1

Vier Jahre nach Fukushima – Was sagt die Fachwelt dazu?

Wie viele Menschenleben hat der Reaktorunfall gekostet?

Fukushima war keine radiologische Katastrophe, aber eine viel größere soziale Katastrophe. Durch die Strahlung als besondere Gefahr der Kernenergie gab es keine Toten und es wurde auch niemand in seiner Gesundheit durch Strahlung geschädigt. Es gab jedoch auf andere Weise Opfer durch den Reaktor-Unfall. Bei der angeordneten Evakuierung von etwa 130 000 Menschen wurden auch Krankenhäuser und Pflegeheime geräumt, wobei mehr als 50 Intensiv-Patienten während der Evakuierung oder gleich danach gestorben sind, weil deren Versorgung unterbrochen worden ist.

Unter den jahrelang evakuierten Menschen gab es verschlechterten Lebensbedingungen und massenhaft Probleme: psychischer Stress, Angst vor Strahlung, Entwurzelung, Flucht in Alkohol mit Folgen für die Gesundheit, Suizide. In der SSP sind keine Zahlen von Todesopfern genannt, jedoch an anderen Stellen sind Zahlen zwischen 500 und 3000 zu finden. Es sind daher Nutzen und Risiken von Evakuierungen gegeneinander abzuwägen (wird an mehreren Stellen in der SSP gesagt). Dieses Problem wird diskutiert, es ist eine Aufgabe für die Zukunft.

Kommentar:

Bei einer Dosis von 100 bis 200mSv pro Jahr wurde noch nie eine schädliche Wirkung von Strahlung nachgewiesen (UNSCEAR, United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation). Die ICRP (International Commission on Radiological Protection) empfiehlt die Evakuierung bei der möglichen Dosis von 100mSv im Jahr, so sagt es auch das Gesetz in Deutschland. Die Gesetze in Japan verlangen Evakuierung schon bei 20mSv in Jahr.

Es folgt: Die Gesetze in Japan verlangen eine Evakuierung bei einer Dosis, die keine Gefahr darstellt. Daher sind die 50 gestorbenen Patienten und die 500 bis 3000 späteren Opfer eine Folge von unsinniger Gesetzgebung.

Was geschieht mit dem „verstrahlten“ Land in der Umgebung von Fukushima?

Es wird der Boden abgetragen und in Säcke eingefüllt.

Kommentar:

Aus dem mittleren Gehalt der Erdkruste an Kalium-40, Uran und Thorium lässt sich errechnen, daß in den oberen 10cm Boden einer Fläche von einem Quadratmeter im Mittel eine Radioaktivität von 400 000 Becquerel enthalten ist. Diese Radioaktivität hat eine Dosis von einigen Zehntel Milli-Sievert für die dort lebenden Menschen zur Folge. Es gibt an vielen Stellen der Erde erhöhten Uran- und Thorium-Gehalt im Boden, dort kann die Radioaktivität des Bodens um den Faktor 100 bis 1000 höher sein als das genannte Mittel. Dann ist auch die den Menschen treffende Bodenstrahlung entsprechend erhöht, sie kann über 200mSv im Jahr erreichen. Auch in Deutschland gibt es in freier Natur Stellen mit 50mSv in ein Meter Höhe, dort gibt es Pflanzen, Käfer, Regenwürmer – eben die ganz normale Natur. Menschen können diese Stellen betreten, aber sie halten sich dort nicht das ganze Jahr auf.

Eine Oberflächenkontamination des Erdbodens von 1 Million Becquerel Cäsium-137 hat für einen Menschen an dieser Stelle eine Ortsdosisleistung von 2 Mikro-Sievert pro Stunde zur Folge, das kann man berechnen. Die Dosisleistung von 6 Mikro-Sievert pro Stunde, der man auf unseren Breiten im Flugzeug auf Reiseflughöhe ausgesetzt ist, wird bei einer Oberflächenkontamination des Erdbodens von 3 Million Becquerel Cäsium-137 erreicht.

