Ein Leuchtturm ohne Licht

Brennstoffzellenschiff MS innogy

von Hans Hofmann-Reinecke

Die öffentliche Hand ist freigiebig beim Sponsern von technischen Vorhaben, wenn Label wie  „innovativ“, „nachhaltig“  oder „grün“ dran hängen. Da ist die Realisierbarkeit dann sekundär, und je nach Grad des Scheiterns wird das Projekt posthum mit englischen Titeln verziert wie „Feasibility Study“, „Proof of Concept“ oder „Lighthouse Project“. Von einem solchen Kandidaten muss ich Ihnen berichten.

Der „Prototype-Demonstrator“

Dieser Name wurde dem etwas flug-unwilligen elektrischen  Lufttaxi aus Bayern gegeben.

Man hätte diese Maschine nicht bauen müssen, um zu erkennen, dass sie nicht funktioniert.  Seit einem Jahrhundert entwickelt man Flugzeuge und Helikopter und weiß recht gut, wie Gewicht, Geschwindigkeit, Reichweite und Antrieb zusammenhängen. Man weiß auch, wie schwer Batterien sind und kann dann berechnen, wie weit so ein Lufttaxi bestenfalls fliegt. So etwas lernen Ingenieure im Studium. Die können auf Papier oder am Computer zeigen, dass so ein Insekt nicht lange in der Luft bleibt – wenn überhaupt.

Solcher Kritik wird oft mit der Formel begegnet:

„Fortschritt hat seinen Preis. Wären die Gebrüder Wright damals keine Risiken eingegangen, dann gäbe es heute keine Luftfahrt.“ Und: „Es hat schon immer völlig unverhoffte Erfindungen gegeben, die dann alle Bedenkenträger lügen straften. Vielleicht gibt es ja demnächst elektrische Speicher, die nur einen Bruchteil der heutigen Batterien wiegen.“

Mein Vorschlag: dann lasst uns mit dem Bau des Prototypen so lange warten, bis die Dinger erfunden sind.

Ein Leuchtturm auf der Ruhr

Nun zu einem Streich, wie aus Schilda, der Stadt der Schildbürger. Er zeichnet sich nicht durch seine Kosten aus, seine Unlogik aber ist rekordverdächtig. Tatsächlich hat er sich in Essen zugetragen, dort wo sich die Ruhr zwischen Schellenberger Wald und Fischlaken auf einen halben Kilometer zu einem richtigen See verbreitert, dem Baldeneysee. Wie auf jedem richtigen See gibt es auch dort eine Fähre. So weit, so gut.

Nun muss man wissen, dass die Stadt Essen am 21. Januar 2017 zu „Europe’s Green Capital“ gekürt wurde und dass besagte Fähre, wie die meisten Schiffe dieser Welt, von einem bösen Dieselmotor angetrieben wird. Der musste jetzt weg.

Man baute also einen Elektromotor ein, der seinen Strom aus Brennstoffzellen an Bord beziehen sollte. Brennstoffzellen, das sind diese Vorrichtungen, in denen bei einer chemischen Reaktion – typischerweise von Wasserstoff (H2) mit Sauerstoff (O2) – Elektrizität gewonnen wird.

Im August 2017 war das Schiff umgerüstet und wurde feierlich auf den neuen Namen MS Innogy getauft; mit viel Prominenz und Zeremoniell wurde das neue Zeitalter des Fährverkehrs eingeläutet. Die obligatorischen grünen Testbausteine durften bei den feierlichen Ansprachen nicht fehlen, darunter die Bezeichnung „Leuchtturmprojekt“.

Die Fähre erfreute sich großer Beliebtheit beim Publikum; sie verbreitete weder Rauch noch Lärm und übertraf alle Erwartungen. 2021 aber war die Fähre wieder auf den alten Diesel umgestellt, der Leuchtturm machte sein Licht aus. Dieser Akt allerdings spielte sich ohne Prominenz und Zeremoniell ab.

Was war geschehen?

Der gute alte Adam Riese

Um das zu verstehen müssen wir in die Technik einsteigen. Das wird langwierig und kompliziert, aber genau daran ist die Sache auch gescheitert. Bleiben Sie also dran.

Da war also dieser Elektromotor, der die Schraube der Fähre antreibt. Seinen Strom bekam er aus sieben Brennstoffzellen, von denen jede fünf Kilowatt lieferte. Man hatte also 7 x 5 = 35 kW um den Motor zu speisen. Der konnte dann auch nicht mehr leisten als 35 kW oder rund 50 PS.

