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Kernenergie: 100 Gründe und 100 gute Antworten. Fortsetzung #20 bis #24

Vergessen Sie Logik, Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie. In „Unfall- & Katastrophenrisiko”, der ersten großen Kategorie in Sladeks „100 guten Gründen”, werden diese ausgetretenenen Pfade verlassen, ganz im Sinne eines QUERDENKER®s (hier).Egal ob von der GRS oder der OECD, Gutachten sind für die selbsternannten „Stromrebellen” und ihren Elektrizitätswerken Schönau nichts wert, es sei denn, man schafft es, Worte wie „Schadensfall” als Super-GAU umzudeuten (#20), oder ausgetüftelte Sicherheitsmechanismen als „reines Glück” zu interpretieren (#22). Originell ist auch die Aussage (#21), je länger ein KKW laufe, desto mehr meldepflichte Ereignisse gebe es (richtig, und je älter ein Mensch ist, desto mehr hat er gegessen). In der Welt der Sladeks müssen neue Erstatzteile zwangsläufig schlechter als alte sein (#23), alte Kernkraftwerke hingegen schlechter als neue (#24). Auch wir gratulieren den Sladeks und mit ihnen auch dem QUERDENKER®-Förderer BMW zu ihrem Mut, so viele Regeln der Vernunft auf einmal gebrochen zu haben.

Hundert gute Antworten #20 – #24

#20: Sicherheitsmängel

Behauptung: Keines der 17 Atomkraftwerke in Deutschland bekäme heute noch eine Genehmigung.

Die EWS behaupten

Ob fehlende Schutzhülle, marode Elektrik oder spröder Stahl: Kein einziges Atomkraftwerk in Deutschland ist sicherheitstechnisch auf dem Stand von Wissenschaft und Technik, den das Bundesverfassungsgericht eigentlich fordert. Da helfen auch millionenteure Nachrüstungen nichts.

Als Neubau bekäme wegen der eklatanten Sicherheitsmängel heute keines der 17 Atomkraftwerke in Deutschland nochmals eine Genehmigung.

„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS

Richtig ist …

Ob raffinierte redundante Sicherheitssyteme, gestaffeltes Containment, multiple Notkühlsysteme, regelmäßige Sicherheitschecks, unplanmäßige Stresstests, strenge Grenzwertüberwachungen, IAEO-Kontrolle, umfangreiche Risikostudien und vieles mehr: Kein einziges Kernkraftwerk in Deutschland, das nicht auf dem Stand von Wissenschaft und Technik wäre.

Die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts sind bei der Kernenergie auch bei den ältesten deutschen Kernkraftwerken mehr als erfüllt, das haben umfangreiche Studien und Kontrollen immer wieder gezeigt. Selbst nach den Sicherheitsstandards von 1989, als die letzte GRS-Studie zum Risiko von Kernkraftwerken durchgeführt wurde, ist statistisch höchstens ein „Schadensfall” in 33.000 Reaktorjahren zu erwarten. Ein Schadensfall bedeutet noch lange keine Kernschmelze, und eine Kernschmelze noch lange keine Freisetzung von Radioaktivität. Das Risiko für Leib und Leben ist selbst unter konservativen Annahmen mit Abstand geringer als bei jeder anderen Energieerzeugung, sogar Wind und Sonne, das besagen die wissenschaftlichen Fakten.

Beim neuen EPR konnte man die Sicherheit sogar noch mehr verbessern, so dass nur noch alle durchschnittlich 1 Million Reaktorjahre ein Schadensfall eintritt. Aber den wollte Deutschland nicht. Nun wird er in Frankreich, Finnland und China gebaut.

Quellen von KRITIKALITÄT


#21: Altersrisiko

Behauptung: Je länger ein Atomkraftwerk in Betrieb ist, desto unsicherer wird es.

Die EWS behaupten

Technik und Elektronik halten nicht ewig. Schon gar nicht in einem Atomkraftwerk. Rohre werden spröde, Steuerungen fallen aus, Ventile und Pumpen versagen. Risse wachsen, Metalle korrodieren. Im Atomkraftwerk Davis Besse (Ohio/USA) fraß sich ein Loch unbemerkt durch den 16 Zentimeter dicken Stahl des Reaktordruckbehälters. Nur noch eine dünne Schicht Edelstahl an der Innenseite verhinderte das Leck.