Es folgt: Was im Flugzeug erlaubt ist, bleibt in der Kerntechnik „kritisch“, es ist verboten.

Es sei daran erinnert: Cäsium ist ein Alkalimetall und es ist daher wie Natrium und Kalium sehr gut in Wasser löslich, daher verschwindet es durch Regenwasser in den Boden oder wird fortgeschwemmt.

„Verstrahlte“ Lebensmittel – wie gefährlich sind diese?

Es galt zu Beginn des Unfalles die Grenze von 500Becquerel/kg, basierend auf der zusätzlichen Dosis von 5mSv/a. In 2012 wurde sie auf 100Becquerel/kg herab gesetzt, entsprechend 1mSv/a. Es gibt niedrigere Grenzen für Blattgemüse und Milch für Kinder.

Kommentar:

Beispiel 1: Der Mensch ist durch seine körpereigene Radioaktivität eine bewegliche Quelle von Strahlung, er bestrahlt sich selber, und er bestrahlt (oder „verstrahlt“) seine Mitmenschen und seine Umwelt. Die Radioaktivität des Menschen ist in erster Linie abhängig vom Gewicht:
—- Meine Frau (52kg) ist eine Strahlenquelle von 6000 Becquerel.
—- Wladimir Klitschko (110kg) ist eine Strahlenquelle von 12000 Becquerel, also gefährlicher!?
—- Minister P. Altmaier (140kg?) ist eine Strahlenquelle von 15000 Becquerel, sehr gefährlich!?

Peter Altmaier bestrahlt sich selber und seine Umwelt mit der zweieinhalb-fachen Aktivität, verglichen mit meiner Frau. Wenn meine Frau nun mit der Nahrung zusätzlich 100Bq verzehren würde – was verboten ist – wäre sie für wenige Tage eine Strahlenquelle von 6100 Becquerel. Was ist daran gefährlich? Warum sind die anderen Strahlenquellen Wladimir Klitschko und Peter Altmaier erlaubt???

Beispiel 2: Das Wasser der Wettinquelle im Heilbad Bad Brambach enthält 25 000 Becquerel pro Liter, es wird von den Kurpatienten getrunken. Aber diese Radioaktivität des Wassers ist alpha-Aktivität, deren biologische Wirksamkeit ist 20-mal höher als die gamma-Aktivität des Cäsium-137, um die es in Japan geht. Ein Liter der Wettinquelle hat die biologische Wirksamkeit von 1 000 000 Becquerel des verbotenen Cäsiums – wie ist das zu verstehen?

Beispiel 3: In der Nuklearmedizin werden dem Patienten für ein Szintigramm zur Lokalisierung eines Tumors 500 Millionen Becquerel direkt ins Blut gespritzt, es können aber auch 50% mehr sein. Das ist gamma-Aktivität, der Patient ist vorüber gehend eine Strahlenquelle von 500 Millionen Bq, seine körpereigene Aktivität wird 50 000-fach überstrahlt, dennoch ist das unschädlich.

Es folgt: Ein Sinn der Lebensmittelrestriktionen ist nicht erkennbar, 100Bq von Cs-137 sind harmlos. Alle Nahrungsmittel enthalten auch Radioaktivität, ein Mensch verspeist an einem Tage etwa 150 Bq mit der Nahrung. In Gegenden mit hoher Radioaktivität im Boden erhöhen sich diese Zahlen.

Die Freisetzung von radioaktiven Stoffen ins Meer

Die teilweise geschmolzenen Kerne der Reaktoren müssen noch gekühlt werden. Aber viele Brennelemente sind geschmolzen und die Containments sind zerstört. Es gelangen daher radioaktive Stoffe ins Kühlwasser und dann auch nach draußen ins Grundwasser und ins Meer. Mit gigantischem Aufwand wird das Kühlwasser in einer riesigen Anzahl von Behältern gelagert, es wird von Radioaktivität befreit. Der Meeresboden vor dem Kraftwerk wurde mit Beton versiegelt. Das Einsickern von Grundwasser mit radioaktiven Stoffen ins Meer soll durch Barrieren aus gefrorenem Boden verhindert werden.