Das Schiff hat eine Länge von 29 Metern und kann bis zu 200 Personen an Bord nehmen. Ich weiß nicht, welches Auto Sie fahren, lieber Leser, aber ich vermute, es hat mehr als 50 PS, ist aber keine 29 m lang. Irgendwie passen Leistung und Dimension bei der Fähre nicht ganz zusammen, auch wenn die nicht so flott unterwegs ist, wie Sie in Ihrem Flitzer. Eine Fähre, auf der ich kürzlich war, hatte sechs Passagiere an Bord, drei Mann Besatzung und mindestens 200 PS. Damit ging’s über den Sambesi.

Auf  der Innogy waren dann auch noch Batterien mit insgesamt 100 kWh Kapazität installiert, die mithalfen, wenn die Brennstoffzellen alleine es nicht schafften. Falls die aus Blei waren, dann brachten sie immerhin ein paar Tonnen Gewicht mit an Bord. Und weiterhin an Bord war der böse alte 250 PS Schiffsdiesel von Volvo.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die umweltfreundlichen Brennstoffzellen nur ein modisches grünes Accessoire waren, das davon ablenken sollte, dass der Antrieb tatsächlich von Batterien kam, die nachts an der Steckdose aufgeladen wurden, bzw. vom Diesel, der einsprang, wenn die Akkus leer waren.

Der Holzgeist schiebt an

Die Brennstoffzellen wurden übrigens mit Methanol betrieben. Sie fragen jetzt, was der alte „Holzgeist“, in einer Brennstoffzelle zu suchen hat, die läuft doch mit Wasser- und Sauerstoff. Ja, aber die funktioniert auch mit Methanol, das mit dem Sauerstoff der Luft reagiert, wobei Wasser und CO2 entstehen – und eben auch elektrischer Strom.

Und wieder protestieren Sie jetzt, denn wenn da CO2 entsteht, dann ist das Ganze doch nicht grün! Dann könnte man doch gleich den Diesel anwerfen. Ihr Einwand beantwortet sich, wenn wir uns die Herstellung des Methanols anschauen. Das wird in einer chemischen Reaktion zwischen Wasserstoff und CO2 erzeugt. Das besorgt eine kleine chemische Fabrik an der Anlegestelle.

Und wo soll der Wasserstoff herkommen? Der wird durch Elektrolyse gewonnen, wobei der Strom dafür aus der Steckdose kommt. Und woher kommt das CO2, das man für die Synthese des Methanols braucht? Das wird aus der Luft gewonnen. Für ein kg CO2 werden da rund 2000 kg Luft durch einen Filter gepresst. Und die Pumpen dafür? Die kriegen ihren Strom auch aus der Steckdose. Das CO2, das der Luft so entzogen wurde, kompensiert das CO2, welches später von der Brennstoffzelle ausgeschieden wird.

Kompliziert, aber Grün

Weil das Ganze so absurd ist zähle ich Ihnen noch einmal die einzelnen Schritte auf, wie der Strom in den Motor kommt:

– Das Netz beliefert die Steckdose einer kleinen Fabrik an Fluß mit mehr oder weniger grünem Strom.

– Durch Elektrolyse wird dort Wasserstoff (H2) erzeugt.

– Pumpen und Filter gewinnen das Spurengas CO2 aus der Luft, in der es mit o,o4%  vorkommt.

– Aus H2 und CO2 wird Methanol (H3COH) gemacht.

– Das Methanol geht per Kanister an Bord der Fähre.

– In den Brennstoffzellen an Bord wird aus Methanol und Luftsauerstoff der Strom für den Elektromotor erzeugt. Das CO2, das hier freigesetzt wird, wurde vorher der Luft entnommen. Dieser Trick also macht den Prozess „nachhaltig“.

Das sind viele Schritte, um aus Strom wieder Strom zu machen, und bei jedem Schritt geht etwas verloren. Wenn wir Glück haben, dann werden von einer Kilowattstunde aus der Steckdose letztlich 10% in den Motor gefüttert.

Gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut. Die Produktion von Holzgeist hat dann nicht wie geplant hingehauen und man hat das Zeug aus Island importiert. Damit wurde aber in Essen kein CO2 mehr aus der Luft gesaugt und die ganze Rechnung stimmte nicht mehr. Man tröstete sich damit, dass sie Isländer das jetzt machten.

Damit wurde die Story aber auch für den hartgesottensten Grünen zu absurd und man warf das Handtuch. Die Fähre tuckert jetzt wieder mit dem alten Diesel und die Isländer können ihr Methanol selbst verbraten.

Das Gegenteil von gut

Nun, es wäre falsch bei einem misslungenen Projekt Schadenfreude zu zeigen. Ein gescheitertes Experiment ist prinzipiell mehr wert, als gar kein  Experiment. Immerhin wissen wir jetzt, dass es so nicht geht. Irgendwo aber hätte der gesunde Menschenverstand einsetzen müssen, und der hätte schon früh erkannt, dass das komplizierte Verfahren total unwirtschaftlich ist und keinerlei Einsparung an CO2 bringen würde.

