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Leben die Angestellten in Kernkraftwerken gefährlich?

Von 307.297 KKW-Angestellten waren 51.131 keiner berufsbedingten Strahlung ausgesetzt, für weit über 90 % der übrigen war die berufliche Dosis geringer als die natürliche.

Der „Spiegel“ stützt sich auf eine Veröffentlichung im British Medical Journal (BMJ) 2015 unter dem Titel: Risk of cancer from occupational exposure to ionising radiation: retrospective cohort study of workers in France, the United Kingdom, and the United States (INWORKS) (Richardson, D.B. und 12 andere).

Das Diagramm gibt die Zahlen aus dieser Arbeit wieder.

Wäre es so, würden wir schon von Natur aus recht gefährlich leben. Mit den Fortschritten der Molekularbiologie wird aber immer deutlicher, dass sehr kleine Strahlenschäden vollständig repariert werden; möglicherweise verbessern geringe Strahlendosen sogar die Gesundheit. Jedoch wird offiziell noch die LNT-Hypothese (linear no threshold) zugrunde gelegt, wonach auch kleinste Dosen eine Wirkung haben. Lässt man Leukämie und Lungenkrebs weg, wie das in der Arbeit von Richardson u.a. gemacht wurde, welcher Prozentsatz der übrigen Krebsfälle wäre dann nach LNT auf die Umgebungsstrahlung zurückzuführen? 2 % nach Strahlenschutzkommission, ICRP (International Commission on Radiological Protection) und anderen. Da die Krebsrate schwankt, sind 2 % nicht nachzuweisen. An manchen Orten der Welt sind die Leute von Natur aus der zehnfachen Dosis ausgesetzt. Da wären es dann 20 %, das müsste sich in Krebsstatistiken zeigen, tut es aber nicht.

Also, die 2 % sind schon rein hypothetisch, was könnte man aus den geringeren Zusatzdosen in Kernkraftwerken statistisch herausquetschen? Ehrlicherweise nichts. Selbst manche Kernkraftgegner sind dafür noch zu ehrlich, so schrieb mir der Mitarbeiter eines Öko-Instituts:

„Ihre Meinung, dass Wirkungen auch Ursachen haben und umgekehrt und dass beides einigermaßen zueinander passen muss, teile ich vollständig. Das Stochern in Unsicherheitsbandbreiten, das epidemiologischen Studien immer so eigen ist, ist in der Tat etwas, das eher in Richtung Glauben geht. Im Fach Statistik an der Uni habe ich gelernt, dass die Population der Störche in Nordniedersachen eng mit der Geburtenrate im gleichen Landstrich korreliert, was aber an sich noch nicht zu weitreichenden Schlussfolgerungen verleiten sollte.“

Nicht so die Autoren der Arbeit im „British Medical Journal“.

Es gibt auch Leute, die mit entsprechenden statistischen Kunststücken das Gegenteil „beweisen“, dass nämlich bei KKW-Angestellten weniger Krebsfälle auftreten. Natürlich bleiben derartige Veröffentlichungen in den Massenmedien unerwähnt.

Aus den Zahlen der Arbeit im BMJ ist zu entnehmen: Kommt zur natürlichen Strahlendosis noch einmal ebenso viel durch den Beruf dazu, dann hätte angeblich die oder der Betreffende ein um 10 % erhöhtes Krebsrisiko. Das steht in klarem Gegensatz zu den Zahlen z.B. von ICRP (2 %), und natürlich zu den Krankenstatistiken z.B. brasilianischer Küstenorte, wo die Dosis nicht verdoppelt, sondern von Natur aus mehr als verzehnfacht ist.

Nun machen die Zahlen in der BMJ-Arbeit den Eindruck, sie wären objektiv und das Ergebnis wäre rein mathematisch zustande gekommen. Dieser Eindruck trügt. Es wurden nämlich nicht einfach Fälle gezählt, sondern jeweils entschieden, wer aus der zu untersuchenden und wer aus der Vergleichsgruppe herausfällt, welches statistische Gewicht jeweils zugeordnet wird und dergleichen. Berücksichtigt wurden Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status und anderes. Ganz unberücksichtigt blieben dagegen medizinische Anwendungen, welche oft mit wesentlich höheren Strahlenexpositionen verbunden sind (Hinweis von R. Klute, Nuklearia). Sicher wären die Autoren sehr böse, würde man ihnen vorwerfen, sie hätten ihre Daten frisiert. Nein, sie drücken sich weit vornehmer aus, ihre Daten seien „adjusted“.

Es gibt auch Statistiken, welche Hand und Fuß haben, weil Unterschiede groß und Kriterien eindeutig sind. Zählt man einfach Sterbefälle jeder Art, dann zeigt sich: Angestellte in Kernkraftwerken leben länger. Ihre Sterbewahrscheinlich in mittleren Lebensjahren, so wird in vielen Veröffentlichungen berichtet, beträgt nur etwa 70 % des Durchschnitts. Nimmt man die Zahlen unseres Statistischen Bundesamtes für Männer, dann bedeutet das: Von 1.400 Männern, welche das 50. Lebensjahr erreicht haben, sterben im Durchschnitt 100, bevor sie 60 Jahre alt werden konnten. Nach den erwähnten Veröffentlichungen gibt es bei Beschäftigten in Kernkraftwerken nur 70 Todesfälle, es bleiben 30 mehr am Leben.

Seriöse Autoren sind zu vorsichtig, um das als Strahleneffekt zu erklären, zumal die Dosen sehr klein sind. Man muss andere Gründe annehmen, z.B., dass es intelligente Menschen sind, die vernünftig leben.

Auf jeden Fall ist es nicht gefährlich, in einer kerntechnischen Anlage zu arbeiten.

Hannover, den 13.11.2015