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Warum die Ozeane nicht versauern können

Um zu verstehen, was es damit auf sich hat, müssen wir uns die Eigenschaften der entsprechenden Moleküle näher ansehen. Wasser ist neben Kohlenstoff eine entscheidende Voraussetzung für alles Leben auf der Erde. Es ist zugleich das beste in der Chemie bekannte Lösungsmittel, das eine Vielzahl organischer und anorganischer Substanzen lösen kann. Ohne die besonderen Eigenschaften des Wassers wäre die komplexe Chemie, auf welcher der gesamte Stoffwechsel in unseren Zellen beruht, gar nicht möglich. Diese Löslichkeit ist abhängig von der Natur der zu lösenden Stoffe. Teils ist sie erstaunlich hoch, beispielsweise bei Zucker oder Salz, teils mäßiger wie z.B. beim Kalkstein, der von Regenwasser langsam, aber stetig angelöst wird, so dass sich im Lauf vieler Jahre Höhlen und Tropfsteine bilden. Aber selbst Stoffe, die man normalerweise als unlösbar einstufen würde – wie die meisten Steine, Erze und Metalle – sind in den Weltmeeren in erstaunlich großen Mengen anzutreffen. Zwar sind die Löslichkeiten teilweise im Bereich Milliardstel g/l oder noch niedriger, doch muss man sich auf der anderen Seite auch die ungeheure Größe der Weltmeere vergegenwärtigen. In den rund 1,37 Mrd. Kubikkilometer der Ozeane befinden sich immerhin 20 Mio. t Gold [GOLD] und sogar 4,5 Mrd. t Uran [URAN]. Man vergleiche dies z.B. mit den weltweiten Goldvorräte von lediglich rund 30.000 t.

Bild 1. Auch diese wunderschöne Rote Helmschnecke (Cassis Rufa) soll von der angeblichen Meeresversauerung bedroht sein

Ursachen der hohen Löslichkeit: Ein „krummes“ Molekül…

Ein entscheidender Grund für die hohe Löslichkeit des Wassers liegt in der besonderen Anordnung seiner Atome. Beim H2O-Molekül befinden sich die beiden Wasserstoff-Atome nämlich nicht auf genau gegenüberliegenden Seiten des Sauerstoffatoms. Stattdessen bilden sie ein Dreieck, Bild 2.

Bild 2. Das Wassermolekül hat die Form eines Dreiecks mit einem Öffnungswinkel von etwa 104° (Grafik: Sakurambo, [WIDI])

Die Folge dieser unsymmetrischen Anordnung ist eine ungleichmäßige Verteilung der elektrischen Ladungen innerhalb des Moleküls. Während die beiden positiv geladenen Wasserstoffkerne („Protonen“) auf ihrer Seite ein Übergewicht an positiver elektrischer Ladung bedingen, wird dies auf der anderen Seite des Sauerstoffatoms durch eine entsprechend negative Ladung ausbalanciert. Obwohl das Molekül als Ganzes gesehen elektrisch neutral ist, stimmen in seinem Inneren die „Schwerpunkte“ der positiven und der negativen Ladungen nicht überein. Man spricht in einem solchen Fall von einem permanenten elektrischen Dipol. Diese Eigenschaft ist beim Wassermolekül besonders ausgeprägt. In der Praxis führt das dazu, dass sich das Molekül sowohl an positiv als auch an negativ geladene Ionen anlagern kann, indem es dem betreffenden Ion die jeweils „passende“ Seite zukehrt, Bild 3. Um dieses Ion herum bildet sich dadurch eine sogenannte Hydratationshülle.

Bild 3. Bei einem Ionenkristall wie dem NaCl (Kochsalz) drehen zahlreiche Wassermoleküle den einzelnen Ionen des Salzes die jeweils „passende“ Seite zu und maskieren so deren Ladung (Grafik: [INTE])

Aufgrund dessen verlieren diese „hydratisierten“ Gitterionen – ausgehend von den Ecken, wo die elektrostatischen Anziehungskräfte des Gitters geringer sind als auf den Flächen – den Kontakt zum restlichen Kristall und werden durch die ständige Bewegung der Flüssigkeitsteilchen gleichmäßig im gesamten Volumen verteilt.

