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Warum der Wind niemals “keine Rechnung” schickt – und Windkraft teuer bleibt

Auch wenn wir heute noch einen Mehrpreis für den Strom aus Wind und Sonne bezahlen, so heißt es oft, werden wir schon in wenigen Jahren, wenn für die ersten Anlagen die hohen Vergütungssätze nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) auslaufen, den Strom von dort fast zum Nulltarif bekommen. Schließlich hätten diese ja keine Brennstoffkosten und Sonne und Wind schicken bekanntlich keine Rechnung.

Wind schickt doch eine Rechnung

Betrachtet man diese Überlegung einmal am Beispiel der Windkraft, einer der Hauptsäulen der Energiewende, dann fallen einem sofort zwei grundlegende Fehleinschätzungen ins Auge. Fehler Nummer eins an dieser Rechnung ist, dass auch nach dem Ende der speziellen Förderung für neue Anlagen eine Vergütung zu zahlen ist. Und diese ist mit 4,95 Cent für die Kilowattstunde an Land und mit 3,9 Cent auf hoher See immer noch über den Preisen von Strom aus Kohle, Braunkohle oder Kernkraft.

Und Fehler Nummer zwei ist die Annahme, dass die Anlagen nach dem Auslaufen der erhöhten Anfangsvergütung überhaupt weiter Strom produzieren. Es spricht nämlich vieles dafür, dass in den allermeisten Fällen die Windräder mit dem Auslaufen der Förderung vom Netz genommen werden. Gründe dafür sind, dass man mit einem Neubau an gleichem Standort dann wieder in den Genuss der erhöhten Einspeisevergütung kommt, sowie  die simple Tatsache, dass bei so stark beanspruchten mechanischen Anlagen wie einem Windgenerator die Kosten für Wartung und Instandsetzung mit dem Alter stark in die Höhe gehen. Das gilt für Windräder an Land, und noch stärker für die Anlagen auf hoher See.

Stilllegung nach nur 13 Jahren

In Schweden hat der staatliche Elektrokonzern Vattenvall vor kurzem bekanntgegeben, dass der Windpark Yttre Stengrund mit 5 Turbinen mit je 2 Megawatt Leistung in diesem Sommer nach nur 13 Jahren Betriebszeit stillgelegt werden soll. Die Gründe hierfür sind wirtschaftlich-technischer Art. Zum einen hat es immer wieder Probleme mit der Beschaffung von Ersatzteilen für die Generatoren gegeben, und zum anderen stünden umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen an der Stromverbindung zum Festland an, welche sich nicht wirtschaftlich abbilden ließen.

Leistungs-Abfall von Windkraft-Anlagen nach Hughes 2012 (Link im Text)

Ein Rückbau von Offshore-Windrädern nach einer so kurzen Zeitspanne erscheint auf den ersten Blick unsinnig, wird aber schlüssig wenn man weiß, was britische Forscher zur Haltbarkeit von Windkraftanlagen herausgefunden haben. Studien in denen deren Leistung über die Jahre untersucht wurden (hier und hier) kamen zu dem Ergebnis, dass Windkraftanlagen an Land über ihre Lebensdauer pro Jahr 1-2 Prozent ihrer Leistung einbüßen, das sind 20-40 Prozent in 20 Jahren.

Leistungsabfall bei Windkraftanlagen bereits nach wenigen Jahren

Noch dramatischer war der Leistungsabfall bei den Anlagen auf hoher See. Hier konnten Forscher bei Windparks in Dänemark einen Rückgang der Leistung von über 6 Prozent pro Jahr über die ersten 10 Jahre feststellen. Als Gründe hierfür werden der hohe Verschleiß und die vermehrten Ausfallzeiten von Anlagen mit steigendem Alter genannt. Windräder, die mit über 40 Prozent Auslastung gestartet waren, lagen kaum 10 Jahre später bei unter 15 Prozent.

Entwicklung der Einspeisevergütung für Windkraft an Land. Die Anfangsvergütung ist seit 15 Jahren nahezu unverändert bei 9 Cent pro kWh.

Und wer sich für die Zukunft zumindest einen positiven Preiseffekt aufgrund technischer Weiterentwicklung erwartet, der dürfte bei der Windkraft ebenfalls enttäuscht werden. Während neue Technologien und optimierte Fertigung bei der Photovoltaik in den letzten 10 Jahren dazu geführt haben, dass die Einspeisevergütung von anfangs über 54 Cent für die Kilowattstunde auf inzwischen 12,40 Cent abgesenkt wurde, liegt die Anfangsvergütung für Windstrom seit Beginn der Förderung nahezu unverändert um 9 Cent für die Kilowattstunde. Diese werden je nach Qualität des  Standorts zwischen 5 und 20 Jahren bezahlt. Anders als bei der Photovoltaik führen hier technische Weiterentwicklungen zwar zu leistungsfähigeren Anlagen. Diese kosten dann aber auch mehr und wirken somit nicht preissenkend. Entsprechend ist die Einspeisevergütung für Windkraft an Land in den letzten Jahren auf einem konstant hohem Niveau geblieben.

