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Radioaktivität – nichts Genaues weiß man nicht?

Politiker glauben, schon Bescheid zu wissen. So sagte die atompolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Frau Sylvia Kotting-Uhl (Kunsthistorikerin): „Er (der Atommüll) ist da und stellt für die heutige und zukünftige Gesellschaften eine existenzielle Bedrohung dar.“ (Loccumer Protokoll 25/12). Wenn die weitere Existenz der Menschheit allein durch den bisher produzierten Atommüll fraglich ist, so muss man doch annehmen, dass es zuerst die Länder mit vielen Kernkraftwerken erwischt. Dass es in 100 Jahren noch Franzosen gibt, müsste danach unwahrscheinlich sein.

Solche Politiker sind natürlich beratungsresistent, zumal sie mit diesem Quatsch Wählerstimmen gewinnen. Dabei leistet sich der Deutsche Bundestag Wissenschaftliche Dienste, welche eine Beratung jedenfalls versuchen sollten. Wäre da zum Thema Radioaktivität eine Fachperson geeignet? Nur, wenn es die richtige ist. Wie soll aber ein biederes MdB Fachleute von Scharlatanen unterscheiden? Zu Ansichten wie der von Frau Kotting-Uhl gibt es Bücher, Zeitschriften, Filme und Leute, die tatsächlich ein wissenschaftliches Studium abgeschlossen haben, jedoch auf dem Gebiet der Strahlenkunde finstersten Aberglauben verbreiten. Ihnen geht es nicht um Wahrheit, sondern um Geld und Geltung. 

Insofern wäre es nicht verkehrt, würde eine Mathematikerin versuchen, in die unübersichtliche Literatur, angefangen mit seriöser strahlenbiologischer Wissenschaft bis hin zum letzten Unsinn, Ordnung zu bringen. Das hat Frau Dr. Christine Steinhoff, Mathematikerin, im WD2 des Deutschen Bundestages, in ihrem Infobrief WD2-3010-164/14 leider nicht getan.

Mathematiker stellen sonst erst einmal die Voraussetzungen klar und versuchen, mit möglichst wenigen Voraussetzungen auszukommen. In der seit über 100 Jahren betriebenen strahlenbiologischen Forschung sind dies:

  1. Die verschiedenen Strahlenarten wirken verschieden stark, es ist auch ein Unterschied, wie sie in den menschlichen Körper gelangen, aber es gibt keine prinzipiellen Unterschiede in ihrer Wirkung. Daher kann die biologische Wirkung jeweils durch eine eindeutige Zahl dargestellt werden, mit der Einheit Sievert. Man nennt die Einwirkung Dosis.
  1. Es gibt eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Gleiche Dosen erzeugen gleiche Wirkungen. Diese können statistischer Art sein, d.h. von einer Gruppe von Individuen ist nur ein bestimmter Prozentsatz betroffen.
  1. Unterhalb von 0,033 Sievert = 33 Millisievert (mSv) sind keine biologischen Veränderungen zu finden (signifikante Erhöhung der Zahl dizentrischer Chromosomen bei Untersuchungen von 100.000 Zellen, M. Bauchinger, Mutation Research 339 (1995)). Beeinträchtigungen der Gesundheit, sofort oder durch Spätschäden wie Krebs, konnten unter 100 mSv nie gefunden werden. Dies gilt für kurzzeitige Bestrahlungen.
  1. Im Flachland sind die Menschen von Natur aus einer Dosis im Bereich von 2 mSv pro Jahr ausgesetzt. In vielen Ländern der Welt leben große Bevölkerungsgruppen bei jährlichen Dosen von 20 mSv und darüber. Es wurden keine Abweichungen bei Krebs- und Mutationshäufigkeit gefunden.

Nun kann man diese Voraussetzungen ablehnen, z. B. die Dosis-Wirkungs-Beziehung, und behaupten, Strahlung wirkt mal so und mal anders. Im Hexenglauben hat man ja auch keine Proportionalität zwischen Anzahl der Hexen und Anzahl unerklärlicher Todesfälle angenommen. Frau Steinhoff hätte aber klarstellen müssen, welche Voraussetzungen sie zugrunde legt, oder ob sie, anders als in ihrem Fach, Voraussetzungen ablehnt. Nach obigen 4 Kriterien fällt die Studie von IPPNW heraus. Auch die Erwähnung von Radionukliden in Seefischen vor der kalifornischen Küste ist nur zu rechtfertigen, wenn man die Möglichkeiten heutiger Messtechnik darstellen will. Wie weit dieser Nuklidgehalt relevant ist, lässt sich doch nur beurteilen, wenn man ihn mit der natürlichen Radioaktivität der Fische vergleicht.

Eine abschließende Risikobewertung des Unfalls von Fukushima wäre nach den vorliegenden Daten, auch des UNSCEAR-Berichtes, nicht möglich, schreibt Frau Steinhoff. Aber nur, wenn man Voraussetzung 3 nicht anerkennt, dass man nämlich unter 100 mSv keine gesundheitlichen Wirkungen findet, schon gar nicht, wenn diese 100 mSv auf ein ganzes Jahr gestreckt sind.

Frau Steinhoff kennt sicherlich die Abgeordneten und weiß, dass diese mit Zahlen nichts anfangen können. Daher kommt in ihrer Arbeit kein Dosiswert, keine Zahl betroffener Anwohner, keine Zahl von Krankheitsfällen vor. 

So ist diese Arbeit doch aufschlussreich. Sie zeigt in erschreckender Weise, von was für Leuten wir regiert werden.

Die Berichte können im Anhang als pdf heruntergeladen werden.

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