Dies ist die Ursache für die sehr gute Löslichkeit von Wasser für viele Salze. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche sogenannte hydrophile Stoffe wie z.B. Harnstoff, die sich ebenfalls leicht in Wasser lösen, sowie manche Gase wie Stickstoff, Sauerstoff oder CO2.

…und „Brücken“ aus Wasserstoff

Eine weitere Folge des Dipolmoments der Wassermoleküle ist ihre Fähigkeit, sogenannte Wasserstoffbrücken zu bilden. Dies erfolgt durch Andocken der elektropositiv geladenen Wasserstoffatome zweier fremder Wassermoleküle am elektronegativ geladenen Sauerstoffatom eines weiteren Wassermoleküls. Somit kann jedes Wassermolekül vier Wasserstoffbrückenbindungen eingehen: Mit seinen Wasserstoffatomen bindet es sich an die Sauerstoffatome von zwei fremden Wassermolekülen, mit seinem eigenen Sauerstoffatom koppelt es an die Wasserstoffatome von zwei weiteren Wassermolekülen, Bild 4. Deshalb haben wir es im flüssigen und festen Zustand immer mit großen Gruppen von Molekülen zu tun, die über Wasserstoffbrücken verbunden sind. Nur als Gas („Wasserdampf“) liegen die Wassermoleküle tatsächlich einzeln vor.

Diese Wasserstoffbrückenbindung ist zwar erheblich schwächer als die bekannte kovalente (atomare) Bindung oder als die Ionenbindung, doch reicht sie immerhin aus, um die Siedetemperatur von Wasser von den eigentlich zu erwartenden -80 °C auf die bekannten 100 °C anzuheben. Erst bei 100 °C reicht die thermische Bewegungsenergie der Wassermoleküle aus, um die Bindungskräfte der Wasserstoffbrücken quantitativ zu überwinden und in die Gasphase überzugehen. Diese Wasserstoffbrückenbindung ist entscheidend für zahlreiche biochemische Reaktionen, darunter auch für den Zusammenhalt der DNA-Helix im Erbgut. Auch die Auflösung von Zucker erfolgt über die Bildung von Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen des Zuckers und des Wassers.

Bild 4. Wasserstoffbrücke (Grafik: [CHEM])

Sauer und basisch – die Dissoziation des Wassers

Dritter „Pfeil“ im Köcher des Wassers, wenn es um die Möglichkeit einer Reaktion mit anderen Molekülen und Verbindungen geht, ist der Zerfall einer geringen Zahl von H2O-Molekülen in positiv geladene Wasserstoffionen (Protonen, H+) einerseits und negativ geladene OH–Ionen andererseits. Von dieser Dissoziation ist im Prinzip nur ein verschwindend geringer Anteil betroffen: Bei 25 °C ist es gerade mal eines von 10 Mio. Molekülen.

Aufgrund eines physikalischen Gesetzes (Massenwirkungsgesetz) liegt die Konzentration der Protonen multipliziert mit der Konzentration der OH–Ionen bei recht exakt 10-14. Dieses sogenannte Ionenprodukt des Wassers ist eine in erster Näherung lediglich von der Temperatur abhängige Konstante. Bei Neutralität gilt, dass die Zahl der positiv und negativ geladenen Ionen identisch ist: Beide liegen demnach in einer Konzentration von 10-7 vor, solange sich die Partner der Reaktion im Gleichgewicht befinden:

