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Interview mit Freie Welt.net mit Dr. Ing. Günter Keil – Das 100-Prozent-Ökostrom-Ziel ist prinzipiell erreichbar, wenn einem der Preis egal ist!

Freie Welt.net Der „Atomausstieg“ ist wesentlicher Teil der Energiewende.  Wie beurteilen Sie die fachliche Kompetenz der „Ethik-Kommission“ deren Votum als Grundlage für den Ausstiegsbeschluss genommen wurde?

Keil: Die Ethik-Kommission wurde von Frau Merkel zur Neutralisierung des für sie höchst unangenehmen Votums der Reaktorsicherheits-Kommission RSK erfunden und dafür instrumentalisiert.

Die RSK hatte  nach dem Fukushima-Unfall allen deutschen Kernkraftwerken ein hohes Sicherheitsniveau bescheinigt. Im internationalen Vergleich stehen sie auch hervorragend da, was nicht zuletzt der ständigen, von den deutschen Regierungen geforderten und vollzogenen sicherheitstechnischen Nachrüstungen zu verdanken ist.

Die Ethik-Kommission enthielt keinen einzigen Energieexperten, dafür aber zwei Bischöfe. Bei auch nur geringer Fähigkeit zur Selbstkritik und angesichts der ihr zugedachtenn offensichtlichenRolle als Anti-RSK hätten diese Personen eigentlich diese Zumutung zurückweisen müssen.

Statt dessen spielte diese Kenntnis-lose Gruppe brav ihre Rolle und lieferte die gewünschte  Stellungnahme ab. Allem Anschein nach auch noch stolz auf ihre Bedeutung.

Tatsächlich aber war das ein Tiefpunkt für alle beteiligten und ein dunkles Kapitel deutscher Energie- und Umweltpolitik.

Freie Welt.net: Nach dem „Energiekonzept“ der Bundesregierung sollen bis 2050 80 % des Stromes aus „Erneuerbaren“ Quellen kommen. Der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE) hält in einer kürzlich veröffentlichten Studie[1] sogar  100 % für machbar.  Wie beurteilen Sie die Erreichbarkeit beider Visionen?

Keil: Von den sogenannten „Erneuerbaren“ sind Solarstrom und Windstrom wegen ihrer Tageslicht- und  Wetterabhängigkeit vollkommen ungeeignet, Deutschland auch nur zu 50% mit Strom zu versorgen.

Dafür sorgen die auch von der deutschen Regierung nicht steuerbaren Hochdruckgebiete, die tagelang – oft auch wochenlang – alle Windräder still stehen lassen, und zwar von den Azoren bis nach Rumänien, wie es gerade jetzt im Juli 2013 geschieht.

Daran ändert sich auch nichts , wenn die zehnfache Anzahl von Windrädern Deutschlands Landschaften besetzt: Dann steht eben die 10-fache Zahl von Windkraftanlagen still.

Und die Photovoltaik liefert nur an sonnigen Tagen zwischen 9 und 15 Uhr im Sommer Strom; an bedeckten Tagen kaum etwas; Nachts gar nichts – und im Winter nahezu nichts von Anfang November bis Ende Februar.

Dazu muss für den gesamten Stromverbrauch Deutschlands die gesamte Stromversorgung fast doppelt errichtet werden: Kohle- und Gaskraftwerke müssen das übernehmen, unterstützt durch Importstrom – der übrigens zum größten Teil Kernkraftstrom ist.

Das 100-Prozent-Ziel ist prinzipiell erreichbar, wenn einem der Preis egal ist:

Man muss auf die unzuverlässige Solar- und Windstromerzeugung  verzichten und das ganze Land auf Biogasstrom plus etwas Wasserkraft umstellen. Biogas ist speicherbar und Biogas-gefeuerte Gasturbinen könnten immer laufen, ganz nach Bedarf. Das Unangenehme dabei: Man müsste den größten Teil der deutschen Landwirtschaft aufgeben und ausschließlich Mais und Raps anbauen.  Ganz Deutschland eine Monokultur, die mit enormem Aufwand an Kunstdünger und Pestiziden stabil gehalten werden müsste. Die Artenvielfalt müsste man leider ebenfalls opfern.  Und die Strompreise würden einen weiteren, gewaltigen Sprung nach oben machen.

Die Kausalkette Landschaftszerstörung – Strompreisexplosion – Energiearmut – Industrie-Exodus und Bürgeraufstand würde keine Regierung überstehen.

Freie Welt.net Zum Wesen der „Erneuerbaren“ aus Wind und Sonne gehört die unstete Verfügbarkeit gepaart mit heftiger Volatilität bei Verfügbarkeit. Beide Eigenschaften  sin naturgesetzlich gegeben und nicht veränderbar, und stehen damit einer bedarfsgerechten Versorgung diametral gegenüber. Wie beurteilen Sie die Chancen, diese naturgesetzlichen Schwächen  zu  wettbewerbsfähigen Kosten auszugleichen?

Keil: Die naturgesetzlichen Schwächen von Wind- und Solarstrom könnten einzig und allein Pumpspeicherkraftwerke zu erträglichen Kosten ausgleichen.  Diese Anlagen aber fehlen in Deutschland fast völlig. Ihre derzeitige  Leistung beträgt 7.000 MW, mit denen sich rund 40.000 MWh (Megawatt-Stunden oder 40 GWh – Gigawatt-Stunden = Milliarden Wattstunden) an Strom erzeugen lassen, wenn sie komplett leer laufen. Der durchschnittliche Tagesverbrauch liegt aber bei 1643 GWh, was bedeutet, dass man das 313-fache an heute installierter Pumpspeicherkapazität benötigt, wenn man eine 10-tägige Flaute überbrücken wollte, in der es keinen Windstrom gibt.

