Klima- und Finanzpolitik der EU : Deutschland droht eine teure Paketlösung*

Kohle-Strom? Foto: Dirk Maus ; pixelio

Norman Hanert (Red.PAZ)*
Der Kohleausstieg der EU ist ohne das Kohleland Polen nicht möglich. Der Nettoempfänger könnte sich seine Zustimmung teuer bezahlen lassen

Sogenannte „Klimaaktivisten“ setzen den Siemens-Konzern massiv unter Druck, um die Lieferung von Technik für ein Kohlebergwerk in Australien zu verhindern. Erstaunlich wenig Widerstand regt sich dagegen bislang gegen milliardenschwere Kohleprojekte, die geografisch sehr viel näher liegen. Nur wenige hundert Kilometer von Berlin entfernt betreiben polnische Energieversorger Großprojekte, die hiesige Anhänger von Greta Thunberg eigentlich zum Dauerprotest auf die Straße bringen müssten.

80 Prozent Kohleanteil

Östlich der Lausitzer Neiße will beispielsweise der polnische Energieversorger PGE für sein Kohlekraftwerk Turów einen Braunkohletagebau massiv erweitern, um ihn noch bis 2044 nutzen zu können. Laut einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hat die regionale Umweltdirektion in Breslau Ende Januar eine Umweltgenehmigung für die Erweiterungspläne erteilt. Ebenfalls in Niederschlesien sind im vergangenen Herbst zwei neue Blöcke im Steinkohlekraftwerk Oppeln in Betrieb gegangen. Allein in dieses Projekt sind umgerechnet 2,6 Milliarden Euro geflossen. 500 Kilometer östlich von Berlin steht in Belchatów in der Region Lodz sogar das größte Braunkohlekraftwerk der Welt.

Ebenso rekordverdächtig ist der Anteil von rund 80 Prozent, den Kohle am polnischen Strommix hat. Die Regierung in Warschau hat zwar im August 2018 angekündigt, dass es nach dem Bau des Kraftwerks in Ostrolenka keine weiteren Baugenehmigungen für Kohlekraftwerke mehr erteilen wolle. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass die Regierungspartei PiS einen schnellen Ausstieg aus der Kohlenutzung vorantriebe. Vorgelegt hat die Partei einen Fahrplan, der bis 2040 lediglich eine moderate Reduzierung des Kohleanteils am Energiemix vorsieht.

Polen vermeidet frühe Festlegung

Der aktuelle, stark auf Kohlestrom ausgerichtete Strommix hat ähnlich der polnischen Justizreform das Potenzial, das Klima zwischen Brüssel und Warschau weiter zu verschlechtern. Einerseits drohen Polen durch den EU-Emissionshandel hohe Kosten für seine Kohlekraftwerke, wenn der Preis pro Tonne Kohlendioxid deutlich ansteigt. Andererseits gehen die Kostenschätzungen für einen kompletten Ausstieg aus der Kohleverstromung in einen hohen Milliardenbereich. Dahinter steht das ehrgeizige Ziel der EU-Kommission, dass die EU bis 2040 aus der Kohleverstromung ausgestiegen und bis 2050 sogar „klimaneutral“ ist. Beides setzt voraus, dass das EU-Mitglied Polen mitzieht.

Pfand für Finanzverhandlungen

Bereits beim EU-Gipfel im vergangenen Dezember weigerte sich die polnische Regierung, die gemeinsame Erklärung mit der Absichtserklärung zu einer „Klimaneutralität“ bis 2050 zu unterschreiben. Regierungschef Mateusz Morawiecki handelte stattdessen eine Bedenkzeit bis Mitte dieses Jahres aus. Erst dann will Warschau mitteilen, ob und unter welchen Bedingungen es mitziehen will. Mit diesem Vorgehen hat sich die polnische Führung in eine gute Verhandlungsposition gegenüber Brüssel und auch den Nettozahlern wie Deutschland gebracht. Denn nun laufen die Verhandlungen über den polnischen Beitrag zur EU-Klimapolitik zeitlich parallel zum anstehenden Poker über den neuen EU-Finanzrahmen.

Bislang ist Polen einer der größten Profiteure des EU-weiten Finanzausgleichs. Seit dem Beitritt im Jahr 2004 hat das Land aus den Brüsseler Geldtöpfen fast 90 Milliarden Euro an Fördergeldern erhalten. Auch viele andere süd-, südost- und ostmitteleuropäische Länder erwarten weiterhin hohe Subventionen aus dem EU- Haushalt.

Für Geberländer wie Deutschland drohen durch den Finanzbedarf für Ursula von der Leyens „Green Deal“ sowie den Wegfall der britischen Einzahlungen massive Mehrbelastungen.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  14. Februar 2020, S.7; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie dem Autor  Norman Hanert  für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/

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9 Kommentare

  1. UndDie Gedanken sind frei…..Und ganz anders als in Deutschland wird in Polen die Entwicklung von Kernkraftwerken der Generation 4.0. durch kein staatlich verhängtes Denkverbot behindert.
    http://www.snetp.eu/wp-content/uploads/2018/06/HTR-Report-Ministry-of-Energy-Poland.pdf
    Deshalb gut möglich, dass man dort eines Tages auch die über dem Gorlebener Salzstock bisher nur zwischengelagerten Kernbrennstäbe statt sie auf alle Ewigkeit flugzeugabsturzsicher zu beerdigen, in einem polnischen Salzbergwerk wie z.B. https://www.flickr.com/photos/reinhard_m/37507864361 nur etwas einsalzen wird, um die in ihnen gespeicherte unvorstellbar große Energiemenge so wie von den Erfindern des Dual Fluid Molten Salt-Reaktors konzipiert doch noch zu nutzen.
    Würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn die hier
    https://festkoerper-kernphysik.de/about
    genannten Herren auch schon mal Besuch aus Polen hatten.