Je länger ein Atomkraftwerk läuft und je älter es ist, desto riskanter ist sein Betrieb. Das kann man auch aus der Statistik der meldepflichtigen Ereignisse ablesen: Alte Reaktoren wie Biblis und Brunsbüttel tauchen dort deutlich häufiger auf als jüngere.

„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS

Richtig ist …

Meldepflichtige Ereignisse sind nicht immer Störungen und erst recht nicht immer Störfälle, die es in Deutschland seit 10 Jahren nicht mehr gegeben hat. In der Statistik des Bundesamtes für Strahlenschutz weisen ältere KKWs 2009 und 2010 keine signifikant höhere Rate an meldepflichtigen Ereignissen auf als neuere. Dass sie insgesamt mehr Vorfälle gemeldet haben ist nicht verwunderlich, denn es gibt sie ja länger.

Nicht ohne Grund hat man ein Klassifikationssystem für meldepflichtige Ereignisse eingeführt. Dies dient der stetigen Verbesserung der Sicherheit, was man von anderen Einrichtungen wie Chemiefabriken, in denen auch Materialien für Solarzellen und Windkraftanlagen hergestellt werden, nicht sagen kann. Diesen enormen Sicherheitsvorteil als Beleg für schlechte Technik anzuführen ist ungefähr so logisch, wie jemanden, der vorsorglich häufiger zum Arzt geht, als kranker zu bezeichnen.

Zu suggerieren, kleinere Schäden wie Risse und Lecks, auch im nuklearen Bereich, würden zu katastrophalen Konsequenzen für die Umgebung führen, ist unverantwortlich. Der Vorfall in Davis-Besse zeigte auch, dass zwar eine der fünf Sicherheitsbarrieren versagen kann, aber auch, dass dies noch lange keine Gefahr für die Bevölkerung darstellt. Die redundante Mehrfachabsicherung sowie die passiv wirkenden Sicherheitsbarrieren verhindern effektiv, dass nennenswerte Strahlenbelastungen nach außen treten. Der Aufwand der Nachrüstung und Wartung bestimmt letztendlich die Häufigkeit von derartigen Ausfällen, wie bei allen technischen Industrieanlagen. Der Betreiber musste umfangreiche Auflagen erfüllen und hohe Strafen zahlen.

Bei der „dünnen Schicht” handelt es sich übrigens um die korrosionsfeste Innenwand – es ist also keineswegs glücklicher Zufall sondern gezielte Auslegung, dass diese nicht durchfressen wurde.

Quellen von KRITIKALITÄT


#22: Meldepflichtige Ereignisse

Behauptung: Alle drei Tage kommt es zu einem ›sicherheitsrelevanten Ereignis‹ in einem deutschen Atomkraftwerk.

Die EWS behaupten

Die Störfallmeldestelle des Bundesamts für Strahlenschutz verzeichnet Jahr für Jahr zwischen 100 und 200 Störfälle und für die kerntechnische Sicherheit bedeutsame Ereignisse in deutschen Atomkraftwerken – seit 1965 insgesamt etwa 6.000. Jedes Jahr haben einige dieser meldepflichtigen Ereignisse das Potenzial, einen schweren Unfall auszulösen. Dass es bisher in Deutschland nicht zum Super-GAU kam, war mehrmals nur Zufall und Glück.

„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS

Richtig ist …

Die hier gewählte Formulierung soll suggerieren, dass es jedes Jahr 100 bis 200 Störfälle gibt. Dies ist jedoch falsch. Insgesamt gab es in Deutschland nur 3 Störfälle, wobei die letzten 2 (Philippsburg) 11 Jahre zurück liegen und sich nachträglich als unkritisch, wohl aber nicht vorschriftsmäßig, herausgestellt haben. Der Rest sind „Störungen” und „Vorfälle”, die zwar meldepflichtig, aber sicherheitstechnisch von geringer Relevanz sind. Auf diese Statistik sollte man stolz sein, aber auch froh, dass man durch ein derartiges Meldesystem ständig Verbesserungen vornehmen kann. Dies zeigt sich auch in der stetigen Abnahme der gemeldeten Vorfälle seit 20 Jahren.