Aber selbst der Bau der wenigen, geologisch noch möglichen Pumpspeicherkraftwerke ist durch Bürgerwiderstand gefährdet, wie das kürzlich von Trianel aufgegebene Projekt am Rur-See zeigte.

Ein von der Politik geschätztes Märchen sind die norwegischen Wasserkraftwerke, die angeblich zu Pumpspeichern umgebaut werden könnten, woraufhin dann – nach dem Bau vieler Hochspannungs-Seekabel von Norwegen nach Deutschland – endlich Speicher für überflüssigen deutschen Windstrom vorhanden wären.

Ob die dortigen Wasserkraftwerke teuer umgebaut werden könnten, ist die eine Frage. Falls sie am Meer liegen, verbietet das für Turbinen schädliche Salzwasser einen solchen Umbau. Viele Hochspannungs-Seekabel müssten nach Deutschland verlegt werden; leider gibt es da starke Konkurrenz, denn Engländer, Niederländer und Franzosen wollen das ebenfalls.

Bleiben noch die Norweger, die die damit verbundenen höheren Strompreise fürchten und vermutlich alle derartigen Pläne ablehnen werden. 

Es bleiben dann zum Ausgleich der Schwankungen nur unsere teuren Gaskraftwerke, die aber fast alle von der Stilllegung bedroht sind, weil ihre ehemals ertragsreichen Betriebsstunden als Spitzenlastlieferanten so stark gesunken sind, dass sie unrentabel wurden. Eine Folge der kurzzeitigen, aber dann starken Solarstrom-Einspeisung zur Mittagszeit, was den Börsenpreis für Strom abstürzen lässt.

So stören die hochsubventionierten EEG-Stromeinspeisungen nicht nur die Netzstabilität, sie ruinieren auch noch die Rentabilität der einzigen Kraftwerke, die zum Ausgleich der Schwankungen dringend benötigt werden.

Dies führt zu einer weiteren Kettenreaktion des Subventions-Irrsinns, denn nun ist die Regierung dabei, die von Stilllegung bedrohten Kraftwerke  zur „Kapazitätsreserve“ zu ernennen, im Klartext: Die Subvention auch noch dieser überwiegend still stehenden Kraftwerke.

Das ist die bisherige Politik: Jede Fehlentscheidung durch eine neue, noch teurere Fehlentscheidung zu „reparieren“.

Was die gerne von Politikern beschworenen neuen Speichertechnologien betrifft: Reden wir doch noch einmal in 20 Jahren darüber. So lange dauert es mindestens bis zur Marktreife. Dann haben wir vielleicht adiabatische Druckluftspeicher. Ob die auch bezahlbar sein werden, ist eine gute Frage.

Freie Welt.net: Ebenfalls gehört zum Wesen aller „Erneuerbaren“ aus Wind, Sonne oder Energiepflanzen die sehr geringe Energiedichte der Energieträger. Wie sehen Sie für bestimmte Quellen, wie die Chancen von z.B.Offshore Windanlagen  mit einem rel. hohen Nutzungsgrad brauchbaren Strom zu international konkurrenzfähigen Preise zu erzeugen? Wie die der anderen Quellen?

Keil: „Brauchbarer Strom zu international konkurrenzfähigen Preisen“ könnten aus den oben genannten Gründen allein Kohle- und Kernkraftwerke liefern, denn nur sie – abgesehen von den wenigen Wasserkraftwerken – können den unverzichtbaren Grundlaststrom, der immer lieferbar ist, zu akzeptablen Kosten erzeugen.

Auch die Offshore-Windkraft ändert nichts daran, weil auch sie wettbewerbsbedingt und damit völlig unzuverlässig ist. Man muss beachten, dass die gerne angeführten  „Volllaststunden“  nur ein rechnerischer Jahres-Mittelwert sind, der nichts über die reale Lieferbarkeit von Strom zu einem gewünschten Zeitpunkt aussagt.

An den extremen Schwankungen des Windstroms ändert es nichts, ob die Anlagen auf dem Land oder im Meer stehen: „Null“ bei Flaute bis „Maximum“ bei maximal zulässiger Windstärke und wiederum „Null“ bei Überschreiten dieser Windstärke.

Die relativ kleine Meeresfläche, auf der die deutschen Offshore-Windparks stehen sollen, bedeutet exakt das gleiche Wetter für alle. Nichts gleicht sich da gegenseitig aus.

Also Stromversorgung im Takte der Tiefdruckgebiete ? Das ist keine Versorgung, sondern ein energiewirtschaftlicher Albtraum.

Freie Welt.net: Die Befürworter der „Erneuerbaren“ werben mit dem griffigen Slogan „Wind und Sonne schicken keine Rechnung!“ der von dem Journalisten und grünen Aktivisten Franz Alt in die Welt gesetzt wurde. Was halten Sie diesen  Leuten entgegen? 

Keil: Den schönen Satz „Die Sonne schickt keine Rechnung“ habe ich etwas abgeändert. Jetzt lautet er:

„Die Sonne schickt leider gepfefferte Rechnungen; unsere Regierung besorgt das Inkasso – und das Geld kriegen die Chinesen“.


[1] Vision des FVEE für ein 100 % erneuerbares Energiesystem.

Herr Dr. Keil wir danken Ihnen für dieses Gespräch