  2. Ich zitiere aus Wikipedia bezügl. des Kraftwerks in Bełchatów:

    „Das Kraftwerk sollte mit der CCS-Technologie (carbon dioxide capture and storage, auch lt. Wikipedia) ausgerüstet werden, was aus EU-Fördergeldern finanziert werden sollte. Jedoch lehnte die EU eine Förderung ab, und das Projekt wurde 2013 eingestellt.“

  3. es sind doch schon Kompromisse gefunden worden: Polen darf sich auch ohne irgendwelche Zusagen auf die Bereitstellung von „Mitteln zur Modernisierung von alten Kohlekraftwerken“ freuen. Es sollen zwar nur 50% der sonst möglichen Mittel sein, aber was solls. *poland first! fuck the EU!“

  4. Die wesentlichste Frage betreffend einer Möglichkeit zum Kohleausstieg ist doch, welche realen und tatsächlich äquivalent verfügbaren Alternativen gibt es und was kosten die?

    Ohne diese Frage klar zu beantworten, ist jegliche Aktivität vergleichbar mit einem antriebslosen Schiff, welches durch die Zufälle der Natur herumgeschaukelt wird, aber sicher nicht zeitgerecht in einem geplanten Zielhafen ankommt. Wie es scheint, gehört diesem politischen Muster in Europa aber die Zukunft …

    • „Die wesentlichste Frage betreffend einer Möglichkeit zum Kohleausstieg ist doch, welche realen und tatsächlich äquivalent verfügbaren Alternativen gibt es und was kosten die? “

      Die Frage wird weder gestellt noch beantwortet. Es interessieren keine adequaden Alternativen.
      Maurice Strong in oder vor Rio 1992: „Besteht dann nicht die einzige Hoffnung, die Erde vor der Zerstörung zu retten, darin, die Industriegesellschaften kollabieren zu lassen? Liegt es nicht in unserer Verantwortung, es dazu kommen zu lassen?“

      weiter, und das war definitiv in Rio 1992: „»Es ist klar«, so Strong, »dass gegenwärtige Lebensstile mit hohem Fleischverbrauch, hohem Verbrauch an Tiefkühlkost, Privatbesitz von Autos, Klimatisierung zu Hause und am Arbeitsplatz, und Wohnen im Eigenheim nicht beibehalten werden dürfen. “

      alles liegt klar auf dem Tisch. Es wurde gesagt, es wurde gehandelt. Der Zug fährt bereits. Er kann noch entgleisen, aber so oder so, wehe den Insassen… uns…

  5. Wasserstoff soll es sein – da gehen Bundesforschungsministerium und Umweltministerium Hand in Hand, wobei man im Forschunsministerium bereits festgestellt hat, daß dies hierzulande nicht realisierbar ist, weil die Kapazitäten fehlen:

    https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anja-karliczek-und-robert-schloegl-hinter-dem-wasserstoff-thema-verbirgt-sich-die-groesste-gelddruckmaschinerie/v_detail_tab_print/25507504.html

    https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energiewende-bundesumweltministerin-schulze-will-schnellen-einstieg-in-die-wasserstoff-wirtschaft/25546758.html

    Was beide Ministerien völlig vergessen ist, daß ein solch hypothetischer Ansatz nur durchführbar ist, wenn die ganze Welt mitmacht, weil es keine Alternative gibt.
    Da es mit Öl, Gas, Kohle aber Alternativen gibt, die nur einen Bruchteil kosten, wird die ganze Welt nicht mitmachen.
    Folglich müßte man einen wirtschaftlich abgekapselten Mikrokosmos schaffen und sich nach außen abschotten. Produkte von außerhalb der Wasserstoffwelt wären konkurenzlos billig – für uns aber trotzdem unerschwinglich, weil wir nichts verkaufen, sondern nur unter Herstellungswert „verramschen“ könnten, in die Nicht-Wasserstoff-Welt. Unser zum „Pseudogeld“ verkommener Euro wär draußen nix wert. Die Jagd nach „Devisen“ wäre angesagt. Wir müßten „verramschen“, um an Reccourcen zu kommen, weil wir die nur „draußen“ kriegen.
    Jeder DDR-Bürger kennt dieses Szenario.
    Nun…das wär ein spätes Wendeparadoxum…USA, BRD und Co. ziehen in die DDR – und das ganz ohne Honni, Lederjacke, Balaleika und Sonderzug.

  6. Tja, auch die Polen werden immer mehr darüber nachdenken, was ihnen eine komplett Klima-bekiffte EU bringt. Das von dem „Vorreiterland“ nur das Allerdümmste zu erwarten ist, wissen sie bereits aus leidvoller Geschichte…

  7. Es ist dach ganz einfach. Falls ein grösserer Blackout stattfindet, dann wären viele froh wieder einen Kohleofen oder Kohle Boiler im Hause zu haben.
    Erst dann werden einige aufwachen.

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