In diesem Zusammenhang einen „Super-GAU” zu erwähnen ist ungefähr so, als würde man es als Zufall und Glück bezeichnen, dass ein Auto mit klemmendem Heckscheibenwischer nicht gleich lichterloh explodiert ist. Die mehrfach installierten, vielseitigen aktiven sowie die ausfallsicheren passiven Sicherheitssysteme und -barrieren bewirken eine nur sehr geringe Ausfallrate, klar belegt durch die Berichte des Bundesamtes für Strahlenschutz.

Quellen von KRITIKALITÄT


#23: Ersatzteilmangel

Behauptung: Bei Reparaturarbeiten an Atomkraftwerken entstehen leicht neue Fehler.

Die EWS behaupten

Die noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke in Deutschland sind zwischen 1974 und 1989 ans Netz gegangen. Viele Bauteile gibt es heute gar nicht mehr. Für Reparaturen muss also Ersatz gebastelt werden. Ein riskantes Unterfangen, denn wenn sich die Ersatzteile nicht unter allen Umständen genau so verhalten wie das Originalbauteil, kann das gravierende Folgen haben.

„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS

Richtig ist …

Nachbauten arbeiten wesentlich besser als die original konzipierten Bauteile, gut zu sehen z.B. bei Oldtimer-Automobilen. Logisch, denn bei Nachbauten fließt ja nicht nur das Wissen der Originalkonstruktion, sondern auch die langjährige Benutzungserfahrung mit ein. Fachmännisch gefertigt und vor dem Einbau mindestens genauso geprüft wie das Original ist mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen. Warum sollte dies ausgerechnet bei sicherheitsrelevanten Teilen in Kernkraftwerken anders sein?

Jahrzehntelange Material- und Sicherheitsforschung als „Basteleien” abzutun ist ein Zeichen tiefer Ignoranz und Ahnungslosigkeit. Hier informiere man sich erst mal über die technische Realität, statt die persönliche schlechte Erfahrung mit Nachbauten von Druckerpatronen auf Kernkreaktoren zu übertragen.

Quellen von KRITIKALITÄT


#24: Steinzeittechnik

Behauptung: 30 Jahre alte Technik ist nur eins: reif für den Schrott!

Die EWS behaupten

Der Baubeginn der noch in Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke lag zwischen 1970 und 1982.

Kein vernünftiger Mensch würde je behaupten, ein Auto wie der VW-411 von 1970 sei heute noch »sicherheitstechnisch auf dem aktuellen Stand« – selbst wenn er in der Zwischenzeit die Stoßdämpfer erneuert, die Bremsen gewechselt und Anschnallgurte nachgerüstet hätte. Und jeder, der ankündigte, seinen Commodore-C64-Heimcomputer (Bj. 1982-93) auf heutige Standards nachrüsten zu wollen, würde lauthals ausgelacht.

Nur bei Atomkraftwerken ist all das nach Ansicht ihrer Betreiber kein Problem …

„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS

Richtig ist …

Das Alter einer Anlage hat nicht unbedingt etwas mit der Sicherheit zu tun. Kein vernünftiger Mensch forderte je, man solle endlich die Pyramiden von Gizeh abreissen, weil sie »veraltet« sind. Solange die Gebäudestruktur intakt ist, ist das Gebäude sicher. Das Innenleben hingegen kann man beliebig austauschen. Auch einen VW-411 könnte man sicherheitstechnisch auf den aktuellen Stand bringen, nur wäre das vermutlich teurer als ein Neukauf. Und jemand, der in sein altes C64-Gehäuse einen moderen Computer einbaut, würde für dieses »Kunstwerk« großen Applaus ernten.

Die Sicherheitsanforderungen werden zuerst formuliert, dann entscheidet man, mit welchem Aufwand die Anlage diese Forderungen noch erfüllen kann. Bei Kernkraftwerken sind hier die passiv wirkenden Barrieren (Beton-/Stahlhüllen, Filter und Brennelementehüllen) besonders wichtig, welche aber meist nicht modernisiert werden müssen. Die sehr strengen KTA-Regeln beschreiben detailliert alle Anforderungen an Bauteile und Verfahren.

Die erst 50 Jahre junge „steinzeitliche” Kerntechnik nutzt bisher nur ein Bruchteil ihres Potentials – und ist damit bereits 20 mal so effizient wie z.B. die „moderne” Windenergie. Letztere wurde tatsächlich schon vor der Bronzezeit genutzt, und ihr technisches Potential ist heute längst ausgereizt.

Quellen von KRITIKALITÄT