H2O H+ + OH

(Die gegenläufigen Halbpfeile weisen darauf hin, dass sich zwischen dem rechten und dem linken Teil der Gleichung ein Gleichgewicht bildet). Bringt man in das Wasser jetzt Reagenzien ein, welche einen der beiden Partner bevorzugt binden, so erhöht bzw. senkt man die jeweiligen Konzentrationen im exakten Gegenlauf , weil ihr Produkt ja konstant bleibt. Nimmt man beispielsweise einen Säurebildner wie das Oxid des Phosphors (P2O5, Phosphorpentoxid) so reagiert dieses mit drei Wassermolekülen zu Phosphorsäure:

P2O5 (S) + 3 H2O 2 H3PO4 (AQ) 6 H+ (AQ) + 2 PO43-(AQ)

(das (S) steht für Festkörper (solid) und das (AQ) für wässrige Lösung (aqua).

Das Resultat ist, dass der Lösung drei OH–Ionen entzogen werden, während gleichzeitig sechs Protonen hinzukommen. Dadurch steigt die Konzentration der Protonen, während diejenige der OH–Ionen zurückgeht. Der Chemiker definiert nun, dass eine Erhöhung der Protonenkonzentration auf mehr als 10^-7 bewirkt, dass sich die Lösung „sauer“ verhält, während sie im anderen Fall eine auf weniger als 10^-7 verringerte Protonenkonzentration als „basisch“ bezeichnet wird. Als Kenngröße für solche Verschiebungen dient den Chemikern traditionell der sogenannte pH-Wert. Da die Protonenkonzentration eine enorme Variationsbreite von 10^14 Stellen überstreicht, verwendet man zur Vereinfachung einen Logarithmuswert, und zwar den negativen 10er-Logarithmus der Protonenkonzentration. Der pH-Wert variiert in der Regel zwischen 0 (stark sauer) und 14 (stark basisch), Bild 5, kann bei sehr starken Säuren bzw. Basen aber auch über diese Skala hinausgehen.

Bild 5. Schematische Darstellung der pH-Skala und der gegenläufigen pOH-Skala. Rot kennzeichnet den sauren und blau den basischen Bereich (Grafik: PatríciaR [WIPH])

Reines Wasser ist ein unerreichbares Ideal

Alle drei beschriebenen Mechanismen bewirken in ihrem Zusammenwirken die bereits angesprochene enorme Bandbreite an Stoffen, welche Wasser lösen kann, selbst wenn die Löslichkeit fallweise nur gering ist. Deshalb findet man in den Meeren auch eine geradezu unübersehbare Vielzahl an Elementen und Verbindungen in gelöster Form. Auf der anderen Seite bedingt dies, dass es in der Praxis kein „reines“ Wasser gibt. Deshalb reagieren selbst die Regentropfen, sie sich in der Atmosphäre bilden und im Prinzip aus destilliertem Wasser bestehen, sofort mit der Atmosphäre, indem sie Gase aufnehmen. Besonders haben sie es dabei auf ein eigentlich recht stabiles Molekül abgesehen, das bei der Oxidation von Kohle entsteht: Das Kohlenstoffdioxid CO2.

Was ist eigentlich Kohlen-„Säure“?

Die sogenannte Kohlensäure entsteht, nachdem sich das atmosphärische Spurengas CO2 in Wasser gelöst hat. Dabei reagiert ein (sehr kleiner) Teil der CO2-Moleküle mit Wassermolekülen und bildet dabei die Kohlensäure H2CO3. Diese dissoziiert teilweise wiederum in zwei Stufen. Zunächst zerfällt sie zu einem Proton und dem sogenannten Bicarbonat-Ion HCO3-, welches dann nochmals weiter zu einem weiteren Proton und dem Carbonation CO32- dissoziiert, Bild 6.

Bild 6. Darstellung der Reaktionen von CO2, Kohlesäure und Carbonat sowie Hydrogencarbonat in Wasser (Grafik: [OZEA])

Zu diesen Reaktionen ist anzumerken, dass das Gleichgewicht dann, wenn keine Pufferung (Erklärung hierzu folgt weiter unten) vorliegt, auf der linken Seite liegt, d.h. das CO2 überwiegt. Sein Verhältnis zur Kohlensäure beträgt ca. 700/ 1. Als relativ schwache Säure dissoziiert die Kohlensäure nur in geringem Maße.

