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Planwirtschaft mit Markt-Neusprech

Marktdesign ist per Definition die Manipulation, den Vertrieb von Gütern und Leistungen so auszugestalten, daß die Verhaltensanreize für Marktteilnehmer mit den übergeordneten Zielen  des Marktarchitekten und nicht mit den Interessen der Käufer und Verkäufer im Einklang stehen.  Es ist ein wirtschaftspolitisches Gängeln mit Verboten (nimm keine Kernkraft) und Befehlen (dämme dein Haus). Nudging ist dagegen liberale Puppenstube. Da gibt es nämlich keine Verbote und Befehle. Das Vorhandensein eines omnipotenten und rege tätigen Marktarchitekten verweist auf Marktferne und Planwirtschaft. Im Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ ist ständig von Marktdesign die Rede.

Nun hat es Rahmenbedingungen des Kaufens und Verkaufens immer schon gegeben. Jedes auch noch so minimalistische Rechtssystem setzt Käufern und Verkäufern irgendwelche Schranken. Die Festlegung von Marktorten, Marktzeiten, der Kampf gegen Übervorteilung und Betrug, die Besteuerung bestimmter Umsätze und die Festlegung von Gewichten oder Zahlungsmitteln sind uralte gesetzgeberische Begleitumstände des Handels. Der erfolgreiche Gesetzgeber hat jedoch immer für Fairness gesorgt und Handelsplätze damit erst attraktiv gemacht.

Die Bevorteilung bestimmter Anbieter, zum Beispiel von Strom aus Photovoltaik und Wind gegenüber anderen Stromerzeugern ist einem freien Markt völlig fremd. Wir sind hier wieder in den 20er, 30er und 40er Jahren angekommen, wo Roggen, Margarine und Holzschliff gegenüber Mais, Butter und Lumpen bevorzugt wurden, wie überhaupt jedes deutsche Produkt gegenüber einem Import. Die Reichskanzler der Weimarer Republik und der Führer des Dritten Reichs waren auch Marktdesigner, obwohl es diesen Begriff aus dem WahrheitsWirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel damals noch nicht gab.

Was würde es für einen Aufschrei geben, wenn man im Supermarkt nur Margarine statt Butter kaufen dürfte, jeweils bis die Margarine alle ist. Wenn das ranzig werdende Margarineüberangebot zusammen mit der guten Butter gemeinsam in einer Leipziger EEX Fettbörse vertickt werden würde, mit dem Ergebnis, daß Margarine nach Tschechien oder in die Schweiz verklappt wird, Deutschland dafür noch was zuzahlen muß und der Butterpreis durch diesen Irrsinn unter den Gestehungspreis sinkt. Und wo die Grünen noch stolz auf den ruinös gesunkenen Butterpreis sind. Wo die Erzeuger von Margarine hohe Festpreise erhalten, und das über 20 Jahre garantiert. Wo die Butter mit einer Umlage für erneuerbare Fette verteuert wird. Und wo ein semireligiöser Kult um chemische Fette getrieben wird. (Gab es tatsächlich um 1950: „Mitschurin hat festgestellt, daß die Butter Gift enthält…“) Wo, Herr Wirtschaftsminister Gabriel, ist da ein Funken Marktwirtschaft? Energie wird genau nach diesem Muster produziert und verteilt.

Preise für Energie sind von den Produkterzeugungskosten meilenweit entfernt, so wie in der DDR, wo noch bis fünf Minuten nach Zwölf die Preise von 1936 galten. Mit den Fehlsignalen dieser Preise wurde damals ein Fehlsortiment produziert, zu international völlig konkurrenzunfähigen Fehlkosten. Heute produziert man unzuverlässigen Flatterstrom zu Flatterpreisen und ist stolz auf deren flatternde „Markt“-Signale.

