werden, lohnt sich zunächst einmal ein Blick auf unsere Nachbarregionen, nämlich das atlantische Klima im Westen, das Kontinentalklima im Osten, das subtropische im Süden und das boreale im Norden; denn die Großwetterlagen „importieren“ quasi deren Temperaturverhältnisse in unser Übergangsklima:

Abb. 1: Drei Stationen auf ähnlichem Breitengrad (50 bis 52 °N) und ähnlicher Höhenlage im West- Ost- Vergleich (obere Grafik). Im Süd- Nord- Vergleich 3 Stationen ähnlicher Höhenlage. Quelle des Datenmaterials: HEYER 1977.

Man erkennt sehr schön die winterlichen und sommerlichen Temperaturverhältnisse bei unterschiedlicher Kontinentalität. Die höhere Sommerwärme des Kontinentalklimas (Kiew) reicht jedoch nicht aus, um das Temperaturdefizit des Winterhalbjahres zu egalisieren, weshalb das atlantische Klima, unterstützt durch den Golfstrom, im Jahresmittel selbst bei Höhenbereinigung (Kiew liegt gut 150 Meter höher als Plymouth) um fast 3K wärmer ausfällt, als das kontinentale. Bei westlichen Lagen bedeutet das für Deutschland deutlich zu milde Winter und etwas zu kühle Sommer; bei Ostlagen herrschen umgekehrte, aber extremere Verhältnisse. Die untere Abbildung spricht für sich selbst, wobei der Abstand zwischen Süd und Nord im Sommer geringer als im Winter ausfällt. Wir werden bei der Betrachtung der Großwetterlagen gleich noch sehen, dassdiese die West- Ost- Verhältnisse meist sehr gut wiederspiegeln; bei den Süd- Nordverhältnissen ist das nicht immer der Fall. Die folgende Tabelle zeigt alle in Deutschland auftretenden Großwetterlagen, zusammengefasst zu Großwettertypen und weiteren „Clustern“, das sind Wetterlagengruppen mit ähnlichen Eigenschaften:

Abb. 2 (Tabelle): Zusammenfassung von Großwetterlagen (GWL) zu Großwettertypen (GWT) und weiteren sogenannten „Clustern“ für verschiedene Fragestellungen. In der Regel bedeuten die ersten ein bis zwei Buchstaben in den Kürzeln die Strömungsrichtung, aus der die Witterung kommt (W = West, SW = Südwest, E = Ost und so weiter). Die Buchstaben A stehen für antizyklonal, Z für zyklonal (überwiegender Hochdruck- beziehungsweise Tiefdruckeinfluss). WS bedeutet südliche Westlage (Zugbahn der Tiefs verläuft südlicher als bei WZ); WW Winkelförmige Westlage, HM, HB, HF, HN, HNF Hochdruckgebiet über Mitteleuropa, den Britischen Inseln, Fennoskandien, Nordmeer oder Nordmeer- Fennoskandien, BM Hochdruckbrücke über Mitteleuropa, TM und TB Tief Mitteleuropa, Tief Britische Inseln, TRM, TRW Troglage über Mittel- oder über Westeuropa. Nicht enthalten und nicht ausgewertet wurden Übergangslagen (Ü), das sind einzelne, wenige Tage, die sich keiner Großwetterlage zuordnen lassen.

Einige grundlegende Eigenschaften der Wetterlagen  und deren Einflüsse auf die Lufttemperaturen werden bereits in der Tabelle deutlich. Die Klärung, wie stark der Temperatureinfluss der einzelnen Wetterlagen oder Cluster konkret ist, würde voraussetzen, dass die Tagesmittel der Lufttemperatur deutschlandweit einzeln erfasst und jeder Wetterlage tageweise konkret zugeordnet werden- ein gewaltiger Aufwand, sofern dieses Datenmaterial überhaupt für so einen langen Zeitraum von 132 Jahren verfügbar wäre. Auch eine luftmassenbezogene, sicher noch aussagefähigere Auswertung ist für einen so langen Zeitraum nicht verfügbar. Es gibt aber noch eine weitere, weniger aufwändige Möglichkeit, die zumindest wesentliche Anhaltspunkte für den Temperatureinfluss liefert- die lineare Korrelation zwischen der jährlichen, jahreszeitlichen oder monatlichen Häufigkeiten der Wetterlagen oder Cluster und den zugehörigen Jahres-, Jahreszeiten- oder Monatsmitteln der Deutschland- Temperaturen. Die Zusammenfassung der Wetterlagen zu Clustern aus Wetterlagen mit ähnlichen Eigenschaften hat dabei den Vorteil, dass sie die Häufigkeiten erhöht(einige der Großwetterlagen treten für sich allein betrachtet zu selten auf, um statistisch einigermaßen brauchbare Aussagen zu erzielen),und Unstimmigkeiten bei der Klassifizierung der Wetterlagen gemildert werden. Die folgende Abbildung zeigt den für das gesamte Jahr ermittelten deutlichsten positiven Zusammenhang, den zwischen dem Cluster SW (GWT SW, bestehend aus SWA und SWZ)zum Deutschland- Jahresmittel der Lufttemperatur:

Abb. 3: Obwohl Südwestlagen nur an gut 5%  der Tage aller erfassten Jahre auftraten, hatten sie  eine gewisse Erwärmungswirkung- traten in einem Jahr viele Südwestlagen auf, so fiel dieses meist auch zu warm aus, wenngleich der Zusammenhang nur mäßig ist. Eine Scheinkorrelation ist schon aufgrund der Tatsache, dass Südwestlagen fast ausschließlich gemäßigt- warme bis subtropische Luftmassen nach Deutschland lenken, unwahrscheinlich. An den Punkten auf der vertikalen Achse erkennt man außerdem, dass es sogar einige Jahre ganz ohne Südwestlagen gegeben hat.