Dies trifft beispielsweise auf frisch gefallenes Regenwasser zu, das sogenannte pristine Regenwasser. Solches Wasser hat noch keinen Kontakt zum Erdboden gehabt und deshalb noch keine nennenswerte Fracht an mineralischen oder organischen Säure- oder Basebildnern wie z.B. Calciumionen aufgenommen, welche ihrerseits mit Protonen oder OH–Ionen reagieren und dadurch deren Konzentration (und damit den pH-Wert) beeinflussen könnten. Solange solche Einflüsse fehlen, reagiert das Regenwasser schon auf die vergleichsweise geringe Menge des während des Falls durch die Atmosphäre aufgenommenen CO2 mit einer erheblichen Absenkung des pH-Werts. Es hat deshalb häufig einen pH-Wert von um die 5,5 (schwach sauer). Dennoch reicht dieser „saure“ Charakter aus, um Gesteine anzugreifen, aus denen unter anderem Calciumcarbonat CaCO3 (Kalk) gelöst wird, der mit den Hydrogencarbonationen dann zu Calciumhydrogencarbonat (Ca(HCO3)2) reagiert. Während Kalk in Wasser nur in geringem Umfang löslich ist, weist das Calciumhydrogencarbonat eine recht gute Löslichkeit auf. Es gelangt mit dem Trinkwasser z.B. in Hausleitungen, wo es bei Erwärmung zu Kalk CaCO3 und CO2 zerfällt. Der Gehalt des Calciumhydrogencarbonats im Wasser ist als sogenannte Carbonathärte die Hauptursache für die Verkalkung von Wasserleitungen und Armaturen. Letztlich landet jedoch der größte Teil dieser Mineralfracht über die Flüsse in den Ozeanen.

Von „Gleichgewichten“, „Puffern“ und „Milieus“

An dieser Stelle kommen noch einige weitere Mechanismen ins Spiel, die für das Verständnis der Wasserchemie unabdingbar sind. Dazu gehört zunächst einmal der Begriff des „Gleichgewichts“. Wenn wir beispielsweise Kohle verbrennen, so ist dies eine „Einweg“-Reaktion. Bei dieser verbinden sich Kohlenstoff und Sauerstoff zu CO2, das in die Luft entweicht. Eine Umkehr ist auf normalem Wege nicht möglich.

Im Wasser verlaufen sehr viele Reaktionen dagegen reversibel und nur bis zu einem gewissen Punkt, ab dem sie zum Stillstand kommen. Ähnlich wie bei der Dissoziation des Wassers selbst befinden sich die Reaktionspartner auf beiden Seiten der Gleichung dann in einem dynamischen Gleichgewicht. Anders ausgedrückt heißt dies, dass auf der molekularen Ebene ständig beide Reaktionsrichtungen durchlaufen werden. Dieses Gleichgewicht bestimmt die Massenverhältnisse zwischen der einen und der anderen Seite. Verändert man jetzt wesentliche Parameter auf einer Seite, dann verschieben sich auch die Massenverhältnisse zwischen den beiden Seiten der Reaktionsgleichung.