Die Einspeisevergütung für Offshore Windkraft ist in den letzten Jahren mehrfach angehoben worden.

Hohe See – hohe Kosten

Nochmal teurer als die Windkraft an Land ist die Windstrom-Produktion auf hoher See. Hier ist die Einspeisevergütung in den letzten Jahren sogar mehrfach angehoben worden. Für seit 2014 errichtete Anlagen werden Sätze von 15,4 Cent pro Kilowattstunde für einen Zeitraum von mindestens 12 Jahren ausgeschüttet. Steht die Anlage weiter als 12 Seemeilen vor der Küste und/oder in mehr als 20 Meter Tiefe, und das trifft auf sämtliche geplanten Anlagen in Deutschlandzu, verlängert sich dieser Zeitraum. So erhöht sich beispielsweise für den Trianel-Windpark Borkum aufgrund seiner Lage die Bezugszeit für die erhöhte Vergütung um 29 Monate auf 14 Jahre und 5 Monate.

Wenn man jetzt die Erfahrungen aus der oben genannten Studien zugrunde legt, dann erscheint es sehr wahrscheinlich, dass die meisten Offshore-Windparks nach dieser Zeit nur noch einen Bruchteil ihrer Anfangsleistung haben. Wer also als Betreiber diese Zahlen ernst nimmt, nach denen er befürchten muss dass sein Windpark bereits nach 10 Jahren kaum noch leistungsfähig arbeitet, der entscheidet sich sehr wahrscheinlich für das in der EEG Novelle 2012 neu geschaffeneStauchungsmodell, wonach man über einen Zeitraum von 8 Jahren eine Einspeisevergütung von 19 Cent anstatt 15,4 Cent über 12 Jahre bekommt. Zusammen mit Abstands- und Wassertiefen-Bonus kommt ein Windpark in der Deutschen Bucht je nach Modell auf eine Vergütungszeit von 8 bis 18 Jahren.

Abriss günstiger als Weiterbetrieb

Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Offshore-Windparks genau an dem Tag, an dem die Förderung ausläuft, wieder abgebaut werden. Die Kosten für den Ausbau der Windkraft auf hoher See fallen immer und immer wieder an. Die Rechnung hierzu ist simpel:

Die Fixkosten einer Offshore Windkraftanlage bestehen hauptsächlich aus Wartungs- und Versicherungskosten und liegen bei Neuanlagen im Bereich von 160 Euro pro installiertem Kilowatt Leistung. Das rechnet sich, so lange die Anfangsvergütung von 15,4 oder 19 Cent pro kWh ausgezahlt wird. Nach Ablauf der Förder-Höchstdauer bekommen die Betreiber von Offshore-Windparks aber nur noch die Grundvergütung von 3,9 Cent pro Kilowattstunde. Für einen Windpark wie Alpha-Ventus würde dies bedeuten, dass er mit knapp 4.150 Vollaststunden pro Jahr, wie im Zeitraum von 2011 bis 2014 erreicht, mit 162 Euro pro installiertem Kilowatt Leistung im Jahr nur ganz knapp mehr als die Fixkosten einnehmen könnte.

Nach Ablauf der Anfangsvergütung erwirtschaften Offshore Windparks Verluste. Rückbau ist günstiger, als der Weiterbetrieb.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jeder außerplanmäßige Stillstand oder jede über die normale Wartung hinausgehende Reparatur oder jedes unterdurchschnittliche Windjahr diesen mickrigen Gewinn sofort wefrisst und den Windpark in die Verlustzone bringt. Und diese Betrachtung gilt auch nur dann, wenn die Anlage nach dem Ende Ihrer Förderhöchstdauer, also zwischen 8 und 18 Jahren, noch 100 Prozent ihrer Leistung bringen würde. Und wenn die für Neuanlagen veranschlagten Wartungskosten auch für über 10 Jahre alte Windräder noch gelten. Beides ist praktisch ausgeschlossen. 

Billiger Windstrom ist nicht in Sicht

Eines scheint demnach sicher. Auch in 10, 20 oder 50 Jahren wird die Nutzung der Windkraft nicht dazu führen, dass ein Hauptziel der Energiewende, die Produktion von bezahlbarem Strom mit regenerativen Quellen, auch nur annähernd greifbar wird. Nicht nur die Landschaftsverschandelung mit immer größeren Windrädern ist in diesem Modell für die Ewigkeit ausgelegt, sondern auch der stetige und kostspielige Neubau von Anlagen, die nach spätestens zwei Jahrzehnten immer wieder aufs Neue ersetzt werden müssen. 

P.S.: Die Vision vom Schlaraffenland durch “Erneuerbare” ist in den USA übrigens zum Teil Realität geworden. Zwar gibt es dort nicht Energie fast umsonst und im Überfluss, aber wenn man im Solarkraftwerk Ivanpah in Kalifornien richtig steht und etwas Glück hat, dann könnten einem zumindest gebratene Tauben in den Mund fliegen. Dort fallen nämlich jedes Jahr tausende Vögel tot vom Himmel, weil sie durch das mit den Hohlspiegeln gebündelte Sonnenlicht gegrillt werden.

Der Beitrag erschien zuerst bei ScienceSceptical