In unserer postmodernen grünen Gesellschaft aber herrscht die Logik des Kindergartens: jeder Beitrag zählt, egal wie klein; auf die gute Absicht kommt es an, nicht auf das Ergebnis; Wirtschaftlichkeit spielt ohnehin keine Rolle.

Welches Ziel aber haben unsere Stakeholder bei diesem Leuchtturmprojekt tatsächlich verfolgt? Ich habe da eine Idee: Die einen wollten als umweltbewusste Entscheidungsträger im Rampenlicht stehen, die anderen wollten Geld aus der öffentlichen Hand. Beide haben ihr Ziel erreicht, und die Bürger, die das Spektakel finanzierten, haben dazu geklatscht.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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6 Kommentare

  1. Alter Ostfriesen-Witz. Dringt durch ein Leck Wasser ins Boot, hauen sie ein zweites Loch in den Boden, damit es wieder abfließt. Leider sind die Ostfriesen dann ertrunken bei dem Versuch, ein U-Boot anzuschieben. Lieber Herr Hofmann-Reinecke, bitte sagen Sie mir, daß die Geschichte der Phantasie entsprungen ist. So viel geballte Dummheit kann es doch gar nicht geben! Ich mag gar nicht wissen, wie viel Steuergeld bei dem ganzen Affentheater verbrennt in Form von Subventionen, die sinnlos sind wie Arschficken. Mein erster Kleinwagen (Nissan Micra), Baujahr 1991, hatte 54 PS. Stand so in der Zulassung. Klar daß man mit so einem Ziegenbock keine solche Fähre bewegen kann. Vielleicht bringt ja jemand eine Gesetzesvorlage in den Bundestag ein zur Abänderung des StGB, auf daß Dummheit strafbar wird. Und paß auf, was du sagst – am Ende setzen die Linksgrünen dir den Aluhut auf als Klimaleugner und stellen dich in die braune Ecke zum Abstinken.

  2. Die Schifffahrt auf dem bayrischen Königssee funktioniert seit über 100Jahren rein elektrisch: „…Jedes Boot verfügt über 60 Batteriezellen. Mit einem Gewicht von knapp 49 kg pro Zelle wiegen die Schiffsbatterien pro Boot rund 3 Tonnen. Sie haben eine durchschnittliche Lebensdauer von circa 7 Jahren…“ Quelle: https://www.traunsteiner-tagblatt.de/das-traunsteiner-tagblatt/chiemgau-blaetter/chiemgau-blaetter-2020_ausgabe,-100-jahre-elektromotorschifffahrt-auf-dem-koenigssee-_chid,803.html .60 Zellen erzeugen also die Spannung für einen 110V-Motor, das sind ca. 2V/Zelle – somit „olle“ Bleibatterien. Sowas ist aber das Einzige, das überhaupt Sinn macht, denn auf dem Wasser spielt das Gewicht der Batterien fast keine Rolle und der Widerstand eines im Wasser gleitenden Schiffes ist gering. Eine typische Nischenanwendung. 

    • Es wird noch besser. Auch der Ozeanriese Queen Mary II wird elektrisch angetrieben. In der Mitte des Schiffes ein großer Dieselgenerator, und zu den Schrauben mit ihren Motoren „nur“ die Kabel. Vereinfacht die Mechanik ganz wesentlich, und funktioniert prächtig.
      Merke: Überall dort wo die Stromversorgung entweder von extern erfolgt (Oberleitung) oder Dieselgenerator weil das Gewicht keine Rolle spielt, ist der E-Antrieb mit seiner natürlichen Rotationsbewegung nicht zu schlagen.
      Übrigens sollen heute fast alle großen Schiffe so gebaut sein. Hab´s aber nicht überprüft.

      • Das ist der Dieselelektrische Antrieb, der m.W. auch bei Lokomotiven angewandt wird. Der Diesel läuft konstant im optimalen Drehzahlbereich für optimierten Wirkungsgrad, die Elektronik macht die Drehzahlstellung für den Vortrieb und Antrieb. Wikipedia liefert dazu Einiges – ausnahmsweise mal ohne voreingestellte Ideologie.

        • So ist es. Bei Lokomotiven hatte das außerdem den Vorteil, dass Bäume an der Strecke, bei Unwetter nicht die Oberleitung zerstören können, weil die nicht gebraucht werden.

  3. Lieber Herr Hofmann-Reinecke, vielen Dank für den informativen Artikel. Hier bei uns in Hamburg wurde auch mit alternativen Antrieben experimentiert – mehr dazu finden Sie, wenn Sie suchen nach: fredriks.de ALSTERSONNE und fredriks.de ALSTERWASSER. Dort gibt es auch genaue Angaben zu den Batterien, Motoren und Fahrleistungen (und Problemen). 

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