Das zweite Grundprinzip ist der Puffer. Ein Puffer ist – vereinfacht ausgedrückt – ein Speicher bzw. ein Vorrat, der einen der Reaktionspartner eines Gleichgewichtssystems enthält. Einfaches Analogon ist ein Glas Wasser, das man zu etwa 1/3 mit Kochsalz füllt, um dann Wasser bis zum ¾-Stand hinzuzufügen. Dadurch wird sich zunächst Salz auflösen, bis ein Sättigungsgrenzwert von etwa 26,3 % erreicht ist. Das restliche Salz bildet einen Bodensatz, der sich selbst durch noch so intensives Rühren nicht auflösen wird. Ab diesem Punkt wird an den Grenzflächen zwischen den Kristallen und dem Wasser ständig Salz in Lösung gehen und im Gegenzug genausoviel Salz aus dem Wasser wieder auskristallisieren. Fügt man jetzt Wasser hinzu, so wird weiteres Salz aufgelöst. Verdunstet dagegen ein Teil des Wassers, so wird die dem Gleichgewichtszustand entsprechende Menge Salz am Boden ausfallen. Solange noch festes Salz vorhanden ist, sorgt dieser Puffer demnach dafür, dass die Salzlösung darüber auch bei Schwankungen des Wasserstands immer die gleiche Konzentration aufweist. Bei diesem Beispiel finden übrigens keine chemischen Reaktionen statt, man könnte daher streng genommen von einem physikalischen Puffer sprechen. Aber auch die Partner von chemischen Gleichgewichtsreaktionen wirken oft als Puffersysteme, so z.B. beim Zusammenwirken von schwachen Säuren und starken Basen.

Der dritte Aspekt betrifft schließlich die Berücksichtigung des physikochemischen Gesamtumfeldes, des sogenannten Milieus. Wasser bzw. wässrige Lösungen können eine Vielzahl weiterer Moleküle und Ionen enthalten, die Einfluss sowohl auf die Löslichkeit einer Substanz als auch auf den pH-Wert haben und/ oder eine Pufferwirkung entfalten. Entscheidender Faktor ist hierbei die Fixierung des pH-Werts auf einem bestimmtem Niveau. So gelten für die Reaktionen von CO2 mit Wasser im Ozean mit seiner riesigen Fracht an Reagenzien ganz andere Voraussetzungen als z.B. bei pristinem Regenwasser, Bild 7.

Bild 7. Ergänzte Darstellung der Konzentrationsverhältnisse von HCO3, CO32- und CO2/H2CO3. Diese hängen vom pH-Wert ab. Der rote Pfeil gilt für pristines Regenwasser, der blaue Bereich kennzeichnet die Zustände in Meerwasser (Grafik BeAr, [WIME])

Der Blut-Carbonatpuffer des CO2

Ein anschauliches Beispiel für die Wirkungsweise eines chemischen Puffers liefern die Reaktionsprodukte des CO2 in bestimmten wässrigen Milieus. Besonders bekannt ist der sogenannte Carbonatpuffer im menschlichen Blut, das bekanntlich eine Vielzahl weiterer anorganischer und organischer Reagenzien enthält. Hier wirkt die oben bereits vorgestellte Kohlensäure-Carbonat-Reaktion, statt wie beim Regenwasser eine schwache Säure zu bilden, als Puffer zum Auffangen von pH-Schwankungen im Blutkreislauf. Der pH-Wert des Bluts wird dabei im leicht alkalischen Bereich bei pH 7,4 stabilisiert [WIPU].

CO2 + H2O H2CO3 HCO3 + H+

Der Puffer besteht – analog zur Reaktion aus Bild 6 – aus der Kohlensäure (H2CO3) auf der einen Seite und Protonen sowie Carbonationen (HCO3−) auf der anderen Seite. Wenn das Blut nicht sauer genug ist, dissoziiert die Kohlensäure zu einem Proton und einem Carbonation. Wenn das Blut dagegen zu viele Protonen enthält, also zu sauer wird, bindet das Carbonation ein Proton und wird zur undissoziierten Kohlensäure, die anschließend zu Wasser und Kohlenstoffdioxid zerfällt. Das Gleichgewicht liegt hierbei aufgrund des Einflusses zahlreicher weiterer Reagenzien auf der Carbonatseite: In der Lösung ist rund 400 Mal soviel Carbonat wie Kohlensäure vorhanden. Im Endeffekt wird dadurch der pH-Wert des Blutes in engen Grenzen im leicht alkalischen Bereich (zwischen 7,35 und 7,45) stabilisiert. Die Regulierung erfolgt – von einem speziellen Bereich des Gehirns gesteuert – durch eine Steigerung oder Absenkung der CO2-Konzentration im Blut über die Atmung.