Das Wirtschaftsministerium steuert nun mit flatternden Fahnen auf einen EOM-Energiemarkt zu, bei dem nur tatsächliche Energielieferungen vergütet werden, nicht aber die Bereitstellung von Leistung. Wieso brauchts dafür den englischen Terminus EOM ? Damit niemand was versteht? Es wimmelt im Grünbuch nur so von Nebelvorhang-Anglismen, die in England und in Deutschland niemand versteht.

Tatsächlich könnte dieser sogenannte Energy-only-Markt recht diffuse Anreize dafür liefern, Kraftwerke für Zeiten mit Engpässen vorzuhalten. Eine Verknappung solcher Kapazitäten verursacht nämlich bei Engpässen stark ansteigende Börsenstrompreise, so dass mit diesen Reservekraftwerken an solchen Tagen Erträge erwirtschaftet werden können, welche die Kosten übersteigen. Allerdings weiß niemand wie oft und wie regelmäßig solche rettenden Preisspitzen eintreten. Sie sind extrem wetterabhängig. Und nur ein Bruchteil dieser Spitzenpreise wird bei den Reservekraftwerken ankommen, weil alle gerade am Netz befindlichen Kraftwerke von diesem Geldsegen was abbekommen werden. „Insolvenz mit Sonne im Herzen“ oder „Windige Pleite“ wird man in den Zeitungen als Headline lesen, wenn ein Reservekraftwerk zumacht.

Was am Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ überhaupt auffällt: Es kommen kaum Zahlen darin vor. Auch Diagramme und Abbildungen fallen seitenweise unter das bei den Taliban übliche Bilderverbot. Beim Lesen bekommt man angesichts der Größe der zu bewältigenden Probleme und der einzusetzenden Mittel nicht das Gefühl, daß mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, sondern mit Luftballons auf Elefanten. Die Größenverhältnisse im deformierten Energie-„Markt“ spielen im Grünbuch keine Geige. Mit dem Aufladen von Elektroautos und dem Betrieb von Elektroheizungen (bis vor kurzem noch absolut pfui) wollen die Ministerialen Energieüberschüsse abbauen, die rund 100mal größer sind, als diese Nischenanwendungen.

Paul Samuelson und William Nordhaus definierten den Markt wie folgt: Ein Markt ist ein Mechanismus, mit dessen Hilfe Käufer und Verkäufer miteinander in Beziehung treten, um Preis und Menge einer Ware oder Dienstleistung zu ermitteln.

Das ist in der deutschen Energiewirtschaft nicht der Fall, weil eine politisch gewollte Menge einer Ware zu einem Festpreis mit roher und brutaler Gewalt in den Markt gedrückt wird. Deshalb handelt es sich nicht um einen Markt, sondern um Planwirtschaft mit exorbitanten Monopolprofiten. Von Sozialismus und Kapitalismus (wie Gabriel ihn als Profitmaschine mißversteht) hat Sigmar Gabriel gekonnt nur deren Nachteile  miteinander kombiniert.

Ein typischer Dritter Weg in einem regulatorischen Irrgarten, den kein Mensch hinsichtlich seiner Nebenwirkungen mehr überblickt. „Im gegenwärtigen Marktdesign hat sich eine Vielzahl von Produkten und Instrumenten entwickelt, die das Marktgeschehen unterstützen oder Markt und Netz absichern: Neben den kurzfristigen Spotmärkten und Regelleistungsmärkten existieren beispielsweise Redispatch- und Einspeisemanagement-Maßnahmen und die Netzreserve. Auf unteren Spannungsebenen werden die Netzbetreiber voraussichtlich verstärkt Speicher und andere Flexibilitätsoptionen für Systemdienstleistungen einsetzen. Grundsätzlich gilt: Je weniger Instrumente und Produkte dieselben Ziele verfolgen, desto geringer sind tendenziell die Kosten.“ So steht es im Grünbuch des Ministeriums.

Der letzte Satz ist richtig, blos richtet sich niemand nach dieser Weisheit. Wenn man auf Wind- und Sonnenenergie verzichten würde, würde nämlich der Strompreis sinken.

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