Vorab sei aber schon angemerkt, dass die Wetterlagen mit südlicher bis südwestlicher Anströmung zwar im Frühling, Sommer und Herbst, jedoch nicht im Winter, deutlich häufiger wurden. Nun stellt sich die Frage nach weiteren auffälligen Clustern mit Erwärmungs- oder Abkühlungswirkung, deren Häufigkeit sowie deren Trend (Zu- oder Abnahme) im Beobachtungszeitraum. Die folgende Tabelle listet alle Großwetterlagen oder Cluster auf, dieeine Korrelation von mehr als 0,2 oder weniger als -0,2 erreichten; alles Weitere wird aus der Tabelle ersichtlich:

Abb. 4 (Tabelle): Lagen (gesamtes Jahr) mit Korrelationskoeffizienten, deren Betrag mindestens 0,2 zum Deutschen Jahresmittel (°C) erreichte, im Vergleich. Man beachte, dass aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeitsverhältnisse sowie der mehrfachen Präsenz einzelner Lagen in verschiedenen Clustern eine direkte, quantitative Aussage über die Erwärmungs- oder Abkühlungswirkung nicht möglich ist! Trotzdem kann man unschwer erkennen, dass fast alle „wärmenden“ Lagen zu- und fast alle kühlenden Lagen abgenommen haben. So sind, rein statistisch betrachtet, gegenwärtig pro Jahr fast 44 Tage mehr mit Südanteil zu erwarten, als im späten 19. Jahrhundert, während die Lagen mit Nordanteil um fast 30 Tage abnahmen!

Bemerkenswert ist auch, dass alle antizyklonalen Lagen mit r = -0,138 über das Jahr betrachtet, insgesamt etwas kühlend wirkten, während zyklonale mit r = 0,142 einen leicht erwärmenden Einfluss hatten. Weiterhin zeichnet sich ab, dass die Westlagen im engeren Sinne (WA +WZ) im Jahresmittel leicht erwärmend, östliche Wetterlagen eher kühlend wirken, was dem wärmenden Einfluss des Golfstroms zu verdanken ist- siehe auch Abbildung 1. Und dass es unterschiedliche jahreszeitliche Verhaltensweisen der Wetterlagen und Cluster gibt, wird noch später gezeigt. In der nächsten Abbildung ist das unterschiedliche Verhalten aber schon einmal angedeutet; sie zeigt zwei sehr gegensätzliche Cluster, dazu noch die Unterschiede zwischen SW und NW, mit dem Jahresgang ihrer Korrelationskoeffizienten zum Deutschland- Temperaturmittel:

Abb.5: Das jahreszeitliche Verhalten des Zusammenhangs zwischen der Häufigkeit gegensätzlicher Cluster zeigt Besonderheiten, die im Jahresverlauf teilweise nivelliert werden. Man beachte den gegensätzlichen Verlauf zwischen atlantischen, zyklonalen Lagen und kontinentalen,antizyklonalen Lagen, wobei die Korrelationskoeffizienten im Hochsommer und Hochwinter beachtliche Beträge von >0,5 erreichen. Südwestlagen wirken- mit Ausnahme des Juli- stets mehr oder weniger deutlich erwärmend, besonders im Herbst, während Nordwestlagen mit Ausnahme des Winters und Vorfrühlings meist leicht kühlen.

Als erstes Ergebnis dieser Untersuchung bleibt festzuhalten, dass die deutliche Zunahme erwärmend wirkender Wetterlagen auf Kosten der kühlenden zumbisherigen Temperaturanstieg in Deutschland beigetragen hat. Man hüte sich jedoch davor, diese Trends bedenkenlos in die Zukunft zu extrapolieren. Während der letzten 10 bis 15 Jahre deutet sich nämlicheine mögliche Trendwende zur Abkühlung an, die sich auch bereits im Häufigkeitsverhalteneiniger Wetterlagen zeigt. Ausgerüstet mit diesem Sachwissen, kann nun die spannende Ursachenforschung für das zeitweise geänderte Verhalten der Großwetterlagen beginnen.

Zum Autor Stefan Kämpfe

Studium der Agrarwissenschaften, ab 1990 ehrenamtlich Kartierung und Erfassung der Rote-Listen-Pflanzenarten Thüringens in Weimar und dem Ettersberg für das Herbarium Haußknecht und die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie Biotoptypenkartierung. Mitglied der Thüringischen Botanischen Gesellschaft und Verfasser zahlreicher Fachbeiträge zur Pflanzenkunde, Wetterkunde und Klimatologie in Fach- und populärwissenschaftlichen Zeitschriften. Mitarbeiter in der Grünflächenabteilung der Stadtverwaltung Weimar.

Eine ausführliche Zusammenstellung der verwendeten Literatur und Informationsquellen finden Sie am Ende des 3. Teiles