Bemerkenswert ist hieran, dass es sich im Prinzip um die gleiche chemische Reaktion handelt, wie sie auch in Regenwasser abläuft. Doch während sie beim ungepufferten Regenwasser bewirkt, dass dieses zu einer leichten Säure mit einem pH-Wert von um die 5,5 wird, stabilisiert sie im Blut einen viel höheren pH-Wert, der eindeutig im alkalischen Bereich liegt. Grund hierfür ist das ganz andere chemische Milieu, das durch die Anwesenheit einer Reihe biologisch wichtiger Ionen geprägt wird: Natrium (Na+), Kalium (K+), Calcium (Ca2+) und Chlorid (Cl–). Im Blut ist ein möglichst genau ausbalanciertes Verhältnis dieser vier Ionen von etwa 94:3:2:70 von essentieller Bedeutung [BLUT].

Das Erbe der Urzeit

Der Carbonatpuffer wirkt interessanterweise nicht nur im menschlichen Körper, sondern in modifizierter Form auch im Meer. Und nicht nur zufällig entspricht das Ionenverhältnis in unserem Blut auch recht gut demjenigen im Meer (Bild 8), wo es bei 94:2:2:100 liegt. Diese Zusammensetzung des Meerwassers ist eine Konstante der Entwicklung des heutigen Lebens, denn sie hat sich in den letzten ca. 700 Mio. Jahren kaum verändert. Unsere Zellen werden vom Blut, der Lymphe und anderen Körperflüssigkeiten in einem wässrigen Milieu umspült, ernährt und am Leben erhalten. Dieses Milieu weist bezüglich wesentlicher anorganischer Ionen und des pH-Werts große Übereinstimmungen mit dem Meerwasser auf. Dies ist nach Erkenntnissen der Evolutionsbiologie kein Zufall, sondern als Erbe unserer Abstammung von Meereslebewesen anzusehen [NEKA].

Bild 8. Die Verhältniszahlen essentieller Ionen in unserem Blut stimmen weitgehend mit denen im Meer überein (Grafik: Autor, Daten: [NEKA])

In diesem Zusammenhang fällt noch eine weitere Besonderheit auf: Der CO2-Partialdruck im Blut liegt wegen des im Vergleich zur Atmosphäre 100fach höheren CO2-Anteils in der Ausatemluft (4 % statt 400 ppm) um einen Faktor 100 höher als beim Regenwasser. Obwohl die CO2/-Carbonatreaktion im Prinzip die gleiche ist wie die im Regenwasser, bleibt der pH-Wert im Blut dennoch sicher im basischen Bereich. Im Regenwasser-Milieu würde der pH-Wert bei einem vergleichbar hohen CO2-Partialdruck mit etwa 3,5 bis 4 dagegen schon deutlich im sauren Bereich liegen. Der Blutpuffer liefert daher einen sehr deutlichen Hinweis darauf, dass selbst ein atmosphärischer CO2-Gehalt, der um den Faktor 100 höher läge als heute, in einem dem Meerwasser sehr ähnlichen Milieu keine „Versauerung“ herbeiführen würde, welche das Überleben von Organismen gefährden könnte.

Zudem gibt uns die Wirkungsweise des Blutpuffers auch einen Hinweis auf eine ferne Vergangenheit, in der sich viel mehr CO2 in der Atmosphäre befand als heute: Der sehr hohe CO2-Gehalt in der Ausatemluft bedingt, dass wir selbst gegen einen sehr viel höheren CO2-Partialdruck noch den gasförmigen „Verbrennungs-Abfall“ unseres Stoffwechsels ohne Probleme loswerden könnten. Erst ab 4 % wären wir nicht mehr imstande, CO2 mit der Atemluft abzuführen, was zum Erstickungstod führen würde. Weitere diesbezügliche Hinweise finden sich auch, wenn man die heutigen Erkenntnisse der Arbeitsmedizin einbezieht: Der MAK-Wert für CO2 liegt bei 5.000 ppm, recht nahe bei den vermutlich 6.000-8.000 ppm, die vor rund 550 Mio. Jahren in der Erdatmosphäre vorgelegen haben [MAK, ARBE, CALU]. Unser Körper ist offensichtlich seit Urzeiten darauf konditioniert, auch mit vielfach höheren atmosphärischen CO2-Gehalten als heute zurechtzukommen.