Kommentar:

Die ganze Welt ist radioaktiv, der Erdboden im Mittel mit 2000Bq/kg, oft aber sehr viel mehr: Granit 5000Bq/kg, Kalidünger 15 000Bq/kg, Uranerz 500 000Bq/kg, Pechblende 150 000 000Bq/kg. Da die Radioaktivität enthaltenden Mineralien meist schwer löslich sind, ist im Wasser weniger enthalten: in den Weltmeeren 12Bq/kg. Alles Kühlwasser aus den Reaktoren gelangt letztendlich in die Weltmeere und verteilt sich und wird verdünnt. Die Weltmeere enthalten etwa 10 hoch 22 Bq Kalium-40. Wenn alle freigesetzte Cs-137-Aktivität in den Weltmeeren verteilt werden würde, dann würde deren Radioaktivität um 0,0001% steigen.

Es passt zu diesem Scheinproblem eine Aussage von Prof. Klaus Becker, einem der ganz großen deutschen Fachleute in Sachen Strahlen, die er in Verbindung mit dem oft diskutierten Horrorszenario eine schmutzigen Bombe gebracht hat: Man sollte einen Besen nehmen und alles in den nächsten Gulli kehren, dann verteilt es sich und ist unschädlich.

Was sind die Schlußfolgerungen?

Es ist festzustellen: Die gesetzlichen Vorschriften sind in Japan sehr streng, so wurden scheinbare Gefahren vorgegaukelt und Ängste erzeugt. Die strenge Gesetzgebung zu den aus radiologischen Gründen nicht erforderlichen Evakuierungen kostete mehreren tausend Menschen das Leben. Schon nach dem Tschernobyl-Unfall hatte die IAEA in 1991 die dort erfolgten Evakuierungen und Lebensmittelrestriktionen als zu weitgehend kritisiert, geschehen ist seither aber nichts.

Aus der Sicht der Bürger ist die Angelegenheit klar: Der Bürger kennt sich in den Zusammenhängen von „Strahlung und Gesundheit“ nicht aus, er vertraut jedoch auf die Weitsicht der Regierenden und deren Gesetzen. Also schließt er aus den erfolgten Evakuierungen auf vorhandene Gefahren — das ist ein Irrtum, mit fatalen Folgen für viele Menschen wie jetzt in Japan geschehen. Auch in Deutschland wird der falsche Weg gegangen, denn anstatt bei einem möglichen Unfall mit Radioaktivitätsfreisetzungen Evakuierungen zu reduzieren oder ganz auszuschließen, gibt es zur Zeit Bestrebungen von der Politik, diese noch auszuweiten (s. SSP 4/2014, S. 50 ff).

Für die Sinnhaftigkeit der Strahlenschutzgesetze gibt es UNSCEAR, ein wissenschaftliches Gremium unter dem Dach der UN. Die Erkenntnisse von UNSCEAR werden durch die IAEA und ICRP zu Vorschlägen für Nuclear Safety & Security verarbeitet, die wiederum von den nationalen Gremien übernommen werden und in die Gesetzgebung der Nationalstaaten einfließen. In all diesen Gremien sind die gleichen Leute zu finden, so daß sich Wissenschaft und Politik vermischen können. UNSCEAR hat nicht die Aufgabe, sich um soziale, seelische, psychische Probleme der Menschen zu kümmern, die infolge einer Evakuierung entstehen (Wolfgang Weiss). Hier kann man aber auch anderer Meinung sein, denn wer sonst als die Fachleute in den Gremien können unsinnige Gesetze erkennen und auf Abhilfe dringen?

Vorschlag: Alle sollten mithelfen, die internationalen und nationalen Gremien, die Gesetzgeber und deren Fachleute in den beratenden Institutionen, die Medien und die Bürger. Bei allen ist dazu ein Fachwissen erforderlich und die Bereitschaft, ideologische Scheuklappen abzulegen.