Der Calciumpuffer im Meer

Wie schon weiter oben ausgeführt, wirkt der Carbonatpuffer im Meer sehr ähnlich wie der im menschlichen Körper. Gegenüber der Situation bei pristinem Regenwasser muss man die Betrachtung um eine weitere Reaktion erweitern, nämlich um diejenige des Carbonats bzw. Bicarbonats mit Calcium-Ionen unter Bildung von Calciumcarbonat CaCO3 sowie Calciumdihydrogencarbonat Ca(HCO3)2. Während Regenwasser durch die Reaktion mit dem aus der Luft aufgenommenen CO2 einen pH-Wert von 5,5 annimmt, stellt sich bei zusätzlichem Kontakt von Regenwasser mit Marmor (dass ist ebenfalls Kalk) nach Auflösung von etwas Calciumcarbonat im Gleichgewicht ein pH-Wert von 8,3 ein [HÖLL].

Der Kontakt mit Calciumionen wirkt sich verstärkend auf die Wirkung des Carbonatpuffers aus. Bei den im Meer üblichen pH-Werten von 7,9 – 8,5 ist das Gleichgewicht der Carbonatreaktion soweit zur rechten Seite verschoben, dass fast nur Bicarbonat vorliegt. In diesem System hängt die Gesamtkonzentration von gelöstem, anorganischem Kohlenstoff (DIC = dissolved inorganic carbon; im Meer ca. 2,5 mmol/ l) von der Konzentration der gelösten Erdalkalien (vor allem Ca und Mg, Bild 9) ab. Mit ihnen bildet die Kohlensäure Salze, die dem Gleichgewicht entzogen sind. Dadurch kann weitere Kohlensäure gebildet werden und eine entsprechende Menge CO2 aus der Luft nachdiffundieren. Je mehr Calcium (und Magnesium) im Wasser enthalten sind, umso mehr DIC kann auch gelöst sein. Deshalb ist das erdalkalienreiche Meerwasser stark gepuffert, während weiche Süßwässer nur schwach gepuffert sind [SOMM].

Bild 9. Wesentliche anorganische Ionen im Meerwasser (Grafik: [ETH])

Auch der emeritierte Geologieprofessor Dr. Friedrich-Karl Ewert und der Physikochemiker Dr. Siegfried Dittrich weisen in einer Untersuchung aus dem Jahre 2014 [EWDI] darauf hin, dass die aus magmatischen Gesteinen stammenden stark basischen Alkali- und Erdalkali-Elemente eine stabile Alkalinität des Meerwassers bewirken. Diese großen Mengen starker Basenbildner sind so wirksam, dass sie eine Versauerung der Ozeane durch Bildung von Kohlensäure aufgrund des Zutritts von CO2 aus verschiedenen Quellen zuverlässig verhindern.

Der gleichen Ansicht ist auch Steve Burnett, der mit Blick auf die Puffer-Kapazität der Ozeane feststellt, dass „es chemisch wirklich unmöglich ist, carbonatabhängige Lebewesen im Wege einer Ozean-Versauerung durch CO2 zu schädigen“ [BURN]. Er weist darauf hin, dass sich die meisten kalkschalenbildenden Organismen zu einer Zeit entwickelten, in der die CO2-Konzentration über 8.000 ppm lag. Es sei unverständlich, wieso man annehmen könne, dass solche Organismen, deren Vorgänger in einem Umfeld aufgeblüht seien, das durch CO2-Konzentrationen von bis zu > 8.000 ppm (d.h. um > 2.000 % über dem heutigen Pegel) geprägt war, heute mit einer Zunahme von lediglich 30 % nicht zurecht kommen sollten.

Die Tricks der Pufferleugner

Das Interessante an der Diskussion über die angebliche Meerwasserversauerung ist, dass diejenigen, welche diese These vertreten, im Prinzip selbst Leugner sind: Sie leugnen Tatsachen, die längst als Stand der Wissenschaft gelten. Dabei werden teils plumpe Tricks eingesetzt, vor allem dann, wenn man es mit Laien zu tun hat, welche die Materie nicht kennen.

Bild 10. Die pH-Skala mit Kennzeichnung von Mineralwässern und der natürlichen Variabilität von Meerwasser (Grafik: Steiner [STEI])

Diesen setzt man dann oft falsche, im Prinzip als unredlich einzustufende Erklärungen und Pseudo-Experimente vor und führt sie dadurch in die Irre. Auf diese Weise werden dann Journalisten, Politiker, Lehrer oder Schüler indoktriniert. Ein häufig anzutreffender Kniff besteht darin, die komplexen Wechselwirkungen des realen Milieus „Meerwasser“ zu verschweigen und mit hohen, völlig unrealistischen CO2-Konzentrationen z.B. in Mineralwasser, Bild 10, mit konzentrierten Säuren oder sonstigen unrealistischen Vorgaben zu arbeiten. Schon die Verwendung von Süßwasser bzw. CO2-angereichertem Süßwasser statt Salzwasser für Experimente, welche die „Meeresversauerung“ beweisen sollen, ist, wie oben dargelegt, ein Taschenspielerstrick.

Fred F. Mueller

Quellen

[ARBE] http://tinyurl.com/kheuz5z

[BLUT] http://evobioblog.de/der-evolutionsbeweis-unserem-blut/

[BURN] http://www.eike-klima-energie.eu/news-cache/ozean-versauerung-welche-ozean-versauerung/

[CALU] Berger, W. H.: Carbon Dioxide through Geologic Time, http://tinyurl.com/5u8sa7

[CHEM] https://www.chemiezauber.de/inhalt/basic-1/wasser-2/wasserstoffbr%C3%BCcken.html

[ETH] http://e-collection.library.ethz.ch/eserv/eth:2576/eth-2576-05.pdf

[EWDI] http://www.eike-klima-energie.eu/news-cache/versauerung-der-ozeane-geo-chemisch-unmoeglich/

[GOLD] http://oceanservice.noaa.gov/facts/gold.html

[HÖLL] Höll, Karl: Wasser : Nutzung im Kreislauf, Hygiene, Analyse und Bewertung / Karl Höll. Hrsg. von Andreas Grohmann. – 8, völlig neu bearb. Aufl. – Berlin, New York: de Gruyter, 2002, ISBN 3-11-012931-0

[INTE] http://www.chemie-interaktiv.net/bilder/salz_wasser.swf

[MAK] http://tinyurl.com/gwfdeo3

[NEKA] http://evobioblog.de/der-evolutionsbeweis-unserem-blut/

[OZEA] https://fmss12ucheme.wordpress.com/2013/05/05/ocean-acidification-2/

[SOMM] Sommer, Ulrich: biologische Meereskunde, S. 35. (Springer-Lehrbuch). ISBN 978-3-540-63512-3

[STEI] http://www.eike-klima-energie.eu/news-cache/versauern-die-ozeane-die-phaelschung/

[URAN] http://tinyurl.com/lyumzux

[WIDI] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Water_molecule.svg

[WIME] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karbonatsystem_Meerwasser_de.svg

[WIPH] https://de.wikipedia.org/wiki/PH-Wert

[WIME] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karbonatsystem_Meerwasser_de.svg

[WIPU] https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlens%C3%A4ure-Bicarbonat-System